Parallel zur Rosa Riedl Schutzgespenst unterstützt im Dschungel Wien der Geist eines Antarktis-Forschers die elfjährige Ida beim Leben mit einer bipolaren Mutter.
Unsichtbare Hilfe, die Zweite: Im großen Saal des Theaterhauses für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier hilft Christine Nöstlingers „Rosa Riedl Schutzgespenst“ der 11-jährigen Nasti gegen ihre Ängste (bis Jahresende 2024). Im kleineren Saal des Dschungel Wien ist es der Geist des britischen Antarktis-Forschers Robert Falcon Scott der Ida (Ca. zehn Jahre) in „Südpol.Windstill“ von Armela Madreiter und Sand-Production beisteht.
Johanna Wolff als Ida legt zu Beginn mit roten Schnüren auf weißer Fläche Vierecke. Der Grundriss ihrer und ihrer Mutter Wohnung in einer großen Wohnhausanlage wie sie bald nach Beginn des Stückes als Ida dem Publikum erklärt. Und erzählt, dass sie Polarforscherin werden will. Sie schient viel darüber gelesen, vielleicht Dokus angeschaut zu haben. In diese Materie hat sie sich vertieft. Und sie geht auch vieles andere systematische, forscherinnen-mäßig an.
Aus einem weißen Berg, den sie als Küche vorstellte, schält sich ihr schon erwähnter Helfer: Scott – nach dem gleichnamigen echten Forscher (Vornamen: Robert Falcon; 1868 – 1912), der in zwei Expeditionen zum Südpol wollte, beim ersten Mal gescheitert und beim zweiten Mal rund ein Monat später als sein norwegischer Konkurrent Roald Amundsen angekommen war. In die Rolle dieses Scott schlüpft Florian Tröbinger – nur für Ida – und das Publikum sichtbar.
Trotz ihres großen Ziels hat die Noch-Volksschülerin eine viel schwierigere, heiklere, intensivere tagtägliche „Forschungs“-Arbeit: Die Stimmungen der eigenen Mutter erkunden, die übrigens nie in Erscheinung tritt. Ida muss nicht nur erkunden, wie die Mutter drauf ist, sie hat die große Aufgabe, damit umzugehen, sich darauf einzustellen. Die – offenbar viel wenigeren positiven Tage nennt sie Südpoltage. Die viel häufigeren, an denen die Mutter kaum aus dem Bett kommt, viele Flaschen leert und Tschick raucht sind hingegen das Gegenteil, die Nordpoltage. An denen ist Ida so ziemlich allein auf sich gestellt.
Von Beginn an sitzt Shahrzad Nazarpour in einer der beiden Nischen dieses Theaterraumes. Sie liest intensiv in einer Zeitschrift. Erst spät verlässt sie diese, betritt die Bühne. Noch ist sie ohne Worte präsent, eine geheimnisvolle Erscheinung, die zunächst Töne über ein Theremin erzeugt – ein vor mehr als 100 Jahren von Lew Termen erfundenes elektronisches Musikinstrument, das auf Bewegungen ohne Berührungen reagiert. Die aus vielen Produktionen bekannte Tänzerin lässt hier ihre Hände und Arme tanzen, um mit diesem Instrument Stimmungen in Idas Wohnhaus und in deren Innerem zu Gehör zu bringen.
Und sie gibt sich später, im Stiegenhaus sitzend, zu erkennen als Amrei, eines der Kinder einer großen Nachbarsfamilie. Ist die erste Begegnung von Ida durch Stolpern letzterer und Verletzung ersterer gekennzeichnet, so freunden sich die beiden an. Immerhin ist auch Amrei Forscherin – des Sternenhimmels. Mit Projektion von Sternenbildern. Sie macht ihre Hausübungen im Stiegenhaus, weil sie hier ihre Ruhe hat, die ihr in der von vielen Geschwistern bevölkerten Wohnung abgeht.
Die beiden sind Schwestern im Geiste – trotz ihrer unterschiedlichen Wohn- und Familiensituationen. Und stärken einander. Amrei kann sogar Scott sehen!
Bevor Amrei ihren Namen nennt, wird das Publikum nach Mädchennamen mit A gefragt – und dies ist das einzige Mal, wo auch auf Antworten gewartet und eingegangen wird. In zwei, drei anderen Fällen werden Fragen in den Raum geworfen – aber ignoriert, wenn jungen Zuschauer:innen was sagen wollen.
Wie groß auch immer die Troubles von Ida sind – mit Ausnahme eines Briefes der Lehrerin an ihre Mutter, den sie sich nicht traut, ihr zu geben -, strahlt sie praktisch immer (Regie: Sandra Schüddekopf) aus: Sie schafft alles, sie meistert die Stimmungs-Schwankungen ihrer Mutter – und sie wird ihren Weg gehen, komme was da wolle. Scott ist zwar ein guter Helfer, aber selbst ohne diesen kommt sie auf den Südpol – oder wo auch immer sie hinwill. Und macht so – trotz oder vielleicht sogar gerade wegen ihrer misslichen familiären Lage – Mut, sich nicht unterkriegen zu lassen und die eigenen Träume und Ziele zu verfolgen. Womit das Stück auch Wärme in der Kälte der fast polar gestalteten Bühne (Bühne und Projektion: Vanessa Eder-Messutat; Eisberg-Küche: Isabella Tritthart; Kostüme: Verena Geier) verbreitet.
Und die Inszenierung berührt, die Lehrerin einer der Klassen, die am Nikolaustag in der Vormittagsvorstellung war, brach am Ende in Tränen aus und meinte, „noch nie im ganzen Leben hat mich ein Theater so berührt“.
Armela Madreiter, Sand-Production
Ab 9 Jahren; 1¼ Stunden
Autorin: Armela Madreiter
Regie: Sandra Schüddekopf
Schauspiel
Ida: Johanna Wolff
Robert Falcon Scott: Florian Tröbinger
Amrei: Shahrzad Nazarpour
Bühne und Projektion: Vanessa Eder-Messutat
Kostüme: Verena Geier
Regie-Assistenz: Hannah Zauner
Bühnenhospitanz: Isabella Tritthart
Bis 9. Dezember 2024
23. bis 26. Jänner 2025
28. Februar bis 3. März 2025
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> suedpol-windstill
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