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Vielsprachige Begrüßungen an der Tür zur Bibliothek
Vielsprachige Begrüßungen an der Tür zur Bibliothek
22.05.2024

Geister, Ghosten, Grenzen und Sprachen

Spannende wechselseitige Adaptierungen von Szenen in einer anderen Sprache – als Vor-Eröffnung des aktuellen Dramatiker:innen-Festivals in Graz.

Antonela Tošić liest eine – mit vielen Kinderreimen angereicherte – Geschichte über ein Mädchen, das sich in Unbekanntes auf den Weg macht und dabei Geister erwachen, die es ihr gelichtun wollen. Da gewittert es über dem Himmel von Graz. Die Fensterscheiben in dem alten Raum mit historischer Tapete in der Villa Malvine vibrieren, scheppern ein bisschen.
Eine Inszenierung hätte das nicht besser hinkriegen können;)

Das Haus, Teil der Malvinen-Stiftung, von Hugo Schuchardt, einem weit über Graz hinaus bekannten Sprachforscher, beherbergt „Treffpunkt Sprachen“. Dieses Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik versteht sich als Begegnungsraum für Spracheninteressierte und ist als Lehr- und Forschungszentrum die Schnittstelle von Initiativen – für Studierende, Lehrende – nicht nur der Uni.

Adaptierungen zu Texten aus anderen Sprachen

Den oben erwähnten Text – in kroatischer Sprache – verfasste die Autorin nach einem Gespräch mit Sebastian Galyga, der diese Geschichte auf Deutsch geschrieben hatte. Die beiden sowie sechs andere Theater-Autor:innen hatten einander vor einigen Wochen bei der 54. Week of Slovenian Drama im slowenischen Kranj getroffen. Dort stellten sie einander ihre Texte vor – auf Englisch und nicht als 1:1-Übersetzung. Im Zentrum standen jeweils Plot und vor allem Stimmung, Atmosphäre sowie die Gefühle der wichtigsten Charaktere einer der Szenen.

Sebastian Galyga verfasste als Gegenstück zu dem Text von Antonela Tošić „8 gelöschte Nachrichten“ – auf Deutsch. In Halb-, Viertel-, ja Achtel-Sätze, hingeworfenen Wörtern, dürften sich die Sprachnachrichten um Missverständnisse – oder doch Ärgeres – in einem Beziehungs-Wickel drehen. Und wurden eben nicht abgeschickt, sondern gelöscht. Bahnte sich da eine Art von Ghosting an 😉

Die mögliche Parallelität wurden den beiden Autor:innen jedoch sichtlich und hörbar erst bei Präsentation bewusst. Ein Aha-Moment bei diesem Pre-Opening des – noch bis 26. Mai (2024) laufenden aktuellen (siebenten) Dramatiker:innen-Festivals. Dessen diesjähriges Motto: „Umkehrbar?“

Kaputt – reparieren

„Vieles ist kaputt oder wird gerade kaputt gemacht.“ Und damit wird soll nicht nur die Krise das Natur-Klimas, sondern auch diejenige des gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Klimas thematisiert werden. Überwindung (aufgebauter) Barrieren ist – ohne dies direkt anzusprechen – ein Kern dieses geschilderten Projekts. „To own your own word – and share them“ (Deine eigenen Worte zu besitzen – und sie zu teilen) nennen sich diese gegenseitigen Vorstellungen von Szenen verschiedener Theater-Autor:innen in kroatischer, slowenischer und deutscher Sprache. Beim genannten Festival in Slowenien präsentierten die zwei schon vorgestellten Autor:innen und dazu noch vier weitere wie erwähnt ihre Texte auf Englisch. In den Wochen danach schrieben die Tandem-Partner:innen eine Adaption in der eigenen Sprache.

(Sprach-)Grenzen

Helena Šukljan nahm ein Kunststoff-Sackerl mit nach vor, als sie „to je naš jezik“ (das ist unsere Sprache) zu präsentieren begann. Aus dem fischte sie eine rote Schnur als Grenzlinie, baute aus einer kartonröhre und zerknülltem Illustriertenpapier einen Baum und aus dem Inneren zweier Klopapierrollen mit Punkterln zwei handelnde Figuren. Die Dramaturgin aus Slowenien gestaltet ihre Lesung szenisch. Sie hatte den Text von Lucija Klarić adaptiert –von Kroatisch auf Slowenisch mit Italienischen Passagen und in ihre eigene Region. Hatte sich Klarić mit rund 200 Jahren Geschichte an der Grenze zum einstigen Osmanischen Reich beschäftigt, so siedelt der neue Text gleichsam das parallele Thema in jener Küstenregion Istriens und Dalmatiens an, die nach dem ersten Weltkrieg an Italien ging. Das bald faschistisch gewordene Land verbot unter anderem den Gebrauch der slowenischen Sprache.

Zerbrechlich

Lucija Klarić wiederum adaptierte eine Szene von Helena Šukljan, in der diese ein:e Autor:in über die eigene Macht über eine Figur reflektiert. Und über die Zerbrechlichkeit dieser Beziehung und vergleicht diese mit der zu einer Blume. Erinnert ein wenig an eine der Begegnungen des „kleinen Prinzen“. Und damit auch insgesamt an das Festival-Motto von der Fragilität der gesellschaftlichen und menschlichen Beziehungen die zu Bruche zu gehen drohen.

Lasst mich in Frieden

Via Online-Video zugeschaltet stellte Nika Švab den Text „Pop(u)lar“ vor – die Überschreibung einer Szene von Caroline Docar, die sich dem Umweltthema widmet. Darin lässt sie Wissenschafter:innen unterschiedlichster Disziplinen Naturphänomene ebenso erforschen wie Menschen befragen. Unter anderem welche, die in einem Nationalpark leben. Und dort einfach ihre Ruhe haben wollen.

Ein Brief mit Folgen

Caroline Docar wiederum hatte von Nika Švab eine heftige Szene bekommen. In „Depression“ schickte diese ihre Protagonistin in die psychischen Folgen einer Vergewaltigung in einer früheren Beziehung. Zur versuchten Bewältigung überlegt sie, einen Brief an die neue Freundin ihres Ex zu schreiben. In der Adaptierung wurde dieser Brief an „liebe Ana“ abgeschickt. Und diese wälzt nun verschiedenste Versionen einer Antwort an „liebe Eva“ – die sich aus dieser für sie aus allen Wolken fallenden Situation samt Hinterfragen der Beziehung zu Adrian ergeben.

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zur Berichterstattung eingeladen.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

„To own your own word – and share them“
(Deine eigenen Worte zu besitzen – und sie zu teilen)

Liebe Ana
von Caroline Docar, adaptiert nach einer Szene von Nika Švab

Acht gelöschte Nachrichten
von Sebastian Galyga, adaptiert nach einer Szene von Antonela Tošić

Ohne Titel
von Lucija Klarić, adaptiert nach einer Szene von Helena Šukljan

Das ist unsere Sprache
von Helena Šukljan, adaptiert nach einer Szene von Lucija Klarić

Pop(u)lar
von Nika Švab, adaptiert nach einer Szene von Caroline Docar

M.I.L.K
von Antonela Tošić, adaptiert nach einer Szene von Sebastian Galyga

dramatikerinnenfestival 2024