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Jungspund-Leiterin Gabi Bernetta vor dem Schriftzug des Theaterfestivals
Jungspund-Leiterin Gabi Bernetta vor dem Schriftzug des Theaterfestivals
21.02.2022

Spielort und Treffpunkt für die Schweizer Kinder- und Jugendtheaterszene

Interview mit der Initiatorin und Leiterin des Kindertheaterfestivals „Jungspund“ im Schweizer St. Gallen, Gabi Bernetta.

Zum dritten Mal findet derzeit „Jungspund“, ein Kindertheaterfestival der Schweizer Szene in St. Gallen – rund eine Zugstunde von Österreichs Westen entfernt – statt (17. Bis 26. Februar 2022). Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … war auf Einladung des Festivals die ersten 3 ½ Tag vor Ort – etliche Berichte über Stücke finden sich auf dieser Seite – die meisten unten verlinkt. „Jungspund“ hatte viel Glück: Ausgabe Nummer 2 vor zwei Jahren endete knapp vor dem weltweiten Corona-Lockdown 2020 und das nunmehrige Festival konnte sogar praktisch ohne Einschränkungen über die Bühnen gehen – einen Tag vor dem Start wurden in der Schweiz sowohl Zutrittskontrollen als auch Maskenpflicht aufgehoben. Dennoch waren viele Gäst:innen auch vorsichtig und saßen mit FFP2-Mund-Nasen-Schutz in den Vorstellungen. KiJuKU bat die federführende Initiatorin und künstlerische sowie Gesamtleiterin von Jungspund, Gabi Bernetta, zum Interview.

Eine Lücke gefüllt

Erstens, danke für die Einladung und dann gleich einmal die Frage, wie kam es zu diesem Festival, was waren die Beweggründe und wie kam es zustande?
Gabi Bernetta: „Jungspund“ ist fast wie eine persönliche Motivation. Ich hatte eine Kinder- und Jugendtheatergruppe und hatte festgestellt, dass die Szene in der Schweiz immer weniger Auftrittsmöglichkeiten hat. Vor allem Theater für 9 bis 12 Jahre ist völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden. Es gibt noch „Blickfelder“ als Festival, die aber praktisch nur noch internationale Gruppen programmieren. Die Schweizer sind dann eingeladen, partizipative Projekte zu machen. Aber Schweizer Gruppen hatten keine Plattform mehr, sich zu präsentieren, sich auszutauschen und zu treffen.

Es gab dann noch das Spots bis 2012, das aber immer in einer anderen Stadt stattfinden musste – das ist etwas sehr Schweizerisches, alle Landesteile müssen zum Zug kommen. Aber so kann sich ein Festival nie etablieren. Da hat’s dann manches Mal wirklich am Publikum gefehlt. Und viele Theater wie die Gessnerallee Zürich, die früher auch Kinder- und Jugendtheater programmiert haben, hatten das aber nicht in der Leistungsvereinbarung, das heißt, das ist total abhängig von der Leitung. Die jetzige Leitung hat daran kein Interesse und damit fiel nochmals eine wichtige Bühne weg, die auch eine internationale Ausstrahlung hat.

Festival-Leiterin Gabi Bernetta (rechs) bei einer der Diskussionsrunden im Rahmen des Festivals
Festivalleiterin Bernetta – rechts im Bild, daneben Natascha Grasser vom Grazer Spleen-Festival sowie dem Mezzanintheater der steirischen Landeshauptstadt

Belebung der „Peripherie“

Das sind viele gute Gründe, wieso gerade in St. Gallen?
Gabi Bernetta: In St. Gallen hatte ich mit dem jetzigen Schauspiel-Direktor Jonas Knecht eine freie Gruppe und weil er hier aus St. Gallen ist, konnten wir hier Förderung beantragen und eine solche für drei Jahre bekommen. Dann kam seine Wahl zum Schauspieldirektor, da wäre dann noch ein Jahr Förderung abzurufen gewesen. so hab ich mit dem Kanton St. Gallen ein Gespräch geführt, ob ich das auch für etwas anderes verwenden könnte. Sie haben gefragt, wofür. Dann hab ich den Vorschlag gemacht: Die Schweiz braucht wieder ein größeres Festival für junges Theater.

Die sind da sofort aufgesprungen, haben das auch großzügig unterstützt. Die Stadt St. Gallen ist nachgezogen. Jonas Knecht als Schauspieldirektor war dann auch als Partner mit dem Theater der Stadt genauso mit dabei wie das Figurentheater. Damit haben wir diese Spielstätten alle zwei Jahre für die Festivalzeit – zwei Wochen – kostenfrei zur Verfügung.

Die Bedingung war, nicht nur ein einmaliges Festival, sondern ein regelmäßiger Treff- und Präsentationspunkt mit dem Schwerpunkt auf Schweizer Gruppen. Schon die erste Ausgabe 2018 zeigte, dass es nicht nur ein Publikumserfolg, sondern auch ein großes Bedürfnis innerhalb der Schweizer Szene war.

Fahrt aufgenommen

Bewirkt(e) das Festival die angestrebte Stärkung der Schwiezer Kinder- und jugendtheaterszene oder ist es noch zu früh, darüber was zu sagen?
Gabi Bernetta: Der Start ist in eine Zeit gefallen, wo diese Bewegung wieder ein bisschen Fahrt aufgenommen hat. 2018 hat zum Beispiel Theater Sgaramusch (Schaffhausen) den Hans-Reinhart-Ring, also den Grand Prix Theatre Suisse, bekommen, also die höchste Auszeichnung für ein Kinder- und Jugendtheater. Gleichzeitig hab auch ich den Theaterpreis bekommen – einerseits als langjährige Produzentin und andererseits dafür, dass ich „Jungspund“ initiiert habe.

Zusammen mit dieser Auszeichnung und dem Aufbau des Festivals ist sicher in den vergangenen sechs, acht Jahren wieder ziemlich viel Bewegung in dieser Szene gekommen.

Wie kam’s zum Festivaltitel?
Gabi Bernetta: Ab 2016 haben wir begonnen, das Festival aufzugleisen. Wir haben auf die Gründung des Vereins angestoßen – drüben im Badhaus und gesagt, jetzt braucht es nur noch einen Namen. Alle haben Begriffe in die Runde geworfen, dann sagt der Jonas: „Jungspund“. Ich hab mich umgedreht und gesagt: „Das ist der Name!“.

Was bedeutet Jungspund in der Schweiz – im deutschsprachigen Raum hat nicht jeder Begriff überall dieselbe Konnotation?
Gabi Bernetta: Greenhorn, jung und unverdorben aber trotzdem mit viel Energie.

Aber ist der Begriff noch weit verbreitet, in Österreich eher nur mehr unter so ungefähr 60 plus.
Gabi Bernetta: Das ist hier wahrscheinlich auch ein bisschen so, aber es verstehen ihn viele Menschen. Wir hatten auch Diskussionen, das sei so altmodisch. Ich hab damit überhaupt kein Problem, weil schon jung im Namen drinnen steckt! ;).

Warum kamst du, kamt ihr auf die Idee, das Festival in St. Gallen abzuhalten, am Rande der Schweiz?
Gabi Bernetta: Kanton und Stadt decken 2/3 des Budgets ab. Es gab auch Bestrebungen der ASSITEJ, so ein Festival in Bern oder Freiburg zu initiieren, aber da sind meistens die Städte nicht in dieser Größenordnung aufgesprungen. Hier haben wir einfach die Chance gepackt. Ich war sogar ziemlich überrascht, dass es so einfach war.

Ist dies eine Frage der Strukturen oder der handelnden Personen?
Gabi Bernetta: Sicher auch der Personen und St. Gallen liegt eben so ein bisschen an der Peripherie der Schweiz. Es gibt das Theater und das Figurentheater St. Gallen, aber keine freie Szene. Wenn du hier zum Beispiel diese Räumlichkeiten mieten müsstest, übersteigt das jedes Budget.

Durch die Kooperationen haben wir beim Festival diese Räumlichkeiten kostenfrei zur Verfügung – das ist wie eine Sachleistung. Ich hoffe sehr, dass dies auch weiterhin möglich sein wird. Es gibt am Theater einen Wechsel in der Leitung, aber ich denke, da haben wir genug Lobby von der Stadt und dem Kanton – die wollen das „Jungspund“ sehr. Schon bei der ersten Ausgabe waren viele Künstlerinnen und Künstler aus der Schweiz überhaupt zum ersten Mal in St. Gallen.

Kulturstiftungen

Wirkt sich das Festival auch für die jeweiligen zwei Jahre dazwischen aus, etwa mehr Gastspiele freier Gruppen?
Gabi Bernetta: Jein, das Theater St. Gallen produziert jetzt, seit Jonas Knecht da ist, vermehrt Kinderstücke, das ist dann im großen Haus vor 500 Kindern. Aber für freie Gruppen ist es nach wie vor schwierig.

Wir haben uns vom Festival her schon überlegt, ob wir nicht zwischendurch manchmal Schwerpunkte machen. Das Problem sind die Räumlichkeiten. Es gibt hier in St. Gallen noch die Grabenhalle, die kann man günstig haben, aber da musst du die ganze Technik dorthin schleppen und es ist eigentlich kein Theaterort, das ist mehr bekannt und geeignet für Konzerte. Das Figurentheater bietet natürlich regelmäßig Programm für die ganz jungen Kinder, mittlerweile haben sie auch schon Stücke für ab 12-Jährige wie „Romeo & Julia“, das auch beim Festival gespielt wird. Und das Theater St. Gallen deckt Angebote für Jugendliche ab. Wobei sie wenig spezielle Jugendtheaterproduktionen machen. Wenn halt „Biedermann und die Brandstifter“ kommt, geht das Gymnasium ins Theater.

Und für uns wäre es schon auch eine Kostenfrage. Wenngleich Kanton und Stadt 2/3 der Kosten des Festivals abdecken, so muss ich doch für jede Ausgabe noch einige Gelder aufstellen.

Und woher kommen diese Gelder, um die Finanzierungslücke abzudecken?
Gabi Bernetta: Da haben wir in der Schweiz, sag ich mal, ein gutes System. Wir haben sehr viele private Kulturstiftungen. Mit denen bringen wir so die knappe halbe Million Franken, die wir brauchen, zusammen.

Festival-Leiterin Gabi Bernetta (Mitte) bei einer der Diskussionsrunden im Rahmen des Festivals
Im Rahmen des Festivals finden auch viele Gesprächsrunden zu inhaltlichen Themen bzw. zum Austausch und zur Vernetzng statt

Was ist die weitere Perspektive? Soll es bei dieser Ausrichtung, der Größe und dem Zeitraum bleiben oder ist an Änderungen gedacht?
Gabi Bernetta: Ich denke, solange ich es mache, sicher noch zwei Ausgaben, möchte sehr gerne dabei bleiben. Ich denke, zehn Tage ist für Schweizer Verhältnisse ein langes und größeres Festival. Auch die Ausrichtung mit dem Schweizer Schwerpunkt hat großen Anklang und soll bleiben. Wir gucken, dass wir mehr internationale Veranstalter:innen herbekommen, die hier die Schweizer Szene mal kompakt sehen können. Ich habe auch die Signale von Stadt und Kanton, dass sie jetzt nach der dritten Ausgabe in Verhandlungen für eine fixe Subvention gehen wollen. Also die Basisfinanzierung wäre dann wirklich gesichert.

Noch viel Erfolg und Spaß im weiteren Verlauf des jetzigen – und der künftigen „Jungspund“-Festivals, danke für das Interview und natürlich auch die Einladung.

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für vier Tage nach St. Gallen eingeladen hat.