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Szenenfotos - an verschiedenen Aufführungsorten - aus "Astoria - Die Erde hat Menschen"
Szenenfotos - an verschiedenen Aufführungsorten - aus "Astoria - Die Erde hat Menschen"
30.08.2022

„Die Erde hat Menschen“ …

Das Utopia-Theater, das vor allem durch Wiener Gemeindebau-Höfe zieht, spielt eine selbst zusammengestellte Collage dreier Stücke von Jura Soyfer – mit dezenten Aktualisierungen.

„Er hat sich gedacht, ein Zusammenprall ist eh überflüssig: Die Menschen rotten einander sowieso über kurz oder lang aus!“ Das ließ Jura Soyfer in „Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang“ den Saturn sagen. Als Entschuldigung dafür, dass Komet Konrad den Auftrag der Sonne nicht ausführte, mit der Erde zusammenzustoßen. Das Zentralgestirn unseres Sonnensystems hatte die Planeten zusammengerufen, weil die „Sphärenharmonie“ gestört war. Als Schuldigen machten sie die Erde aus, bestellten den Mond als Auskunftgeber ein, der das Geheimnis des Problems lüftete: Die Erde habe Menschen.

Ohne vom Jahrzehnte später stattfindenden Besuch solcher auch auf ihm, hatte Soyfer (1912 in Charkiw/heute ukraine geboren, im Alter von 8 Jahren mit seiner Familie als Flüchtling in Wien gelandet und 1939 im KZ Buchenwald ums Leben gekommen), sogar schon von Menschen-Besuchen auf dem Mond geschrieben (!)

Konzentriert auf Schauspiel

Aus diesem sowie zwei weiteren Stücken des hochsensiblen, politischen Autors – „Astoria“ und „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ – hat der Mastermind des Utopia-Theaters (Peter W. Hochegger) das diesjährige Tournee-Stück collagiert. Mit einigen sanften Aktualisierungen – so konnte Soyfer noch lange nichts vom Klimawandel und der akuten Energiepreiskrise wissen – begeistern die sechs Schauspieler:innen – Sefanie Elias, Bernhard Horn, Max Konrad, Johanna Meyer, Natalie June Obernigg, und Andreas Seidl – mit einigen rasanten Kostümwechseln in mehr als zwei Dutzend Rollen. In einigen Szenen kommen auch kleine Klappmaul-Puppen zum Einsatz.

Szenenfotos - an verschiedenen Aufführungsorten - aus
Szenenfoto aus „Astoria – Die Erde hat Menschen“

Rasante Rollen-Wechsel

Das Utopia-Theater, das seit rund zehn Jahren vor allem in Wiener Gemeindebau-Höfen, auf öffentlichen Plätzen usw. auftritt, konzentriert sich auf Schauspiel, einfache Bühnen-Podeste und wenig bis keine Kulissen. In der diesjährigen Collage „Astoria – Die Erde hat Menschen“, ist das Sextett – und dazu der Live-Akkordeonspieler Edi Kadlec kaum auf dieser Bühne zu sehen, gespielt wird zwischen und mitten in den Publikumsreihen. Vom Tanz der Planeten bis zu den Wanderungen des durch den Einsatz der Maschine PePi arbeitslos gewordenen Lechner Edi und seiner Lebensgefährtin Fritzi oder der Begegnung der beiden Obdachlosen Hupka und Pistoletti bewegen sich die Schauspieler:innen quer über (der Rezensent sah das Stück am Mozartplatz, Wien-Wieden) den Platz – samt Kostümwechsel auf sozusagen offener Bühne.

Szenenfotos - an verschiedenen Aufführungsorten - aus
Szenenfoto aus „Astoria – Die Erde hat Menschen“

Palette an brisanten – noch aktueller gewordenen – Themen

Die Gefahr der Ausrottung der Menschheit durch sich selbst, Armut, Obdachlosigkeit und nicht zuletzt Fake News – von Soyfer natürlich noch nicht so genannt, im Kern aber meisterhaft dargestellt in „Astoria“, dem fiktiven gelobten, paradiesischen Land, das nicht existiert -, Konsumzwang knapp vor dem Weltuntergang, Diktatur und Unterwürfigkeit … – all das thematisierte Soyfer. Und das obendrein nicht immer tragisch-ernst sondern häufig mit Augenzwinkern und Humor. Und – wie schon weiter oben kurz erwähnt – mit aktuellen Anklängen gespickt, spielt das Ensemble die rund 1 ½-stündige Collage als Stück in einem Guss – gewürzt mit Humor als wären’s Kommentare zur aktuellen Weltlage.

Szenenfotos - an verschiedenen Aufführungsorten - aus
Szenenfoto aus „Astoria – Die Erde hat Menschen“

Trotz alledem …

Und doch lässt das Utopia-Theater den frühen Abend, begonen wirdimmer um 17 bzw. 17.30 Uhr – siehe Link zu den Terminen im Info-Block unten – mit dem Schlusslied Soyfers im „Weltuntergang“ die Hoffnung – aus der Beschreibung des widersprüchlich-gegensätzlichen Lebens der Menschen auf der Erde in dem auch der Kern eines glücklichen Lebens für alle stecken könnte – leben:

Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,
Voll Leben und voll Tod ist diese Erde,
In Armut und in Reichtum grenzenlos.
Gesegnet und verdammt ist diese Erde,
Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde,
Und ihre Zukunft ist herrlich und groß!

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Astoria – Die Erde hat Menschen

Eine Bühnenfassung aus Jura Soyfers „Astoria“, „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ und „Der Weltuntergang“ von Peter W. Hochegger (auch Regie und Organisation)

Es spielen:
Fritzi (Lechner Edi), Anastasia, Rosa (Astoria), Komet (Weltuntergang) u.a.: Stefanie Elias
Edi (Lechner Edi), Paul, Polizist (Astoria), Mars (Weltuntergang) u.a.: Max Konrad
Galilei, Kolumbus, Portier (Lechner Edi), Pistoletti (Astoria), Guck, Mond (Weltuntergang) u.a.: Bernhard Horn
Motor (Lechner Edi), Hortensia, Lady P. (Astoria), Venus (Weltuntergang) u.a.: Natalie June Obernigg
Galvani, Richterin (Lechner Edi), Gwendolyn (Astoria), Sonne (Weltuntergang) u.a.: Johanna Meyer
Hupka (Astoria), Saturn (Weltuntergang) u.a.: Andreas Seidl

Akkordeon: Edi Kadlec
Technik: Martin Hornig

Wann & wo?

Bis 12. September 2022
(Fast) täglich an verschiedenen Orten Wiens Open air
https://www.utopia-theater.at/termine/