Werkstatt-Präsentationen: „Caliban an der Oder“ bei den Arbeitsateliers des Dramatiker:innen-Festivals als schräger Mix an Text, Live-Comic-Zeichnung, Musik und Sound. Und ein Mann nimmt sich auf die Schaufel.
Von der angeblich, vorgeblichen sozialistischen Musterstadt, Asylverfahren und Comic-HeldinnenEine andere, stark Comic-zentrierte, Geschichte – siehe auch jene über Wonder Woman („Emotionen normaler Menschen“ – Link unten am Ende dieses Beitrags) lieferte eines der Arbeitsateliers im Rahmen des 6. Dramatiker:innen-Festivals. Während fünf Schauspieler:innen, einer davon auch gleichzeitig der Sound-Macher mit gut 250 Cues in der ¾ Stunde, aus dem Text „Caliban an der Oder“ von Mehdi Moradpour lasen, zeichnete live die Illustratorin Giovanna Bolliger Comic in Art von Kinderzeichnungen an einem Grafik-Tablet. Projiziert auf einen großen Screen.
Schon der Titel verspricht – was die Story auch hält. Gerichtsdolmetscher Caliban wandert als comic-hafter Bub durch die Stadt, ärgert sich über ein vergessenes Buch und dabei kommt ihm beim Gang durch die eher abgesandelte Stadtlandschaft in den Sinn, dass Frankfurt an der Oder in frühen DDR-Zeiten auserkoren war, eine „sozialistische Musterstadt“ zu werden – so die Geschichte, wobei darüber nicht wirklich leicht was zu finden war, galt doch eher Eisenhüttenstadt als die Parade-Musterstadt. Aber wie auch immer. Jedenfalls projiziert der Text frühe grüne Fantasien von bewaldeten Hausdächern und so weiter eine Art Utopie, die in Zeiten von Klimawandel viel aktueller geworden ist.
Gleichzeitig laufen in Calibans Kopf (nicht zufällig heißt er so wie jene Figur aus Shakespeares „Der Sturm“) Verfahren ab, in denen er übersetzt, Menschen auf der Flucht, ein zweites Mal Opfer, nun der deutschen Asylbehörden. Und sein Name scheint dabei nicht zufällig lautmalerisch Anklang an Taliban zu haben. Solche tauchen auch in den live gezeichneten Comics auf. Samt mehrfach erzähltem bitterbösen realsatirischen Witz: „Was braucht es, um eine Terrorgruppe durch eine andere zu ersetzen?“ – „20 Jahre und 1000e Milliarden Dollar…“
Neben Musterstadt und Asylverfahren tauchen als drittes Element in Calibans Kopf kriegerische Figuren aus Computerspielen auf wie Terra Branford aus „Final Fantasy VI“ oder aber eine Richterin Miranda, die sich Caliban ausdenkt. Jedenfalls vorwiegend Heldinnen, Frauen, die die Welt vom Bösen retten und in utopische Zukunft führen…
Im zweiten Arbeitsatelier in Räumen der Grazer Kunstuni nimmt sich in „Verlobung in Köln“ ein Mann – im Video taucht er in Split-Screens manchmal zwei-, dann wieder dreifach auf – selbst und vor allem Macho-Gehabe und Gedanken sehr auf die Schaufel. Setzt dabei nicht zuletzt an „göttlichen“ Ur-Mythen an: Sich eine ideale Frau aus Erde (Lehm) zu erschaffen. Wofür er, in dem Fall nicht er, sondern der andere (!), einen Schaufel braucht 😉
Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde zur Berichterstattung über das Dramatiker:innen-Festival nach Graz eingeladen.
Text: Mehdi Moradpour
Regie: Rieke Süßkow
Lesende: Simon Bauer, Vera von Gunten, Jesse Inman (und Sound), Clara Liepsch, Sebastian Schindegger
Illustrationen: Giovanna Bolliger
Musik: Max Windisch-Spoerk
Dramaturgie: Hannah Salentinig
Regieassistenz: Christina Ulrich
In Kooperation mit der Stückewerkstatt Mülheim
Partner-Theater: Schauspielhaus Wien
von Anne Leppe
Regie: Alia Luque in freier Erarbeitung
Mit: Benny Claessens
Video: Richard Haufe-Ahmels
Ebenfalls in Kooperation mit der Stückewerkstatt Mülheim
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