Siegreiches Projekt aus dem vorjährigen Nachwuchsbewerb nun in voller Länge im Theater Drachengasse.
Ein helles schräges aufgemaltes Viereck sticht aus den schwarzen Wänden hervor. Das Licht geht aus, noch aber sind schwätzende Menschen im Publikum zu hören. Die Schauspielerin lugt vorsichtig ums Eck. Als es endlich ruhig ist – tatatata – entert Alicia Peckelsen die Bühne. Freut sich riesig, da zu sein. Zwischendurch stellt sie sich ebenso schräg hin wie das Viereck. „Titanic oder wie tief kann man sinken“ steht nun auf dem Programm. Es ist das siegreiche Projekt des vorjährigen (15.) Nachwuchsbewerbs. Aus den vier 20-Minuten-Performances wählte die Jury – und in diesem Fall auch das Publikum – die Story um das gesunkene „unsinkbare“ Schiff aus. Im Zentrum stand – bzw. steht irgendwie auch noch immer – die Inspiration durch die James-Cameron-Verfilmung 1997 mit dem Liebespaar Rose und Jack.
In meist sehr schrägen – auch in gerader aufrechter Position (!) – Szenen schlüpft die Solistin, eine wahre Rampensau im besten Sinn des Wortes, in teils skurrilen Dialogen in die Rolle der einen und des anderen. Lässt die aufkommende Liebesgeschichte am untergehenden Schiff fast satirisch erscheinen, erobert damit nicht nur die Bühne, sondern die hinter den Publikumsreihen etablierte Bar samt Gläsern mit geknickten Stielen und das an der Wand stehende Piano.
Über rein verbale Schilderungen lässt sie vor den geistigen Augen der Zuschauer:innen das dunkle, kalte Meer auftauchen. Zur „Untermalung“, sorgt sie für Geräusche der Schaumkronen der Wellen via Sekt-prickeln direkt vor dem Mikrophon. Ein bisschen Kälte-Feeling verursacht sie durch Öffnen der Tür neben der Bühne, so dass die Winterluft in den Publikumsraum einziehen kann.
Die Tragödie selbst manifestiert sich in Schrifteinblendungen via Diaprojektor: Beginnend von 21 Minuten nach Eisberg bis am Ende mehr als 60 Minuten nach dem Zusammenprall. Alle paar Minuten springt sie in die Liebes-Dialogszenen. Oder ganz, ganz andere.
So baut Peckelsen (Regie: Lea Marlen Balzer, Dramaturgie: Sarah Heinzel, Bühne: Henry Boebst) die antike griechische Sage von Daedalus und Ikarus ebenso ein wie die reale Geschichte vom Tauchboot Titan, mit dem im Juni des Vorjahres neben einem Tiefseeforscher vier Superreiche hinunter zum Wrack der Titanic tauchen wollten. Der 19-jährige Suleman Dawood, der mit seinem Vater, einem pakistanisch-britischen Geschäftsmann im U-Boot saß, das letztlich implodierte, wird mittels fiktiver Telefonate vor dem Tauchgang zum Protagonisten für dieses Unglück in der Nähe des untergegangenen als unsinkbar gegoltenen Schiffs vor 112 Jahren.
Womit sich der Kreis der „alles machbar“-Tragödien schließt. Und sich – vielleicht – manche danach auch noch Fragen stellen, die im Stück gar nicht angesprochen werden: Wieso sind es immer die Unfälle der eher Reichen, die weltweit bewegen? Ob Titanic – wo die Schicksale der ärmeren Passagiere in den unteren Decks kaum Thema waren? Oder beim Tauchboot im Vorjahr wo es große, aufwändige Suchaktionen gab, während im Mittelmeer sogar Rettungsversuche für Menschen, die aus klapprigen Booten über Bord gehen, kriminalisiert werden?
nach James Cameron
Regie: Lea Marlen Balzer
Schauspiel: Alicia Peckelsen
Dramaturgie: Sarah Heinzel
Bühne: Henry Boebst
Bis 3. Februar 2024 (Di – Sa); 20 Uhr
Bar & Co im Theater Drachengasse: 1010, Fleischmarkt 22
Telefon: 01 512 13 54
theater@drachengasse.at