Zweite Wanderoper in der Wiener Staatsoper. Nach Mozarts „Entführung“ nun Wagners „fliegender Holländer“ in einer kindertauglichen Version auf Stiegen, in Pausen- und anderen Nebenräumen.
Nach knapp mehr als zwei Jahren bevölkern wieder viele Kinder – samt erwachsenem Anhang – die große Feststiege der Wiener Staatsoper, sitzen auf dem grünen Teppich und warten gespannt, dass endlich die neue Wanderoper losgeht. Hier im Stiegenhaus spielt sich sozusagen die Ouvertüre zu Das verfluchte Geisterschiff“ ab. Geigen-, Harfen- und andere Instrumentenklänge ertönen von gegenüber und aus manchen Ecken der Aufgänge. Die erste Sängerin turnt an einem Kletterseil von weit oben herab. Und entpuppt sich als neu erfundene Figur in dieser gekürzten, umgearbeiteten Version von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“. Die „Wasser“-Ratte (Christina Kiesler) führt durch die eineinhalb Stunden. Und sie fasst das spätere Geschehen kürzest zusammen.
Ihre beste Freundin Senta ist der einzige Mensch, der sie verstehen kann. Diese Senta hat heute – das gilt natürlich bei jeder Aufführung – bis zum Juni 2024 – Geburtstag. Und so wie sich Senta nicht vor Ratten fürchtet, so steht sie auch auf Gruselgeschichten. Offenbar haben alle anderen auf allen Weltmeeren Angst vor „dem Holländer“, einem berüchtigten Seefahrer mit blutroten Segeln auf seinem Schiff. Er ist verflucht, immer auf den Meeren zu segeln und nur alle sieben Jahre einmal an Land gehen zu dürfen. Wo er nach mindestens einem Menschen suchen darf, die/der ihn erlösen kann.
Senta, gesungen und gespielt von Jenni Hietala, gestylt wie aus einem Manga oder von einer Cosplay-Party (Kostüme: Agnes Hamvas), und ihr besorgter Papa Daland (Simonas Strazdas) sowie Erik, Sentas ängstlichem Freund von Kindergartentagen an (Ted Black am Tag des KiJuKU-Besuchs), führen nach dieser Einleitung das Publikum – in zwei Gruppen auf verschiedenen Wegen – in den Mahlersaal. Dort nehmen alle sozusagen auf Dalands Schiff, der „Sternschnuppe“ (Bühnenbilder: Marcus Ganser) auf Bänken zur Geburtstagsparty für Senta Platz. Gesungen und gespielt – neben den Hauptfiguren tanzen Kompars:innen der Oper – die leider auch im Programmheft namenlos bleiben, ebenso wie die Musiker:innen – wird zwischen den Publikumsreihen – und auf der Kommandobrücke des „Hausboots“.
„Natürlich“ taucht am Horizont der Bösewicht auf, der „Holländer“ (Jusung Gabriel Park). Also frisch wieder nicht an Land, sondern auf einem anderen Boot. Eric, eigentlich ein Art Hosenschisser, liefert sich selbst dem Oberpiraten aus, um Senta, die irgendwie Gefallen an dem Grusel-Seefahrer findet, vor dem möglichen Verderben zu retten.
So ungut ist der Verfluchte dann gar nicht, rauscht zwar ab, überlässt Senta aber eine geheimnisvolle Muschel. Und die ist Teil des Hilfsmittels zur Lösung des Fluchs. Dafür müssen sich die Zuschauer:innen, die zuvor schon auch mitsingen durften/mussten, in drei verschiedenen Gruppen auf die Suche nach Perlen aus dieser Muschel machen. Auch wenn es heißt, dass sie dafür in die Tiefen der Meere abtauchen müsse, weil „der Holländer“ die fuchsteufelswild irgendwann in die Wellen geworfen hat, gilt es verschiedene Treppen der Oper höher und noch höher zu steigen.
In Balkon-Pausenräumen warten eine Krake, eine Meerjungfrau und eine Schildkröte auf ihr Drittel der Wander-Besucher:innen. Jede von ihnen hat eine der drei Perlen, gibt sie aber nur frei, wenn aus dem Off angespielte drei Lieder vom Publikum erraten werden. Welche, das sei hier sicher nicht verraten.
Beim großen Finale noch einen Stock höher gibt’s vor dem Bug des „Holländer“-Schiffes das erwartete Happy End, die als Galionsfigur versteinerte finnische Meeresgöttin Ahti, auf die Librettistin Margit Mezgolich im Zuge der Recherchen gestoßen ist, kann sich wieder bewegen, der furchterregende Segler wird von seinem Fluch befreit – und heftiger Applaus ist der verdiente Dank für die spannende Wanderung durch einige (Neben-)Räume der Oper an der Wiener Ringstraße.
Wie schon beim Vorgänger-Projekt „Die Entführung ins Zauberreich“, die in die musikalische und theatrale Welt von Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ führte, ergänzte Gerald Resch auch für „Das verfluchte Geisterschiff“ die – gekürzte Originalmusik um eigene neue Kompositionen.
Auf der Staatsopern-Homepage wird er in einem Interview so zitiert: „Das Verfluchte Geisterschiff klingt über weite Strecken nach Richard Wagners Originalmusik, die aber aufgebrochen, umgruppiert, gekürzt und zugespitzt wird. Natürlich wollten wir die schönsten Melodien aus dem Fliegenden Holländer nützen, aber um die Opulenz und Weiträumigkeit von Wagners Musik knapper und flotter zu machen, hat zum Beispiel die Schiffs-Ratte, die überraschende Wendungen ins Geschehen bringt und für die nötige Leichtigkeit sorgt, eine ganz andere Musik: sehr lebendig, sodass im Aufeinandertreffen der Ratte mit dem geheimnisvollen Fliegenden Holländer und seiner naturgemäß schwereren Musik witzige Situationen entstehen.“
Und wie bei der ersten Wanderoper stammt auch dieses Mal das Konzept und die Regie von Nina Blum, der Text von Margit Mezgolich, die musikalische Leitung übernahm erneut Markus Henn, die Choreografie Kathleen Bauer. Die beiden für Bühne und Raumkonzept sowie Kostüme verantwortlichen Künstler:innen sind schon weiter oben genannt worden – und finden sich übersichtlich in der Info-Box.
„Ich möchte ihnen (Kindern) mit meiner Inszenierung Lust auf Oper machen – auf die Musik, auf die Geschichte und das tolle Gebäude der Staatsoper. Wenn sie rausgehen und sagen, das war spannend, da möchte ich wieder hin, dann ist uns viel gelungen“, wird Nina Blum auf der Opern-Website zitiert. Und das ist beim Lokalaugenschein von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr.. der Fall gewesen. Einzig einzelnen viel zu junge Kinder (angegeben ab 6 Jahren!) bekamen im Mahler-Saal Angst, als der Piratenkäpt’n auftrat.
Wanderoper durch einige Teile der Wiener Staatsoper
Ab 6 Jahren; 1 ½ Stunden
Musik: Richard Wagner, Gerald Resch
Konzept und Inszenierung: Nina Blum
Text: Margit Mezgolich
Musikalische Leitung: Markus Henn
Bühne und Raumkonzept: Marcus Ganser
Kostüme: Agnes Hamvas
Choreographie: Kathleen Bauer
Senta: Jenni Hietala
Daland: Simonas Strazdas
Erik: Ted Black / Lukas Schmidt (alternierend)
Der Holländer: Jusung Gabriel Park
Eine Ratte: Christina Kiesler
Plus – namentlich leider nicht genannte – Musiker:innen des Bühnenorchesters sowie Tänzer:innen der Komparserie der Wiener Staatsoper;
Musikalische Studienleitung: Stephen Hopkins
Musikalische Einstudierung: Eric Melear, Rita Kaufmann, Hans-Otto Ehrström, Annemarie Herfurth; Anton Ziegler, Piotr Jaworski, Richard Fu
Spielleitung: Natalie Ortner-Menconi
Dance Captain: Emily Cardi
Regieassistenz: Johanna Würth, Maria Mangott
Dramaturgie: Nikolaus Stenitzer
Produktionsleitung: Margarete Krenn-Arnold
Technischer Direktor: Peter Kozak
Technische Einrichtung Bühne: Markus Vesecky
Beleuchtung: Robert Eisenstein
Video- und Tontechnik: AthansiosRovakis
Kostümdirektorin: Vera Richter
Bühnenrechte: Musikverlag Hans Sikorski GmbH, Berlin
Eine Produktion in Kooperation mit dem Verein IKO – Innovative Kinderoper
Dekorations- und Kostümherstellung Verein IKO – Innovative Kinderoper
25., 30., 31. Dezember 2023
6., 16., 22. Jänner 2024
25., 27. Februar 2024
11., 12., 24. März 2024
7., 9., 10., 25. April 2024
5., 20., 22., 27., 28. Mai 2024
2., 13., 20., 24. Juni 2024
Wiener Staatsoper: 1010, Opernring 2
Feststiege / Mahlersaal / Galerierundgang; in mehreren Stockwerken der Oper über die Stufen, daher nicht barrierefrei
Telefon: 01 51 444-0
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