KiJuKU-Probenbesuch für ein berührendes schweres Stück zwischen drei Generationen mit Magie, Humor und damit doch Leichtigkeit: „Liebe Grüße… oder wohin das Leben fällt“ im Burgtheater-Studio.
„Hast du Rom in der Tasche?“, kommt von der Inspizientin die Frage an Schauspieler Rainer Galke. Wir befinden uns im Vestibül des Burgtheaters in Wien. Wenige Tage sind es noch bis zur Premiere von „Liebe Grüße… oder wohin das Leben fällt“. Das humorvolle und doch ernste Stück um das Verhältnis zwischen Generationen wurde von Theo Fransz geschrieben und vor drei Jahren mit dem deutschen Kindertheaterpreis ausgezeichnet. Nun ist es erstmals in Österreich zu sehen (Übersetzung aus dem Niederländischen: Andrea Kluitmann).
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte beim Feinschliff der Probe einiger Szenen zuschauen – und anschließend Regisseurin Anja Sczilinski, die auch das Burgtheater Studio künstlerisch leitet, sowie Lukas Vogelsang aus dem Schauspiel-Trio interviewen.
Auf engstem Raum – das Vestibül bietet nur rund sechs Dutzend Zuschauer:innen und einer begrenzten Bühne Platz – entwickeln der genannte Schauspieler als 10-jähriger Moritz, Dunja Sowinetz als dessen Großmutter Mathilde und Rainer Galke als deren Sohn sowie Moritz‘ Vater Fabian den Kosmos einer grundsätzlich liebevollen Familie. Aber mit so einigen Problemen: Die Oma pendelt zwischen sehr hellen Momenten und Anflügen von Demenz, hin und wieder wird auch körperliche Schwäche angesprochen. Deren Sohn und Vater des Enkels taucht immer wieder in seine Kindheit ab/ein. Dann ist er genau so alt wie Moritz, nämlich 10. Und sieht in Letzterem einen Eindringling. Dabei will er doch jetzt – endlich – Kind sein. Was er offensichtlich nicht so ausleben hatte dürfen, weil sein Vater, Mathildes Ehemann Alois, sehr viel weg war in der Welt – als Uhrenhändler. So hatte Fabian früh fast eine Erwachsenenrolle einnehmen müssen.
Von den Reisen hatte Alois immer Postkarten und Fotos geschickt – worauf sich die eingangs gestellte Frage bezieht – was sich auch in den vertikal drehbaren Bühnenelementen widerspiegelt. Die zeigen in den Phasen der zeitreisen in die Vergangenheit stilisierte Stadtansichten; in der Gegenwart sind sie neutral fast weiß.
Die Karte aus Rom ist eine der Erinnerungsstücke, ja die zentrale, weil sich da Alois nicht nur an Mathilde, sondern in einem P.S. auch an Moritz wendet. Diesem verspricht er eine große Reise für seinen runden Geburtstag. Was Fabian nicht glauben kann und will, ist doch der Vater schon lange nicht mehr nach Hause gekommen.
Zwei Mal – während des KiJuKu-Lokalaugenscheins wird diese Szene in der Probe gespielt. Die Regisseurin gibt Anregungen – nicht zuletzt wie angesichts der Enge des Bühnenraums, vielleicht der eine oder andere Gan besser zurückgelegt werden könnte, um nicht dem Publikum die Sicht auf alle drei Protagonist:innen zu verstellen.
Wir erleben hier in wenigen Minuten ziemlich emotionale Auf und Abs. Den Ärger Fabians als Kind, das anfangs egoistische Verschlingen seines Geburtstagskuchens und letztlich dann doch das Teilen mit seinem Sohn, der in der Zeitreise – auf Wunsch der Oma – zum Freund wird. Auch das Eintauchen der alten Frau in die Vergangenheit, aber auch das Lüften des Geheimnisses um die Reisen ihres Ehemanns… So manches schaffen die drei Schauspieler:innen sozusagen auch zwischen den Zeilen zu vermitteln – vor allem die Stimmungen, Gefühle, auch manch nicht (ganz) An- und Ausgesprochene.
Keine einfache Angelegenheit, aber schon bei der Wiederholung wirkt die Szene viel runder. Noch – so die Regisseurin – müssten aber in einer weiteren Probe vor allem das Zusammenspiel von Schauspiel und Lichtwechsel exakt abgestimmt werden.
Sie habe dieses Stück ausgewählt, „weil mich mit Theo Fransz eine sehr lange Arbeitsbeziehung verbindet. Er und seine Stücke sind ein wichtigster Grund, dass ich mich für Theater für junges Publikum entschieden habe. Er hat eine Art, Themen anzusprechen, die nicht immer so leicht verhandelbar sind für Kinder – in SCHWESTERN etwa den Tod einer der beiden Schwestern. Bei der damaligen Erstaufführung in Berlin, bei der Theo Fransz selbst Regie führte, habe ich intensiv mitwirken dürfen. Seine Stücke haben eine große Poesie und Magie. Große oder auch schwere Themen wie Verlust, Existenz, Vergangenheit, Gefühle, Schmerz, Familiengeschichten erzählt er mit Humor und doch einer Leichtigkeit. In „Liebe Grüße… oder wohin das Leben fällt“ geht’s ja auch um die immer kränker werdende Oma, wo aber so viel Liebe in den Figuren steckt in der Verbindung zwischen den handelnden Menschen über die Generationen hinweg. Diese magischen Zeitreisen ermöglichen, diese großen Themen anzugehen, ohne, dass sie Ballast haben.
Aufmerksam wurde ich auf dieses Stück, da es mit dem deutschen Kindertheaterpreis ausgezeichnet wurde, und jetzt freue ich mich mit diesem Stück Theo Fransz als Autor ans Burgtheater zu holen und gleichzeitig wieder an meine Wurzeln im Theater für junges Publikum anzuknüpfen.“
KiJuKU: Wie ist es, nicht nur einen Zehnjährigen zu spielen, sondern einen Buben, der noch dazu mit seinem eigenen Vater im Konflikt liegt, weil der beansprucht, ein Kind, ebenfalls von zehn Jahren zu sein?
Lukas Vogelsang: Ich finde, das mit den Zeitreisen ist total spannend gemacht. Theo Fransz versteht die Welt und die Sprache von Kindern sehr gut, finde ich. Sobald du diesen Text liest, geht’s so schnell, dich da rein zu finden – in diese Naivität, dieses Wunder und eben wie Anja sagte, diese Magie.
Interessant ist auch, was du über die Beziehung lernst, wenn du deinem eigenen Vater in seiner Kindheit begegnest, was das mit dir als Kind macht, du wächst da vielleicht noch daran. Es fühlt sich jeden Tag gut an, in diese Welt, in diese Stimmungen reinzuspringen.
Anja Sczilinski: Das Stück verfolgt ja keinen Realismus.
Lukas Vogelsang: Das ist auch das Schöne an diesem Stück, dass man’s nicht „verstehen“ muss – es ist eher so ein emotionaler Weg. Dadurch entsteht auch die Magie von der Anja redet.
Anja Sczilinski: Für mich ist das auch der Reiz des Stückes, etwas nicht Erklärbares zu haben – und wenn man’s erklären müsste, spielt es für mich mit der Fantasie von Moritz. Er nimmt uns – und das steht auch am Beginn des Stückes, wo er sich ans Publikum wendet – mit auf seine Reise.
Sczilinski, die wie schon erwähnt, die Kinder- und Jugendschiene, das Burgtheater Studio künstlerisch leitet, nennt für diese Saison als weitere inhaltliche Schwerpunkte den Dialog der Generationen – wie eben „Liebe Grüße oder wohin das Leben fällt“, Premiere 17. September, Vestibül, ebenso wie die Klimakrise – „solastalgia von Thomas Köck, Premiere ebenfalls dieses Wochenende (16. September, Kasino) aber auch soziale Verwerfungen sowie Kinder-. und Jugendarmut. Im Statement anlässlich der Programmpräsentation in der Vorwoche sagte sie: „Gerade in Zeiten wie diesen brauchen wir mehr denn je Theater für junges Publikum. Mit dem Burgtheaterstudio schaffen wir einen Ort der Begegnung, des Austauschs und des Miteinanders. Wir fördern Gedankenexperimente, Dialog zwischen den Generationen und Diskurs. Unsere junge Generation stellt kritische Fragen, adressiert die fehlerhaften Entscheidungen früherer Generationen, die Klima- und Wirtschaftskrise und soziale Ungerechtigkeit und Diskriminierung… wir verhandeln genau diese brennenden Themen unserer Zeit, geben all diesen Fragen Raum. Mitspracherecht und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an künstlerischen Schaffensprozessen stehen diese Saison besonders im Vordergrund.“
von Theo Fransz
Aus dem Niederländischen: Andrea Kluitmann
Ab 8 Jahren;
Regie: Anja Sczilinski
Mathilde: Dunja Sowinetz
Fabian, ihr Sohn: Rainer Galke
Moritz, ihr Enkel: Lukas Vogelsang
Dramaturgie: Andreas Karlaganis
Bühnenbild: Anneliese Neudecker
Bühnenbild-Mitarbeit: Anna Reichmayr
Kostüme: Lili Wanner
Musik: Hans Wagner
Licht: Bernardin Balukčić
Ton: Andreas Zohner
Regie-Assistenz: Mira Traxler
Inspizienz: Bianca Eibensteiner
Soufflage: Yasmine Steyrleithner
Nächste Termine
19., 29. September 2023
5. Oktober 2023
Weitere Spieltermine in dieser Saison
Burgtheater Studio: Vestibül: 1010, Universitätsring 2
Telefon: 01 51 444 4545
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