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Szenenfoto aus "Heidi" im Theater der Jugend in Wien: Franziksa Maria Pößl als Heidi und Frank Engelhardt als Alm-Öhi, Heidis Großvater
Szenenfoto aus "Heidi" im Theater der Jugend in Wien: Franziksa Maria Pößl als Heidi und Frank Engelhardt als Alm-Öhi, Heidis Großvater
08.12.2024

Heidi – deine Welt ist die Welt

Der Klassiker rund um Heimweh, Gegensatz Land / Stadt, Sturheit – und neue Freund:innen in einer weltoffenen Version im Theater der Jugend in Wien.

„Heimat ist … wo deine Freunde sind!“, steht auf dem großen Sticker und den beiden gezeichneten Ziegen – Schwänli und Bärli. Die gibt’s zum Programmheft von „Heidi“ im Renaissancetheater, dem größeren der beiden Häuser des Theaters der Jugend in Wien. Der Dauerbrenner – Buch, Comic, Animationsfilme und immer wieder auch auf Theaterbühnen (vor zwei Jahren im St. Pöltner Landestheater, bald danach im Kabarett Niedermair, nun – wieder einmal – in Wien) – hat von seinem Charme, aber auch den Botschaften in den rund 145 Jahren seit der Erstveröffentlichung der beiden Bücher von Johanna Spyri wenig bis nichts verloren.

Ausgrenzung

Hin und wieder werden Akzente verlagert, verstärkt, das eine oder andere neue hinzugefügt. Aber der Kern reicht: Junges Mädchen wird Waise und landet beim einzigen verbliebenen Verwandten, dem Großvater, der als Einsiedler, genannt Alm- oder Alp-Öhi (von Oheim, einer altertümlichen Bezeichnung für Onkel) hoch über Maienfeld (Schweizer Kanton Graubünden) zurückgezogen lebt und mit keinem Menschen was zu tun haben will. Ausgegrenzt und mit bösartigen Gerüchten von der feinen Dorfgesellschaft belegt, gelingt es Heidi natürlich das harte Herz des Opas aufzuweichen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Heidi“ im Theater der Jugend in Wien: Franziska Maria Pößl als Heidi und Shirin Granmayer als Klara

Da muss sie auch schon wieder weg – auf Betreiben der Dörfler‘:innen einerseits – das Mädchen soll Bildung erhalten – und des reichen Frankfurter Wirtschaftstreibenden Sesemann, landet sie in dessen Haushalt – als Spielgefährtin für seine Tochter Klara, für die er kaum bis nie Zeit hat. Und die unter einer Art Glassturz gehalten wird, mit ihrem Rollstuhl darf sie praktisch nie außer Haus. Und bei den Sesemanns herrscht die Karikatur eines Kindermädchens, Fräulein Rottenmeier, an der eine Art Feldwebelin verloren gegangen sein dürfte 😉

Generalin

Gerade letzteres wird in der Inszenierung im Theater der Jugend – Direktor von Thomas Birkmeir verfasste die Spielversion, Claudia Waldherr inszenierte sie – richtiggehend zelebriert: Mit einem Schuss offenkundiger Kritik an „teutschem“ Militarismus verleiht Karoline-Anni Reingraber dieser Rottenmeier eine Riesenportion Unsympathie und doch einer kräftigen Nuance von Humor und (Selbst-)Ironie. Reingraber schlüpft noch in weitere Rollen, unter anderem die der blinden Großmutter des Geißen-Peters (Jonas Graber), des Ziegenpeters mit dem sich Heidi anfreundet.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Heidi“ im Theater der Jugend in Wien: Franziksa Maria Pößl als Heidi

Lässt sich nix gefallen

Die erdig aufmüpfige, insbesondere in Frankfurt, wo Heimweh nach den Bergen sie krank werden lässt, alles hinterfragende Heidi, die ähnlich sturschädelig wie ihr Opa sich nichts gefallen lässt, wird von Franziska Maria Pößl erfrischend, herzlich, hinreißend gespielt. Sie ist die einzige, die „nur“ diese Rolle übernimmt. Ihre Kolleg:innen müssen sich wandlungsfähig erweisen. Sogar Frank Engelhardt, als der verwilderte Outlaw auf der Alm, der aber dann als er Heidi ins Herz geschlossen hat, zum Kämpfer wird, agiert auch noch als Koch bei den Sesemanns und als Dorflehrer, der sich mit den anderen Maienfelder:innen gegen den Öhi stellt.

Gegensätzliches spielt auch Uwe Achilles – als strenger und mitunter gar nicht wirklich christlicher Pfarrer im Dorf sowie als Sesemann’scher Diener, der die Befehle der „Generalin“ Rottenmeier mitunter unterläuft.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Heidi“ im Theater der Jugend in Wien: Shirin Granmayer als Klara

Erstes Lächeln und Lachen

Im Rollstuhl fährt Shirina Granmayeh als Klara, die durch Heidi – Rottenmeier zum Trotz – erstmals wieder lachen kann und aufblüht. Dass sie letztlich doch aufsteht und geht, ist schon im Roman angelegt und irgendwie … – naja. Es gab auch schon Inszenierungen, in denen sie mit Hilfe mit dem Rollstuhl auch auf die Alm zum Öhi kam.

Sascia Ronzoni taucht immer wieder – neben anderen Rollen – als Erzählerin auf. Vielleicht das eine oder andere Mal zu oft, weil der – natürlich verkürzte -Fortgang der Geschichte sich an so manchen dieser Stellen doch selbst erklärt.

Besonders abstoßend findet Heidi in der Sesemann’schen Wohnung die vielen von der Decke hängenden Jagd-Trophäen-Geweihe (Bühnenbild: Daniel Sommergruber).

Ensemblefoto beim Schluss-Applaus von
Ensemblefoto beim Schluss-Applaus von „Heidi“ im Theater der Jugend in Wien

Weltreise

Am Ende, nachdem Opa und Geißen-Peter, von Klara telegrafisch alarmiert, zur Rettung von Heidis Heimweh in Frankfurt auftauchen, geht’s in dieser Version allerdings (noch) nicht zurück in die Berge, sondern erst noch auf gemeinsame Weltreise – mit der Erkenntnis aus dem eingangs geschilderten Buttons-Spruch: Heimat ist – wo deine Freunde sind!“

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Heidi

nach dem Roman von Johanna Spyri
von Thomas Birkmeir
Ab 6 Jahren; 2¼ Stunden (eine Pause)

Heidi: Franziska Maria Pößl
Geißen-Peter / Ministrant / Diener: Jonas Graber
Alm-Öhi / Dorflehrer / Koch: Frank Engelhardt
Erzählerin / Bäuerin / Hausmädchen: Sascia Ronzoni
Fräulein Rottenmeier / Großmutter / Großbauer: Karoline-Anni Reingraber
Klara / Jungbäuerin: Shirina Granmayeh
Sebastian / Pfarrer: Uwe Achilles

Regie: Claudia Waldherr
Bühnenbild: Daniel Sommergruber
Kostümbild: Natascha Maraval
Licht: Christian Holemy und Barbara Zukal
Musik: Severin Salvenmoser
Dramaturgie: Sebastian von Lagiewski
Assistenz und Inspizienz: Lukas Spring
Hospitanz: Elizaveta Bezman

Aufführungsrechte: Österreichischer Bühnenverlag Kaiser & Co. GmbH, Wien

Wann & wo?

Bis 19. Jänner 2025
Renaissance Theater: 1070, Naubaugasse 36
Telefon: 01 52110 -0
tdj -> heidi