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Fotos aus allen drei Finalprojekten: "Ich, du, wir Monster" (links oben), „Draining De(il)lusion“ (unten) sowie „A Forest To Grow People“ (rechts oben)
Fotos aus allen drei Finalprojekten: "Ich, du, wir Monster" (links oben), „Draining De(il)lusion“ (unten) sowie „A Forest To Grow People“ (rechts oben)
16.05.2022

Hoffnung auf (Wieder-)Belebung oder Aussicht auf völlige Zerstörung der Welt?

Finale des jüngsten Theater-Nachwuchsbewerbs im Dschungel Wien bringt düstere Umwelt für Jugendliche auf die Bühne. Stück, das auch mit Humor Gefühlszustände Jugendlicher autehntisch spielt, gewann.

Klimawandel länger und die Pandemie seit mehr als zwei Jahren mit der weitgehenden Ignoranz dessen, was letztere mit ihren Maßnahmen für Kinder und Jugendliche bedeuten, haben bei jungen Menschen schon Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit erzeugt. Der seit bald fast drei Monaten in der Ukraine tobende Angriffskrieg Russland verstärkt diese noch einmal.

Letzterer spielte in den drei 20-Minuten-Stücken, die sich Sonntagabend im Finale des (sechsten) Try-Out-Nachwuchs-Theaterbewerbs im Dschungel Wien der Jury stellten, keine Rolle, waren sie doch Weiterentwicklungen von Stück-Entwürfen, die schon im Jänner präsentiert worden waren.

Badezimmer-Talks

„Draining De(il)lusion“, ausgedacht, die Texte geschrieben und gespielt von Anna Rupp, Emmylou Fertschai und Anna Khoudokormova bezieht einen unheimlichen Charme daraus, dass das Trio erste mit ein wenig, teils windschiefen, Utensilien auf der Bühne einen sehr privaten Raum schafft – ein Badezimmer. Und auch über sehr privates, teils Intimes, im Plauderton spricht.

Und genau in dieser privaten Atmosphäre die gesellschaftlich relevante und noch immer nicht wirklich ganz erfasste Auswirkung von zwei Jahren mit über viele Monate hinweg verunmöglichtem öffentlichen Leben Jugendlicher thematisiert. Ein Leben für zwei Jahre eingefroren. Volljährig geworden im Lockdown. Was ist geblieben von dem lang gehegten Wunsch, endlich 18 zu sein?

Die Gesellschaft hat mental health nur ansatzweise thematisiert, ja eher immer wieder auf Jugendliche verbal und psychisch eingdroschen, Stichwort „reißt’s euch z’amm!“ des an sich eher besonnenen ersten der mittlerweile drei Gesundheitsminister!

Monströs

Zwei der drei Finalstücke rücken den Umgang der Menschheit mit dem Planeten ins Zentrum. Wild, mit sarkastischem Humor zerstören „Looney Luv Luck“ (Sasha Davydova, Julia Skof, Jeeyoung Shin,
Johanna Heusser) Zimmerpflanzen, um drastisch zu zeigen, was Menschen mit der Natur anstellen. Bewusst nicht pädagogisch – so die Begründung im Publikumsgespräch. In der Folge verwandeln sie sich in „Ich, du, wir Monster“ in solche – oder sind wir Menschen von vornherein sowieso Monster? Drei Pilzsammlerinnen tauchen ab in den Untergrund – des Netzwerks der Pilze. Ob sie je wieder auftauchen (wollen)?

Und ob Drastik durch mögliche ständige echte Zerstörung auf der Bühne gezeigt werden muss? Gewalt, Mord und Totschlag im Theater kann auch sehr, sehr nahegehend dargestellt werden, ohne sie tatsächlich ausüben zu müssen, oder?

Wieder-Aufforstung

Eine andere Welt ist möglich. Apokalyptische Szenarien fördern nicht selten das Gefühl der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit: Kannst eh nix mehr machen. So ergab jüngst eine Umfrage unter deutschen Jugendlichen, dass sie zu einem hohen Prozentsatz die erste Generation seit ewig ist, die lieber in der Vergangenheit leben würden als in der Zukunft.

„A Forest To Grow People“ tanzt rund um ein echtes Projekt von Wieder-Aufforstung eines praktisch völlig gerodeten Stücks tropischen Regenwalds in Südindien. Die Tänzerin, Shalev Anandi Rozin, ist selbst im Aufforstungsprojekt Sadhana von Yorit und Aviram Rozin aufgewachsen. Konzipiert von Elda Gallo tanzt sie das mit der Wieder-Bewaldung auch einhergehende erwachende Lebensgefühl der Menschen – samt solidarischem Zusammenhalt. Als weitere künstlerische Ebene lässt Luciana Bencivenga (Wasser-)Farben über Papierblätter tanzen, die im Hintergrund, aber auch über die Tänzerin selbst projiziert werden.

Doch auch dieses „Paradies“ könnte bedroht werden. Bilder des Niederwalzens – aber auch des Kampfes dagegen – sind als Projektionen zu sehen. Und kleine verteilte Baum-Bildchen animieren das Publikum, sich von den Sitzen zu erheben und diese auf einer Weltkarte zu „pflanzen“.

Die Entscheidung

Die Jury – Constance Cauers, Corinne Eckenstein, Claudia Seigmann und Kajetan Uranitsch – kamen nach ausführlicher Diskussion einhellig zur Entscheidung: „Draining De(il)lusion“ von und mit Anna Rupp, Emmylou Fertschai und Anna Khoudokormova gewinnt den diesjährigen „Try Out!“-Bewerb – samt Coaching, um daraus ein abendfüllendes Stück (rund eine Stunde) für junges Publikum ab 15 Jahren weiterzuentwickeln.

Stück und die drei Darstellerinnen haben die Jury „durch das einfache und stringente Konzept überzeugt. Das pure und zum Teil sehr authentische Spiel der (im übrigen nicht professionellen) Schauspielerinnen hat berührt und vor allem Erwachsene (wie die Juror:innen) nachdenklich gemacht. Diese Texte gingen mitten ins Herz. Das ist“, so die Jury aus dem langjährigen professionellen Theaterbereich für junges Publikum, „eine Variante des Theaters für junges Publikum die Welt durch die Augen junger Menschen neu zu entdecken“. Obendrein vermerkten die Fachleute, dass sich diese Perspektive mit Leichtigkeit und Witz paare und gleichzeitig kraftvoll aufrüttle. Und im Gezeigten ruhe schon großes Potenzial für eben ein ganzes Stück.
Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER?

Die drei Final-Projekte von TryOut 2022

A Forest To Grow People

Ab 10 Jahren

Konzept and Choreograpie: Elda Gallo
Kreativer Tanz: Shalev Anandi Rozin
Video-Animation and Live-Zeichnung: Luciana Bencivenga
Texte: Shalev Anandi Rozin, Yorit Rozin, Richard Roy, Elda Gallo
Video: Ritu Pillai
Musik and Sound: Lorenzo Piantedosi
Aufgenommene Stimmen Freiwilliger des Sahana Waldes (Indien): Piyush Nandan, Gijs Van den Broeck, Victoria Shroff, Priyanka Urs, Ritu Pillau, Richard Roy, Luke Marsh

***

Draining De(il)lusion

Ab 15 Jahren

KonzeptPerformance: Anna Rupp, Emmylou Fertschai, Anna Khoudokormova

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Ich, du, wir Monster

Ab 10 Jahren

Looney Luv Luck
Regie, Performance: Sasha Davydova, Julia Skof
Choreografie, Performance: Johanna Heusser
Szenografie, Performance: Jeeyoung Shin

dschungelwien