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Foto aus "Der Talisman" von Utopia Theater
Foto aus "Der Talisman" von Utopia Theater
31.08.2023

Könnte sich schon ein wenig mehr wehren!

Interviews mit Darstellerin in Nestroys „Der Talisman“ und dem Regisseur des Utopia-Theaters.

Eines der bekanntesten Theaterstücke gegen Vorurteile ist „Der Talisman“ von Johann Nestroy. Titus Feuerfuchs und Salome Pockerl werden darin wegen ihrer roten Haare ausgegrenzt, kriegen Jobs nicht, dürfen praktisch nirgends teilnehmen. Auch wenn Menschen mit roten Haaren heute kaum mehr diskriminiert werden – es geht doch immer ums Gleiche: nur weil jemand anders aussieht, an was anderes glaubt… Vorurteile leben leider noch immer. Das „Utopia“-Theater, das fast immer auf öffentlichen Plätzen im Freien spielt, zeigt heuer dieses Stücke. Zu einer Besprechung auf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… geht es hier unten.

Stefanie Kadlec, eine 17-jährige Schülerin aus Wien hat das Stück einige Zeit später gesehen und dazu zwei Interviews geführt, mit Stefanie Elias, der Darstellerin der Salome Pockerl und mit dem Mastermind und Regisseur des Utopia-Theaters, Peter Hochegger.

KiJuKU: Welche Eigenschaft gefällt dir an Salome Pockerl am besten und welche am wenigsten?
Stefanie Elias: Mir gefällt schon ganz gut, dass sie dem Leben gegenüber positiv eingestellt ist, obwohl sie sicherlich nicht nur gute Erfahrungen gemacht und aufgrund ihrer Haarfarbe Diskriminierung erlebt hat. Als Gänsemagd hat sie auch wahrscheinlich nicht das luxuriöseste tollste Leben. Sie ist trotzdem zufrieden mit dem, was sie hat, geht auf die Leute offen zu und sie geht nicht davon aus, dass die ihr Böses wollen, auch wenn sie das sicher so erlebt hat. Das finde ich schon eine gute Eigenschaft.
Ich finde, sie könnte sie sich schon ein bisschen mehr zur Wehr setzen und muss nicht alles so schicksalsergeben aufnehmen, was ihr passiert oder dass sie dauernd weggeschickt wird und nicht an den Hof darf, nur weil sie rote Haare hat und das die Leute vielleicht nicht gerne sehen. Da könnte sie sich schon ein bisschen mehr auf die Beine stellen.

KiJuKU: Was ist deine Lieblingsfigur abgesehen von deiner eigenen?
Stefanie Elias: Wie die Kollegen und Kolleginnen ihre Figuren spielen, zum Beispiel die Gärtnerin, finde ich einfach wahnsinnig witzig und da schaue ich denen wirklich gerne zu, wenn ich nicht gerade selber auf der Bühne bin. Jede Figur hat spannende Seiten, viele sind lustig oder übertrieben. Sicherlich sind der Titus und die Salome die Figuren, die am realsten sind, und die anderen sind ein bisschen überzeichneter in ihrer Gemeinheit oder Naivität. Das ist auch lustig, denen zuzuschauen.

Foto aus
Foto aus „Der Talisman“ von Utopia Theater: Die beiden Rotschöpfe: Titus Feuerfuchs (Andreas Seidl) und Salome Pockerl (Stefanie Elias)

KiJuKU: Wie bist du zum Theater gekommen?
Stefanie Elias: Ich bin zum Theater übers Tanzen gekommen, ich habe sehr früh mit Ballett angefangen. Es war dann relativ bald für mich klar, dass ich zwar keine Ballettkarriere machen, aber dass ich auf der Bühne sein möchte, da Schauspiel mich mehr interessiert. Ich bin gerade auch als Teenager gerne ins Theater gegangen und so ist der Wunsch auch größer geworden.

KiJuKU: Was hättest du als aufstrebende Schauspielerin gerne früher gewusst?
Stefanie Elias: Ich glaube, ich hätte gerne früher gewusst, dass man sich einfach mehr trauen kann. Denn ich hatte immer sehr viel Angst, Sachen falsch zu machen, und sie dann lieber nicht gemacht. Aus heutiger Sicht ist es immer besser, die Sachen einfach zu machen. Immer mit bestem Wissen und Gewissen, aber sich nicht aus Angst zurückhalten oder auf eine Rolle weniger einlassen. Das ist immer die interessantere Entscheidung beim Spielen, wenn etwas mit Karacho passiert, auch wenn es mit Karacho schiefgeht.

KiJuKU: Wie gehst du am besten mit Kritik um?
Stefanie Elias: Auch da habe ich über die Jahre dazugelernt, dass ich auch bei Kritik inzwischen selbstbewusster bin. Ich brauche mir nicht jede Kritik zu Herzen nehmen und ich kann mir immer überlegen, was ist die Kritik, von wem kommt sie und ist sie wirklich relevant für mich oder nicht. Vielleicht versuche ich etwas neu oder probiere etwas in eine andere Richtung. Wo sage ich, das ist deine Meinung, aber ich finde trotzdem meine Entscheidung besser als deine und deshalb bleibe ich mir treu und mache das, was ich für besser halte.

KiJuKU: Wie würdest du das Utopia-Theater beschreiben?
Stefanie Elias: Das Utopia-Theater ist für alle Leute, auch für Leute, die sonst nicht ins Theater gehen. Ich finde, das Schöne daran ist, dass es sehr nah an diesen ganzen Ursprüngen vom Beruf ist. Fahrende Truppen, die herumziehen, um einfach irgendwo die Bühne aufzubauen und loszulegen.

Schauspielerin Stefanie Elias und Regisseur Peter Hochegger
Schauspielerin Stefanie Elias und Regisseur Peter Hochegger

Gründer und Regisseur: Jede Kunst ist politisch

KiJuKU: Was möchten Sie den Menschen mit dem Stück „Der Talisman“ mitgeben, insbesondere jungen Menschen?
Peter Hochegger: Ich unterscheide da nicht zwischen jungen und älteren oder alten Menschen. Es ist für uns alle wichtig, dass wir solidarischer, toleranter sind und nicht auf jeden Blödsinn aufspringen, was Fake News und vor allem Vorurteile betrifft. Das war in den 70er Jahren schon wesentlich anders. Die Gesellschaft war solidarischer und der Arbeiterstand war damals selbstbewusster. Die Gewerkschaften haben das Ihrige dazu getan und da hat man noch einige Sachen erkämpfen können gegen die Reichen. Das hat sich in den letzten 20, 30 Jahren ziemlich verloren. Die Solidarität ist gewichen und heute herrscht eigentlich nur mehr so etwas wie Einzelkämpfertum. Wenn man das Gefühl hat, man hat es nicht geschafft und ist kein guter oder reicher Teil dieser Gesellschaft, unterzieht man sich einer Therapie und kommt nicht drauf, dass das auch ein gesellschaftliches Problem ist. Heute gibt es nur mehr Einzelkämpfer, jeder gegen jeden. Es gibt keine Solidarität. Weder zwischen den Frauen noch zwischen den Ärmeren, noch zwischen den Künstlern. Jeder glaubt, er sei eine Insel und werde alles allein schaffen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man das aufbricht und den Menschen das Gefühl gibt, dass jeder etwas in der Gesellschaft tun kann. Dazu ist es wichtig, dass man aufeinander zugeht, miteinander redet und Lösungen findet, die die Politik nicht findet.

KiJuKU: Sind Sie der Meinung, dass politisches Theater derzeit weniger populär ist?
Peter Hochegger: Ich bin der Meinung, dass jede Form von Theater oder Kunst, Dinge, die im öffentlichen Raum stattfinden, sowieso politisch sind, ob man will oder nicht. Es ist eine politische Stellungnahme. Insofern glaube ich nicht, dass man sagen kann, dass Theater oder Kunst zu dieser Zeit jetzt weniger populär wären. Ich glaube, das ist immer populär, auch wenn manche sagen, das Theater in der Josefstadt wäre unpolitisch. Das stimmt ja nicht. Gerade die Josefstadt ist ein gutes Beispiel. Sie machen sehr wohl gesellschaftspolitisch relevantes Theater. Mit dem jetzigen Direktor auch viel mehr als manche anderen Theater.
Das Bekenntnis, dass es auch ein politscher Auftrag ist, nicht nur ein Auftritt, ist schon notwendig, wenn man diesen Beruf ergreift. Es ist wichtig, dass man Stellung bezieht und natürlich muss man nicht immer Recht haben, aber dass man sich überlegt, welche Haltung man zu den Problemen in der Gesellschaf hat. Wie stehe ich dazu und wie bringe ich das ans Publikum. Natürlich sollte dann ein Diskurs entstehen. Das heißt nicht, dass man dann die Weisheiten wie in der Kirche von der Kanzel herunterpredigt, aber man muss einmal etwas sagen, Stellung beziehen und dann auf die Antwort warten. Dann kann auch ein Diskurs entstehen, der in der Gesellschaft viel zu wenig stattfindet.

KiJuKU: Was muss man, wenn man ein Ensemble zusammenstellt, beachten und welche Schwierigkeiten gibt es da?
Peter Hochegger: Das kommt erstens einmal auf das Stück an, das ich aussuche. Da ergeben sich automatisch Vorgaben, die Geschlecht, Alter und Temperament betreffen. Man kann nicht sagen, jeder Schauspieler kann alles spielen, das stimmt nicht immer. Was mir sehr wichtig ist, ist, dass zwischen den Leuten auch eine gewisse Harmonie ist. Es muss eine angenehme Arbeitsatmosphäre entstehen, dass die Leute Vertrauen haben, sich öffnen und miteinander Spaß haben können.
Im Mai haben wir angefangen zu proben und die letzte Vorstellung ist Mitte September. Eine relativ lange Zeit, die man miteinander verbringt. Das Ergebnis ist auch umso besser, je besser sich die Leute kennen und verstehen. Mir hilft es nicht, wenn ich einen tollen Schauspieler habe und die anderen sind nicht so gut oder so ein Star. Der eine Schauspieler wird meine Vorstellung nicht retten. Die Qualität einer Aufführung ist immer zu messen am schwächsten Glied, an der kleinsten Rolle. Das betrifft alle anderen Mitarbeiter auch, ob Bühnenbild, Kostümbild oder Techniker. Sie müssen alle zu einem Team zusammenwachsen. Es liegt schon an mir, dass ich eine Harmonie herstelle, die Kreativität möglich macht.

Peter Wolfgang Hochegger, Regisseur und
Peter Wolfgang Hochegger, Regisseur und „Vater“ vom „Utopia Theater“ (rechts im Foto) und links (aus einem anderen Interview) die Schülerin Stefanie Kadlec

KiJuKU: Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen, gab es da irgendeinen Auslöser?
Peter Hochegger: Mein Vater hat so etwas wie Bauerntheater gespielt. Die Löwinger Bühne war gerade am Beginn, er hat zur selben Zeit in einer anderen Theatergruppe gespielt. Er war daher sehr theateraffin. Als Siebenjähriger war ich der Kinderschauspielschule, mit der haben wir dann Auftritte gehabt. Durch die sind wir zum Raimund Theater gekommen und haben bei Operetten mitgemacht. Dann habe ich Theaterwissenschaften studiert und die Schauspielschule gemacht. Es war schon sehr früh die Entscheidung getroffen, dass ich zum Theater will und muss. Nicht unbedingt als Schauspieler, aber auch, um zu wissen, wie es einem Schauspieler geht, wenn er auf der Bühne steht und was für Probleme er hat. Es war von Anfang an klar, dass ich in die Regie gehen werde.

KiJuKU: Haben Sie im Stück eine Lieblingsfigur?
Peter Hochegger: Nein. Es gibt keine Lieblingsfiguren, ich liebe immer alle Figuren. Wie bei Eltern, muss man alle Kinder lieben. So wie jedes Kind, jede Rolle, jeder Schauspieler eine bestimmte Ausstrahlung und Mentalität hat, so begegnet man auch den Figuren oder Menschen. Wenn ich einen Schauspieler engagiere, den ich nicht mag, kann ich nicht mit ihm arbeiten. Ich übertreibe sogar, ich muss in gewisser Weise meine Schauspieler auch lieben und wenn die Chemie nicht stattfindet, kann ich mit den Menschen nicht arbeiten. Es gibt natürlich dankbarere und witzigere Rollen, aber es ist so wie im Ensemble. Auch die kleinste Rolle muss stimmig sein und die muss ich genauso mögen, weil sonst kommt das Ganze ins Wanken. Es ist nicht immer die Hauptrolle, die über die Qualität bestimmt.

KiJuKU: Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Worte an aufstrebende KünstlerInnen?
Peter Hochegger: Ich glaube, es ist wichtig, dass jeder das tut, wozu er Lust hat und wofür er brennt. Wenn man nicht dafür brennt, sollte man das Theater oder die Kunst lassen, die brotlos ist. Es ist ein schwerer täglicher Kampf und man ist in den allermeisten Fällen sehr schlecht bezahlt, aber wenn man es gern macht, muss man es machen. Da stellt sich nicht die Frage, will ich oder nicht. Wenn es notwendig ist, weil es ein inneres Bedürfnis ist, dann lasst euch nicht abbringen davon. Versucht vielleicht noch ein zweites Standbein zu haben zum Überleben. Macht euch keine Illusionen, es wird nicht jeder sofort zum Star, reich oder berühmt. Das findet nur ganz selten statt. Es ist aber der schönste Beruf, den man haben kann, lebendig und ständig etwas Neues. Immer neue Herausforderungen.

Stefanie Kadlec, 17

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Der Talisman

von Johann Nestroy
Utopia Theater

Bühnenfassung, Regie und Organisation: Peter W. Hochegger

Titus Feuerfuchs, ein vazierender Friseurgeselle: Andreas Seidl
Salome Pockerl, Gänsehüterin/ Emma, Tochter der Gräfin Cypressenburg: Stefanie Elias
Frau von Cypressenburg, Witwe: Helga Grausam
Constantia, deren Kammerfrau: Johanna Meyer
Flora Baumscheer, Gärtnerin: Natalie Obernigg
Plutzerkern, Gärtnergehilfe/ Spund, Bierversilberer: Thomas Bauer
Live-Akkordeon: Edi Kadlec

Kostüme: Stefanie Elias
Technik: Martin Hornig

Wann & wo?

Bis 8. September 2023
täglich woanders im Freien
Freier Eintritt
Termine

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