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Szenenfoto aus "Kalaschnikow - mon amour"
Szenenfoto aus "Kalaschnikow - mon amour"
28.09.2021

Starke junge Männer können tanzen und weinen

„Kalaschnikow – mon amour“ – Performance und Ausstellung im Dschungel Wien im rahmen des Skin-Festivals.

Treten in „Medeas Töchter*“ – siehe hier – im Rahmen des Skin-Festivals im Dschungel Wien fünf starke Frauen überzeugend als Kämpferinnen auf, so tanzen in „Kalaschnikow – mon amour“ sechs jungen Männer beeindruckend, bewegend, berührend stark. Auch wenn so manche Kampfszene – gegeneinander oder mit sich selber in der dichten Stunde zu erleben ist, so liegt die größte Stärke darin, dass sie immer wieder auch lange Momente der Trauer, der tiefen Gefühle, ja fast des Weinens zulassen.

Vor, hinter und zwischen einer wandel- und fahrbaren Wand aus sechs Elementen mit durchsichtigen Folien erzählen sie „kleine“ und große Geschichten, die sie in der langen Erarbeitungszeit aus ihren eigenen Leben gespeist haben – Flucht aus Afghanistan oder dem Iran, Hadern und Suchen nach der eigenen Position zwischen den Kulturen, Bemühen um das Finden des eigenen Platzes und Raumes im hier und heute. All das auch noch überlagert durch das Heranwachsen und damit Probleme aller Pubertierenden. Träumen hinterherrennen und Traumata verarbeiten.

Und: Was ist ein Mann, was darf, was soll er? Was macht Männlichkeit aus? Und welche ganz unterschiedlichen Bilder davon gibt es? Als widersprüchliches Symbol wurde das Phänomen tätowierter Kalaschnikows auf Unterarmen vieler junger Männer, mittlerweile aber auch Frauen zum Titel der Performance. Einerseits gilt dieses automatische Gewehr vormals sowjetischer/russischer Bauart als Symbol für Befreiungskampf und andererseits auch für die Waffen brutaler Herrscher, zuletzt berühmt geworden durch die Taliban – und damit wiederum ein zentrales Zeichne für Fluchtursachen unter anderem dieser jungen Männer.

Ali Reza Askari (17), Ahmad Hazara (24), Iliya Hosseini (29), Jasir Karimi (Anfang 20), Morteza Mohammadi (25) und Javid Hakim (29) haben seit Monaten intensiv vor allem mit dem bildenden Künstler Hawy Rahman und Regisseurin und Choreografin Corinne Eckenstein (auch künstlerische Leiterin des Dschungel Wien) intensiv mit Männlichkeitsbildern beschäftigt, auseinandergesetzt, dazu Bilder gemalt und Skulpturen gebaut, improvisiert und viel geredet. Einige hatten tänzerische Vorerfahrungen in Projekten von „Tanz die Toleranz“, Javid Hakim eine Schauspielausbildung im DivercityLab absolviert, aber alle sind beeindruckend großartig und machten – wie das Publikumsgespräch im Anschluss zeigte – so manchen vor allem jungen Männern Mut dazu, zu tanzen oder auch zu weinen.

Daraus ist zum einen eine Ausstellung starker Bilder und textiler Objekte samt von der Decke hängenden Gipsabdrücken der eigenen Hände und Unterarme entstanden und zum anderen die starke, dichte Performance mit vielleicht sogar zu vielen Bildern für einen einmaligen Besuch. Der Großteil der Stunde kommt ohne Worte aus, einige der gesprochenen Sätze sind Deutsch, andere Farsi/Dari, auch ein trauriges Lied – das einige im Publikum erkannten und leise mitzusingen begannen.

Der mit Jugendlichen vollbesetzte große Saal im Theaterhaus für junges Publikum zeichnete sich durch konzentrierte, weitgehendst ruhige Anspannung im Publikum aus. Gegen Ende kommt von hinter dem Publikum durch den Mittelgang noch Karrar Alsaedi arabisch singend auf die Bühne und bereichert das sehr starke, auch körperlich ziemlich verausgabende Schlussbild: Erde ausleeren, sich selber damit einreiben und mit Wasser verschmieren als symbolische Neugeburtsstunde – dazu singt er im Makam-Stil, einer im Orient bekannten Musikrichtung, mit der starke Gefühle – sowohl der Freude als auch der Trauer – ausgedrückt werden.

Und dann: Stopp, Black. Der Saal scheint zu explodieren. Enthusiastischer Beifall. Viele im Publikum haben so manche ihrer eigenen emotionalen Kämpfe wiedergespiegelt erlebt.

Follow@kiJuKUheinz

Fotos von einem Workshop-Tag im Künstleratelier

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Kalaschnikow – mon amour

Dschungel Wien
Ko-kreatives Tanztheater, eine Stunde

Konzept, Choreografie: Corinne Eckenstein
Bühne: Hawy Rahman

Mit: Ali Reza Askari, Javid Hakim, Ahmad Hazara, Iliya Hosseini, Jasir Karimi, Morteza Mohammadi
Musik – samt einem Live-Auftritt: Karrar Al Saedi

Kostüme: Kareem Aladhami
Video: Osama Rasheed
Projektleitung: Jennifer Vogtmann
Regieassistenz: Sophie Freimüller

Wann & wo?

Bis 28. September 2021
9. bis 11. November 2021
28. bis 30. März 2022

Ausstellung Männerwelten

Bis 2. Oktober 2021

Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
Dschungel Wien -> Kalaschnikow – mon amour

skin-festival