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Szenenfoto aus "Das Lied der Nibelungen" von teatro im Stadttheater Mödling
Szenenfoto aus "Das Lied der Nibelungen" von teatro im Stadttheater Mödling
15.07.2024

Nibelungenlied im Fantasy-Style ohne Gemetzel

Die jüngste Produktion von „teatro“ im Stadttheater Mödling bringt eine weichgespülte Version des mittelalterlichen Heldenepos auf die Bühne.

Nibelungenlied – Machtkämpfe, Intrigen, Rache – mit vor allem Jahr(zehnt)e später viel Blut. Auch wenn das mittelalterlichen Helden-Epos darum kreist, müssen Inszenierungen nicht immer die Grausamkeiten ins Zentrum rücken. So schon ges(ch)ehen in etlichen Produktionen – nicht nur, aber vor allem – für junges Publikum: In der Reihe Classics for Kids im Wiener Rabenhoftheater (2017), in einer flotten Road-Trip-Version des NÖ-Landestheaters in der Bühne im Hof St. Pölten (2020), bei den Do-it-Yourself-Stummfilmszenen mit Schüler:innen im Grazer taO! (Theater am Ortweinplatz; 2018) oder als sarkastisch-ironisches Solo von Justus Neumann in seinem „Circus Elysium“ im Wiener MuseumsQuartier (2011) bei der er in Sekunden(-Bruchteilen) von einer in die andere Rolle schlüpft, weil alle handelnden Personen er selbst spielte.

Aber so weichgespült wie die Fantasy-Musical-Version von teatro, die Mitte Juli im Stadttheater Mödling ihre vielumjubelte Premiere feierte, war wohl noch keine. Selbst der von Hagen „getötete“ Siegfried feiert Auferstehung – besser geschrieben ist am Ende nur schwerst verletzt, aber nicht tot.

Suche nach sich selbst

In großartigen Tanz-Choreos und Gesängen erzählen die teils noch jugendlichen ebenbürtige mit den erwachsenen professionellen Darsteller:innen „Das Lied der Nibelungen“ in einer romantisierten Version im Look (Kostüme: Brigitte Huber

Maske: Renate Harter) eines Fantasy-Musicals. Norbert Holoubek (Buch und Regie) verrät im – wie immer umfangreichen – Programmbuch (stets mehr als ein Heft), dass er den ersten Akt nachdem er ihn geschrieben hatte, kübelte. „Im Original ist Siegfried von Anfang an selbstbewusst, stark, naiv, aber ohne Selbstzweifel oder offensichtliche Probleme. So war er auch bei mir zu Beginn des Schreibens, bis ich plötzlich dachte, so ist ja kaum Entwicklung möglich…“

„Drachen“kind

Und so ist der Siegfried (Benjamin Oeser), der hier übrigens von einem Drachen gebracht wird, nachdem seine Eltern keine Kinder kriegen konnten, alles andere als ein Held – „unsicher, schüchtern, ängstlich“. Aber er hat eine gute Fee – Nimmermehr (Lara Pauser) -, die ihn beschützt, leitet, warnt… Und ihm hilft zu seinen Zaubermitteln zu kommen: Ring, Tarnkappe und das Super-Schwert (Balmung heißt es im Original). Das muss er im Wettstreit mit Brunhild (Carolina Murg) aus dem Felsen ziehen (Anklang an König Artus‘ Excalibur). Ohne einander zu kennen oder voneinander zu wissen, wer die/der andere ist, scheint es aber zwischen den beiden – für einige Stunden – zu funken.

Will frei und unabhängig sein

Der Wormser König Gunther (Tobias Hornik-Steppan) will diese sagenhafte Brunhild von Isenland heiraten und er will seine Schwester Kriemhild (Anna Fleischhacker) unter die Haube bringen. Die hat ganz und gar keine Lust, ihre Freiheit und Unabhängigkeit aufzugeben. Da bedroht ein Drache Worms. Hagen (David Paul Mannhart) zieht in den Kampf – weil Gunther die Hand seiner Schwester dem Drachentöter versprochen hat (natürlich ohne deren Einwilligung). Aber, genau – Siegfried hat die Sache erledigt.

Und siehe da, genau, weil der sich nicht wie so ein Klischee-Held aufführt, findet Kriemhild an ihm Gefallen. Und er an ihr…

Betrug

Gunther will eine Doppelhochzeit, Siegfried-Kriemhild sowie er und Brunhild. Die aber möchte – ähnlich wie Kriemhild – frei und unabhängig bleiben. Wenn überhaupt, dann heirate sie nur einen Mann, der sie in verschiedenen Disziplinen wie Speerwurf usw. besiege. Weil er von vornherein schätzt, dass er das nicht schaffen werde, überredet Gunther den Siegfried ihm mit seiner Tarnkappe zu helfen. Ein wenig Skrupel hat er schon, aber er will Kriemhild heiraten… also steigt er auf den Betrug ein…

Brunhild weiß zwar nicht wie, aber ahnt, dass da irgendwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann… Und das bringt Murg mit unglaublich überzeugender Miene und Körperhaltung zum Ausdruck.

Warten?

Apropos Brunhild: Die in vielen Bühnen- und Film-Versionen oft recht unsympathisch gezeichnete Figur – weil starke Frau? – ist hier ganz anders konzipiert. Noch stärker als Kriemhild ist sie als emanzipierte noch dazu Power-Lady angelegt. Lediglich ein Song, in dem sie sich fast sehnsüchtig verzehrt nach dem unbekannten Mann verzehrt, mit dem sie um das Schwert im Felsen gerungen hat, passt so gar nicht dazu: „Finde mich, ich wart auf dich…!“ passt so gar nicht zu ihrem Naturell. So wie sie strukturiert ist, würde sie doch, wenn sie sich so sehr in ihn verliebt hat, eher nach ihm suchen, als tatenlos zu warten, oder?

Witzige Momente

Nicht nur sie, auch die anderen Darsteller:innen beherrschen nicht nur ihre tänzerischen Bewegungen und ihre Gesänge, sondern mitunter auch kleinste mimische und gestische Momente, die entweder viel sagen oder auch für den einen oder/ und anderen Lacher sorgen. Die Inszenierung – ca. 2½ Stunden netto; mit einer Pause nicht ganz 3 Stunden – lebt immer wieder auch von humorvollen Szenen und Elementen. Wenngleich einer knapp nach Beginn bei der Premiere nicht freiwillig war: Als Ausgleich für das Baby Siegfried muss sein Vater König Siegmund sterben. Norberto Bertassi, „Vater“ auch der ganzen Gruppe teatro, spielt diesen, kommt aber zur Sterbeszene ein bissl zu spät und klettert erst auf das Totenbett also alle schon auf dieses starren. Praktisch alle im Publikum, einschließlich Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hielten das für einen der liebevollen bewussten humorvollen Gags. Nur dem Regisseur hat’s weniger gefallen.

Ensemble-Leistung!

Auch wenn sie jetzt hier nicht einzeln aufgezählt werden – in der Info-Box sind sie alle genannt: Neben den genannten Figuren und deren Darsteller:innen runden Nornen, Rheintöchter, Burgfräuleins, Rheintöchter und nicht zuletzt die überbefürsorgte Heldenmutter Sieglinde (Katharina Lochmann) das beachtliche Ensemble ab – und stehen in ihren Leistungen den Hauptfiguren um nichts nach. Zwei seien aber schon noch extra erwähnt: Als Art Schutzengel gibt Sieglinde ihrem Sohn auf seiner Abenteuerreise – der Suche nach sich selbst – zwei Helferleins mit auf den Weg, die der Autor und Regisseur erfunden hat: Tilda (Emily Fisher) und Adalmar (Konstantin Pichler). Mit Charme und Witz – vor allem Letzterer fast hofnarrenmäßig – spielen sie teils ironisch Retter:innen. „Ich weiß nicht, ich werde immer so besetzt. Aber das passt gut zu mir, wie ich auch in echt bin“, meint er in der Pause zu KiJuKU.

Live-Musik

Zu Musicals von „teatro“ gehört Musik, die eigens dafür komponiert – und live bei jeder Vorstellung gespielt wird. Sonja Equiluz, Stephan Först, Andreas Grünauer, Sandra Kugler, Christine Lochmann, Hanna Mikschicek, Wilfried Modlik, Alexander Rauscher, Wolfgang Wehner, Katrin Weninger und Elisabeth Zeisner (alphabetisch geordnet) spielen mit Bass, Gitarre, Schlagzeug, Klarinette, Saxophon, Keyboard, Posaune, Querflöte und Violoncello unter der Leitung von Walter Lochmann, die die von Intendant Bertassi komponierte Musik auch arrangiert hat.

LED-Wand und neue Projektionen

Und heuer ist das – im Hintergrund der Bühne spielende – Orchester mehrmals im Stück zu sehen. Die neue LED-Wand macht unter anderem ein neues Interagieren mit den eingeblendeten Bildern im Hintergrund – und eben auch dem Durchscheinen – möglich. „Die Darsteller:innen können viel näher ran, weil sie die Projektionen nicht im Gesicht haben“, freut sich der Regisseur.

Und trotz schon bisheriger toller Projektionen (Moritz Mausser) haben diese heuer eine völlig neue Qualität erreicht. Und dafür zeichnet der 17-jährige Tobias Hornik-Steppan verantwortlich. Er spielt, singt und tanzt König Gunther und hat die teils total realistischen (Wald) und dann wieder Fantasy (Schlösser und Burgen – außen sowie innen) 3D- teils animierten Bilder am Computer geschaffen.

Mit KI

Der HTL-Schüler (Spengergasse, Wien) hat teilweise auch Künstliche Intelligenz dafür verwendet. „Das Rendern von dreidimensionalen Bildern dauert oft sehr, sehr lange“, sagt er in der Pause zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Die bringt einen Zeiteffekt, weil du oft nicht alle Einzelbilder zeichnen musst, sondern die KI die Bilder dazwischen berechnet.“

Sehr intensiv sei das schon gewesen, eine (gar nicht zu kleine) Rolle zu spielen und gleichzeitig die Grafik für die Projektionen zu gestalten und schaffen. „Aber es war sehr interessant und toll, weil das auch einen Einfluss auf den gesamten Look des Musicals hatte und hat.“

Neben Schauspiel, Gesang, Tanz und eben computergenerierter Gestaltung des Bühnenbildes dreht Tobias Hornik-Steppan selber Filme und Videos – u.a. den sehr sehenswerten Trailer zum Musical – siehe Info-Box.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Das Lied der Nibelungen

teatro-Fantasy-Musical

Intendanz, Musik, Bühnenbild: Norberto Bertassi
Buch und Regie: Norbert Holoubek
Musikalische Arrangements, musikalische Leitung, Klavier: Walter Lochmann
Choreografie: Katharina Strohmayer

Besetzung
Siegfried: Benjamin Oeser
Kriemhild: Anna Fleischhacker
Hagen: David Paul Mannhart
Brunhild: Carolina Murg
Sieglinde: Katharina Lochmann
Tilda: Emily Fisher
Nimmermehr: Lara Pauser
König Gunther: Tobias Hornik-Steppan
Adalmar: Konstantin Pichler
Alberika/Norne Skuld: Antonia Tröstl
König Siegmund: Norberto Bertassi
Norne Verdandi/ Rheintochter Schilfpurga: Sabrina Zettl
Norne Urd/ Ensemble: Anika Maria Wick
Rheintochter Woglinde/ Burgfräulein Freya/Ensemble: Melissa Rüttinger
Rheintochter Wellgunde/ Burgfräulein Deike/Ensemble: Helena Mühlbachler
Rheintochter Floßhild/ Burgfräulein Clementine/Ensemble: Angelika Leichtfried
Prinz Gernot/Ensemble: Timo Petz
Prinz Giselher/Ensemble: Ian Ivanek
Prinz Gustav/Ensemble: Emil Petersson
Burgfräulein Amanda/Ensemble: Anna Hess
Burgfräulein Almut/Ensemble: Elea Rupprich
Burgfräulein Eschke/Ensemble: Tanja Rathbauer

Musiker:innen
Gitarre: Wilfried Modlik
Bass: Stephan Först
Querflöte: Katrin Weninger
Schlagzeug: Wolfgang Wehner
Keyboard: Sandra Kugler
Saxophon: Christine Lochmann
Klarinette: Sonja Equiluz
Violoncello: Elisabeth Zeisner
Posaune: Andreas Grünauer

Kostüme: Brigitte Huber
Maske: Renate Harter
Lichtdesign: Stefanie Erb
Projektionen / Trailer: Tobias Hornik-Steppan
Tondesign: Johannes Minichmayr/Paul Formanek
Art Direction: Mick Gapp
Regie-Assistenz: Katharina Führer
Maske-Assistenz: Ursula Riedl-Prenner, Eva-Maria Prenner, Sabine Molitor
Kostüm-Assistenz: Kinga Makowska
Kostüm-Hospitanz: Timea Sziber

Projektleitung: Beatrix Gfaller
Technische Projektleitung: Johannes Plattner
Logistik: Christoph Manß
Tontechnik/Funkstrecken: David Schieber
Verfolger: Maddalena Bertassi
Technik: Nico Schmiedbauer, Michael Wanninger

Wann & wo?

Bis 4. August 2024
Stadttheater Mödling: 2340 Mödling, Babenbergergasse 5
Kartenverkauf und Infos:
Telefon: 0660 8 2340 10
oeticket: 01 960 96
teatro@diestadtgalerie.at

teatro -> Nibelungenlied

Trailer

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