„Biloxi Blues“ von Neil Simon über Jungsoldaten, die in den USA auf den Kampfeinsatz im zweiten Weltkrieg vorbereitet werden, im Wiener Theater der Jugend.
„Biloxi Blues“ von Neil Simon über Jungsoldaten, die in den USA auf den Kampfeinsatz im zweiten Weltkrieg vorbereitet werden, im Wiener Theater der Jugend.
Im militärischen Ton herrscht die Stimme des Ausbildners aus dem Off das Publikum an, elektronische Lärmmacher auszuschalten – Zuwiderhandelnde müssten 100 Liegestütze absolvieren. Der erste Gag gelandet. Wiewohl sich das Stück „Biloxi Blues“ fast durchgängig ums Erlernen militärischer Disziplin der neuen Soldaten für den Ernstfall dreht, bleibt in der Inszenierung im großen Haus des Theaters der Jugend (Wien) doch auch hin und wieder Zeit und Raum für Schmunzeln oder Lachen. Insbesondere zu Beginn, als eines der Stockbetten der Kaserne (Bühnenbild: Ulv Jakobsen; Kostüme: Irmgard Kersting) noch vor dem eisernen Vorhang Abteil des Zuges ist, der die neuen Soldaten nach Biloxi im Süden des US-Bundesstaates Mississippi bringt.
Viel öfter aber reißt’s dich in den folgenden zwei Stunden, wenn der Kommandant, Sergeant Toomey (Mathias Kopetzki), die Rekruten anbrüllt, niedermacht, fies und falsch nett die einen gegen die anderen ausspielt, aufhetzt… Doch selbst diese Figur ist im Stück von Neil Simon (Deutsch: Andreas Pegler; Regie: Folke Braband) nicht eindimensional angelegt. Selbst im Einsatz schwer verletzt (halbes Hirn weg), gelingt es ihm, zu vermitteln, dass – so krass es ist und so hart es klingt – im Schützengraben keine Zeit für Nachdenken und Diskussionen bleiben wird. Und diese Soldaten werden – 1943 – vorbereitet für den Einsatz zur Beendigung des zweiten Weltkriegs.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte übrigens schon vor mehr als einem Monat in einer frühen Probenphase der Erarbeitung der ersten beiden Szenen zusehen – Links zur Reportage und vielen Interviews am Ende dieses Beitrages.
Stück, Regie und Besetzung sowie Spiel der Soldaten-Darsteller erlauben unterschiedlichste Charaktere. Vom vordergründigen Loser, dem Hirn des Zimmers und auf seine Art Widerständigsten Arnold Epstein (Ludwig Wendelin Weißenberger) über den immer wieder aus der Soldatenrolle rausschlüpfenden Chronisten, der an seinen Memoiren schreibt (und damit eine Art Alter Ego des bekannten Theaterautors ist), Eugene Morris Jerome (Robin Jentys), den Zurück- und sich Heraushaltenden Don Carney (Christian Dobler), weil er ohnehin schon mehr als genug rassistische Attacken erlebt hat sowie Joseph Wykowski (Clemens Ansorg), der sich immer wieder besonders stark und männlich geben will/muss bis hin zu Roy Selridge (Curdin Caviezel), dem nicht gerade Hellsten der kleinen Truppe, der damit aber mehr Freiraum für sein Handeln hat.
Neben dem Übermaß an Testosteron kommen in diesem Stück zwei Frauen nur in Nebenrollen vor. Im zweiten, kurzen, Teil tauch Sophia Greilhuber als Klosterschülerin beim Ausgang in den Tanzpalast als Daisy Hannigan auf. Zwischen ihr und Eugene Morris Jerome, der so gar nicht tanzen kann und will knistert es vor allem intellektuell – und ein bisschen mehr.
Simone Kabst schlüpft in die Rolle von Rowena, einer Prostituierten, die ihre Dienstleistung den Soldaten verkauft – und in der einzig zu sehenden Begegnung mit dem schüchternen Chronisten humorvoll diesen aus der Reserve lockt.
Eine der spannendsten Szenen spielt sich gegen Ende ab, als der stockbesoffene Sergeant Toomey seinen intellektuell und moralisch haushoch überlegenen Widersacher Arnold Epstein zu einem gefährlichen (Gedanken-)Spiel herausfordert. Da bleibt immer wieder der Atem als Zuschauer fast stocken – doch Details seien hier nicht gespoilert.
Nur so viel – jenseits dieser Szene – immer wieder provozieren Stück und Inszenierung durchaus die innerliche Frage, wie würde ich da selber reagieren – in dieser oder einer anderen Zwangslage. Die so oder anders wohl unter weniger dramatischen Umständen und ohne Uniform, aber dennoch in einem Autoritätsgefälle, nicht so selten sind.
von Neil Simon
Deutsch von Andreas Pegler
Eugene Morris Jerome: Robin Jentys
Joseph Wykowski: Clemens Ansorg
Roy Selridge: Curdin Caviezel
Don Carney: Christian Dobler
Arnold Epstein: Ludwig Wendelin Weißenberger
Sergeant Toomey: Mathias Kopetzki
Rowena: Simone Kabst
Daisy Hannigan: Sophia Greilhuber
Regie: Folke Braband
Bühnenbild: Ulv Jakobsen
Kostümbild: Irmgard Kersting
Licht: Lukas Kaltenbäck
Dramaturgie: Gerald Maria Bauer
Regie-Assistenz: Florian Pilz
Hospitanz: Lukas Spring
Aufführungsreche: S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
4. bis 26. April 2024
Renaissance-Theater – im größeren Haus des Theaters der Jugend, und nicht wie hier irrtümlich zunächst genannt im kleineren
1070 Wien, Neubaugasse 36
Telefon: 01 521 10-0
tdj -> biloxiblues