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Szenenfoto aus "Pinocchio" im und vom Marionetten Theater Schwandorf (Deutschland)
Szenenfoto aus "Pinocchio" im und vom Marionetten Theater Schwandorf (Deutschland)
17.05.2023

Mit Pinocchio wurde das erste Theater der Kleinstadt eröffnet

Lokalaugenschein im Marionetten Theater Schwandorf (Oberpfalz, Deutschland). Seit Kurzem hat die 30.000-Einwohner:innen-Stadt ihre erste fixe Bühne.

„Hör auf, unsere Karriereleiter zu essen! Du Holzkopf!“, sagt die Sockenpuppe Chisèl auf der kleinen Nebenbühne zu ihrem Sockenpuppen-Partner Hazel. Die Hände, um sie zu bewegen leiht ihnen Michael A. Pöllmann. Es sind sozusagen mit die ersten Worte und Bewegungen in diesem neuen Marionettentheater in der Oberpflanz (Deutschland). Dabei handelt es sich um das allererste feste Theaterhaus in Schwandorf, einer immerhin 30.000 Einwohner:innen-Stadt. Eigentlich liegt das Theater in Fronberg, das mit seinen nicht ganz 2000 Menschen seit 50 Jahren zu Schwandorf gehört (seit einer Gebietsreform 1972).

Wenig später begann der Schwandorfer Kunstlehrer Raimund Pöllmann mit Marionetten-Figuren, die er mit Schüler:innen im Werkunterricht und seiner Frau Christine baute, Stücke rund um Weihnachten zu spielen – meist im Dachgeschoss der „Kebbel-Villa“, dem Oberpfälzer Künstlerhaus, das gleich neben dem neuen Theater liegt.

Zurück zu den Wurzeln

Michael, meist Micha genannt, wuchs in Schwandorf, wohin die Pöllmanns gezogen waren, um vom Schulamt gemeinsam Stellen als Lehrer:innen zu bekommen, auf. Und war von Klein auf mit den Figuren, die an Fäden hängen und mit den Händen über hölzerne Kreuze bewegt werden, vertraut. Als Jugendlichen zog es ihn jedoch raus aus der Kleinstadt, zunächst nach Ulm zum Schauspielstudium. Und später nach Wien. Obwohl er selbst auf der Bühne spielte, zog es ihn später wieder zum Spiel mit Figuren und Objekten, die vor allem Scarlett Köfner designt und baut. Gerne arbeiten Scarlett Köfner und Michael Alexander Pöllmann in internationalen Koproduktionen z. B. mit den slowenischen Puppenbauer:innen Aleksander Andželović, Darka Erdelji und Primož Mihevc Köfner vom Puppentheater Maribor.

2019 übernahm Micha die Leitung des Schwandorfer Marionettentheaters und als die ehemalige Bankfiliale neben dem Künstlerhaus frei wurde, gelang es den Puppenbauer:innen den Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung für die Idee eines fixen, wie schon geschrieben, ersten Theaterhauses zu begeistern. Gespielt wird – ein breites Spektrum von Stücken – auf Wunsch der Puppenspieler:innen aus Schwandorf werden aller Voraussicht nach auch wieder alte Stücke der Eltern aufgenommen – immerhin gibt es dazu einen Fundus aus einigen Hundert Figuren. Pöllmann und Köfner verlegen ihren Lebensmittelpunkt aber nicht aus Wien nach Schwandorf, sondern kommen, um blockweise im neuen Theter in der Oberpfalz zu spielen und Workshops zu geben – ins Marionettenspiel aber auch in Upcycling.

Eröffnungsproduktion war aufgelegt

„Pinocchio war als Eröffnungsproduktion aufgelegt. Wenn aus einem Stück Holz eine lebendige Figur wird, gibt’s nichts Besseres für ein Figurentheater“, so Pöllmann zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Auf Einladung des neuen Theaters reiste kijuku.at nach Schwandorf, um zu berichten.

Pöllmann und Köfner bauten aber nicht nur die Puppen und Objekte für das Stück, sie bauten auch das einstöckige Bankhaus in ein Theater um, vor allem der Raum über der Bühne ist ausgetüfelt. Von hier aus ziehen die Spieler:innen, teils ehemalige Schüler:innen von Pöllmann senior, der heuer 85 Jahre wird, die Fäden. An diesen hängen u.a. mehrere Pinocchios – einer sogar mit einem Spezialmechanismus, mit dessen Hilfe die Nase aus dem Kopf weit rausgefahren werden kann. Das Wachsen der Nase beim Lügen gehört einfach zu dieser klassischen Figur, die Carlo Collodi erfunden hat.

Fantasievolle Abweichungen

Ansonsten hat Michael A. Pöllmann eine doch eigene Version nach dem Original entwickelt, die zwar entlang der bekannten Geschichte aber mit fantasievolleren Ausflügen und Abweichungen erzählt. So wird die Fee praktisch zu so etwas wie der Mutter Pinocchios oder zumindest der Lebensgefährtin des Tischlers Gepetto, der ja doch der Vater des lebendig gewordenen hölzernen Jungens ist.

„Ein bisschen eigen sind wir schon, wir drei“, sagt Gepetto kurz vor Schluss.
„Fee: Wieso eigen? …
Pinocchio: Ein alter Träumer, eine blaue Fee und eine lebendige Holzpuppe.
Gepetto: Tja, normal ist anders.
Fee: Nein, anders ist normal.
Gepetto: Sind wir eben eigen. Normal eigen.
Pinocchio: Wie auch immer, Hauptsache zusammen…
… Fee: Ihr seid die allerschrägsten Typen dieser Welt..
Alle (3): Wir sind die besten Ruhestörer auf der Welt.“

Die eben zitierte Passage gegen Schluss des rund 1 ½-stündigen Stücks bringt stark den kompletten Bruch mit dem Grundtenor des Originals als Art „Erziehungsroman“ zum Ausdruck. Der schlug/schlägt sich nicht zuletzt in dem eher diskriminierenden Namen nieder, steht doch Pinocchio eher für Dummkopf (pinco = Dummkopf). Hier aber wird die Neugier des kleinen Jungen gefeiert und (nicht nur) sein Anders-Sein!

Side-Kicks

Zu den Abweichungen bzw. Erweiterungen gehört auch das schon eingangs zitierte Holzwurmpärchen als witzige Side-Kicks, die auf der kleinen Nebenbühne beginnen, mehrmals zwischendurch auf der großen Marionettenbühne in Erscheinung treten, mitunter das Geschehen in der Pinocchio-Geschichte kommentieren. Vor allem aber unterhalten sie sich über wertvolle Nahrung im hölzernen Theater, wobei Hazel (Haselnuss) sich von der französisch ausgesprochenen Variante des englischen Begriffs für Meißel (chisel) einbremsen lassen muss.

Musik

Die Stimmen – von Schauspieler:innen eingesprochen – kommen sozusagen vom Band. Das Marionettentheater gab darüberhinaus Musik in Auftrag, die Nele den Broek komponierte und die Liedtexte sang. Der erste Song orientiert sich an Bert Brechts und Kurt Weills „Dreigroschenoper“ – auch da die ersten Zeilen – von der Ausruferin Lucinola fast aufgelegt: „Und Gepetto hat ein Messer und das trägt er in der Hand…“

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Compliance-Hinweis: Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wurde vom Marionetten Theater Schwandorf auf die Reise und den Aufenthalt in dieser Stadt eingeladen.

Weitere Fotos aus dem und rund um das neue Theater

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Pinocchio

Puppenstück nach Geschichten von Carlo Collodi
arrangiert für das Marionettentheater Schwandorf Wien

Fassung, Regie: Michael A. Pöllmann
Musik: Nele van den Broek
Puppendesign: Scarlett Köfner
Werkstatt: Michael A. Pöllmann, Scarlett Köfner

Sprecher:innen der Figuren:
Holzwurm Hazel: Herbert Heide
Holzwurmin Chisèl: Herbert Heider
Ausruferin Lucinola: Nele Van den Broeck
Gepetto: Herbert Heider
Fee Liviana: Felizitas Lukas
Pinocchio: Steffi Speiser
Mangiafoco & die Harlekino Puppe: Philipp Stix
Fuchs: David Jakob
Kater: Michael A. Pöllmann
3 Tauben: Sabine Glaab, Ursula Schiller, Regina Schneeberger

Spieler:innen
Yvonne Böckl, Ursula Schiller, Michael Pöllmann, Leo Schiller, Regina Schneeberger, Sabine Glaab, Lilli Böckl

Wann & wo?

22. und 23. Juli 2023
Marionetten Theater Schwandorf: 9241 Fronbergerstraße 33

Schon davor zeigt das Schwandorfer Marionetten Theater ein früheres Stück, das schon unter anderem in Wien zu sehen war
Wiesenträume – Link zur Stückbesprechung oben
1., 15. – 18. Juni
17. bis 20. Juli 2023

office@marionettentheater-schwandorf.de

marionettentheater-schwandorf