Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Szenenfoto aus "Die Düntzer Rhapsodie"
Szenenfoto aus "Die Düntzer Rhapsodie"
17.05.2024

Orte wo du nicht sein willst, was du aber dennoch mitnimmst

Zwischen Land und Stadt – 16. Ausgabe beim Nachwuchsbewerb des Theaters Drachengasse (Wien).

Blockflöte spielend marschiert Barbara Angermaier auf die Bühne, ihre Kollegin Marika Rainer zieht hinter ihr einen bunten, zeltartigen, mit Lichterketten und Kuschelfiguren übersäten Handwagen hinter sich. So symbolisieren die beiden ihr Dorf, das fiktive Düntz mit seinen 733 Einwohner:innen – im Jahre 1995. Das heißt jetzt dann – zumindest für länger um eine weniger. Denn alle sind gekommen, um Martha zu verabschieden, die mit dem Bus in die große Stadt fährt – um dort zu bleiben. Traurig vor allem für die 16-jährige Claudia. Ihr ist – wie teils auch ihrer Schwester Daniela – das Dorf nicht nur zu eng. Und in der Stadt gäbe es doch „alles – Menschenrechte und sogar Internet“. Wobei, letzteres naja – 1997 waren erst sechs Millionen Computer weltweit mit diesem verbunden.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Düntzer Rhapsodie“

Wie auch immer, „Die Düntzer Rhapsodie“ (Text, Choreografie: Bianca Anne Braunesberger; Text, Regie: Ivan Strelkin; Bühnenbild: Kasija Vrbanac Strelkin) ist eines von vier 20-Minuten-Stück-Entwürfen beim 16. Nachwuchsbewerb des Theaters Drachengasse (Wien). „Stadtplan oder Wanderkarte“ lautet das Motto zu dem 210 Theatermacher:innen zwischen 19 und 47 Jahren 66 Projekte eingereicht hatten. Das Theater wählte vier aus, die nun – bis 1. Juni 2024 – ihre Szenen (jeweils rund 20 Minuten) spielen. Eine Jury wählt am Ende eines der vier aus, das – dotiert mit 10.000 € daraus ein abendfüllendes Stück weiter entwickeln kann, das in der nächsten Saison eine Aufführungsserie hat – same procedure as every year.

Die „Rhapsodie“, die an dem 4-Stücke-Abend erst als zweites an der Reihe ist, steht hier nur zu Beginn, weil sie das Thema Gegensätze oder/und Gemeinsamkeiten von Stadt und Land am plakativsten darstellt. Wie und was weiter mit Claudia und Martha passiert – lass dich überraschen, wenn du den Abend „Stadtplan oder Wanderkarte“ besuchst.

10 Plätze, die du wirklich nicht besuchen willst…

… stellt die Produktion „Drained“, die den Abend eröffnet, als Spruch über ihr Stück, in dem auf einem Rasenteppich mit einigen Löchern – etwa für zwei weiße Plastiksessel und ein ebensolches Tischerl sowie einem alten Röhren-Fernsehgerät Clemens Maria Riegler, Katharina Rose und Pia Zimmermann (Text: Hannah K Bründl, Regie: Anne Mulleners) rund um das (Über-)Leben zwischen Vergangenheit und fast aussichtsloser Zukunft philosophieren und spielen. Ausgangspunkt: Ansiedlung von Arbeiter:innen für das AKW Manhattan-Projekt rund um einen Flusslauf in Washington State (USA). Mittlerweile Tristesse gespeist von Arbeitslosigkeit, Armut und Zudröhnen durch Drogen. Kann es da noch Leben, zwischenmenschliche Begegnungen geben?

Nicht nur ein abstraktes Bild…

… von einem brennenden Haus hängt an der Wand. Dessen Titel ergibt sich erst im Spiel aus der (Nicht-)Begegnung und den nicht geführten Gesprächen zwischen der weggezogenen Tochter mit Vater und dem Großvater (Marie Nadja Haller, Skye MacDonald, Alexander Gerlini; Text: Anaïs Clerc; Regie: Amelie von Godin) der die Patschen streckt. Poetische Halbsätze fiktiver Dialoge – oder solcher, die sich die eine oder andere Seite gewünscht hätte. Was aber trägt sie – trotz Weggehens in die weite Welt – aus der Enge des „brennenden Hauses“ (weiter) in sich?

Auch da brennt’s

Schon der Titel des vierten Stücks deutet ebenfalls auf Feuer hin: „Zünzle“. Flammen züngeln, Rauch, viel Rauch – und das durch einen langen, großen Schlauch, der von der Schauspielerin Marie Cécile Nest zunächst wie ein breiter Armreifen hin und her getragen wird, bevor er ausgerollt zur riesigen Riesenschlange wird (Text, Dramaturgie, Regie: Kaija Knauer; Dramaturgie, Regie: Ilario Raschèr; Ausstattung: Leonard Schulz).

Spielort: Ein Wald – mit Aufzählung der unterschiedlichsten Bäume – und immer wieder dazwischen schwebend der Metapher vom Stammbaum. Und so brennen nicht nur Bäume, sondern flammt auch Wut auf. Und „Zünzle“ lässt das Bild entstehen, dass im Dickicht mit Hilfe von Feuer eine Lichtung gebrannt werden könnte…

Der Bewerb

Zum 16. Mal hatte das Theater Drachengasse (Wiener Innenstadt) Künstler:innen zum Nachwuchsbewerb eingeladen. Das vorgegebene Motto lautete „Stadtplan oder Wanderkarte“ und es ging um die Auseinandersetzung mit Gegensätzen bzw. Gemeinsamkeiten von Stadt und Land.
210 Theatermacher:innen (fast zwei Drittel Frauen – 65%, 34 % Männer, 2% divers; Durchschnittsalter 29 Jahre – von 19 bis 47 Jahre) reichten bis 6. November 2023 66 Projekte ein. Das Theater wählte vier aus, die derzeit – bis 1. Juni 2024 – an einem Abend jeweils rund 20 Minuten zeigen. Eine Jury – Julia Engelmayer, Johanna Figl, Tobias Herzberg – vergibt am Ende einen Preis. Die 10.000 € dienen dazu aus der Kurzversion ein abendfüllendes Stück entwickeln zu können. Das Publikum kann jeden Abend über sein favorisiertes Stück abstimmen – das Projekt mit den meisten Stimmen bekommt den mit 1000 Euro dotierten Publikumspreis.

Follow@kiJuKUheinz

Grafische Bilder zum 16. Nachwuchsbewerb des Theaters Drachengasse (Wien)
Grafische Bilder zum 16. Nachwuchsbewerb des Theaters Drachengasse (Wien)
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Stadtplan oder Wanderkarte

Nachwuchswettbewerb 2024 – Das Finale

Drained
Text: Hannah K Bründl
Regie: Anne Mulleners
Schauspiel: Clemens Maria Riegler, Katharina Rose, Pia Zimmermann

Die Düntzer Rhapsodie
Text, Choreografie: Bianca Anne Braunesberger
Text, Regie: Ivan Strelkin
Musikalische Leitung, Schauspiel: Barbara Angermaier
Schauspiel: Marika Rainer
Bühnenbild: Kasija Vrbanac Strelkin

Brennendes Haus
Text: Anaïs Clerc
Regie: Amelie von Godin
Schauspiel: Alexander Gerlini, Marie Nadja Haller, Skye MacDonald
Mitarbeit Ausstattung: Kristin Buddenberg

Zünzle
Text, Dramaturgie, Regie: Kaija Knauer
Dramaturgie, Regie: Ilario Raschèr
Schauspiel: Marie Cécile Nest
Ausstattung: Leonard Schulz

Wann & wo?

Bis 1. Juni 2024
Theater Drachengasse: 1010, Fleischmarkt 22/Drachengasse
Telefon: 01 512 13 54
tickets.drachengasse

drachengasse -> Stadtplan oder Wanderkarte