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Szenefoto aus "Don Karlos" in den Wr. Neustädter Kasematten
Szenefoto aus "Don Karlos" in den Wr. Neustädter Kasematten
28.03.2023

Wie wichtig Glaubwürdigkeit sein kann

„Don Karlos“-Version beim Festival „Europa in Szene“ in den Wr. Neustädter Kasematten.

„Geben Sie Gedankenfreiheit.“ – Dieses kurze Zitat aus dem Dialog von Marquis Posa mit König Philipp II von Spanien (wozu auch Teile Italiens, die Niederlande, Teile des heutigen Belgiens und die Kolonien in Südamerika und Indien gehörten) ist wohl das bekannteste aus dem recht langen Stück Friedrich Schillers „Don Karlos“. Der Titelheld ist Sohn des autoritär herrschenden Königs, aber auch engster Freund von Marquis Posa. Und er versucht den Königssohn davon zu überzeugen, sich ebenfalls für die aufständischen Protestanten in Flandern gegen den König und die brutale Inquisition der katholischen Kirche einzusetzen.

Don Karlos ist ohnehin nicht gut auf seinen Vater zu sprechen, hat der ihm doch seine große Liebe, Königin Elisabeth ausgespannt und geheiratet. Dessen einziges Gefühl, über das er zu verfügen scheint, ist nichts als Macht.

Szenefoto aus
Szenenfoto aus „Don Karlos“ in den Wr. Neustädter Kasematten

Kurzweilig und Rap-Songs

Das Drama in dem sich Vieles um Intrigen, (verschmähte) Liebe und um so viele Briefe – klar vor fast 250 Jahren gab es weder SMS noch digitale soziale Netzwerke (obwohl die allgegenwärtige Überwachung am königlichen Hof mittels Kameras und Monitoren stattfindet) – geht, dass fast schon der Überblick verloren zu gehen droht, ist noch bis 2. April im Rahmen des „Europa in Szene“-Festivals der „wortwiege“ in den Wr. Neustädter Kasematten zu erleben. Obwohl selbst die um etliche (Neben-)Figuren und insgesamt stark gekürzte Fassung, fast drei Stunden (eine Pause) dauert, gelingt es der Regie und Spielfassung von Dávid Paška (Dramaturgie: Marie-Therese Handle-Pfeiffer) und vor allem der herzhaften Spielfreude des kleinen Ensembles keine Langeweile aufkommen zu lassen. Dazu tragen sich auch immer wieder eingestreute Songs (Musik: Moritz Geremus), teils in Rap-Manier (Lukas Haas), bei.

Die Figuren und ihre Darsteller:innen

Lukas Haas spielt einen irgendwie herrlich verwirrten, sich in der Liebe zu seiner nunmehr Steifmutter verzehrenden und nicht nur deswegen zu seinem Vater in Opposition stehenden jungen Mann. Der zeigt sich empfänglich für die demokratische Haltung seines sehr kämpferischen Freundes Posa Luka Vlatković, der den Typus des glaubwürdigen politisch Engagierten überzeugt verkörpert – bis zur Selbstaufgabe. Und vor allem auch im Gespräch mit dem autoritären, abgehobenen König (Jens Ole Schmieder), der dennoch unglücklich wirkt, weil er niemandem wirklich vertrauen kann, sondern nur dank seiner Macht „beliebt“ ist. Da schätzt er die Offenheit und Ehrlichkeit, des Posa – auch wenn dieser im Widerspruch zu ihm steht. Im Gegensatz dazu spielt Judith Richter den hartherzigen, ja blutrünstigen Aufstands-Unterdrückenden königlichen Vollstrecker Herzog von Alba, Saskia Klar hingegen die doch mit der Demokratiebewegung sympathisierende Königin Elisabeth. Katharina Rose schlüpft in die Rolle von Prinzessin von Eboli, die in Don Karlos verlieb ist, ihn zum Rendevouz bestellt und meint, er erwidere ihre Gefühle. Als sie draufkommt, der will nur was von ihrer engen Vertrauten, der Königin, wird sie Teil des Intrigantenstadels. Als siebente Figur kommt Großinquisitor Horst Schily nur zu einem kurzen, harten Einsatz in den letzten Minuten, in denen er allerdings die anderen Mitspieler:innen zu Adlat:innen beim Tragen der Sänfte des Herrschers bringt.

„Erweiterte“ Bühne

Julius Leon Seiler nutzte die verspiegelte Rückwand in der dritten Röhre der Kasematten um seine Bühne – in der ersten Hälfte Regale voller Aktenordner und Unterlagen von Überwachungen – fast endlos zu erweitern – bis ins Publikum, das sich gespiegelt sieht.

Und trotz des stark auch mit der realen Geschichte verknüpften Stücks gelingt es der Inszenierung und den Spieler:innen allgemeine zeitlose Themen zum Klingen zu bringen ohne platt aktuelle Bezüge herzustellen: Wie wichtig Glaubwürdigkeit beim Vertreten eigener Positionen sein könnte und wie notwendig der Kampf um „Gedankenfreiheit“ (wieder) wird, wenn es allüberall autoritäre Tendenzen gibt.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Don Karlos

Friedrich Schiller
Regie und Spielfassung: Dávid Paška

König Phillip II: Jens Ole Schmieder
Königin Elisabeth: Saskia Klar
Don Karlos: Lukas Haas
Prinzessin von Eboli: Katharina Rose
Marquis von Posa: Luka Vlatković
Herzog von Alba: Judith Richter
Großinquisitor: Horst Schily

Bühne: Julius Leon Seiler
Kostüm: Maria-Lena Poindl
Musik: Moritz Geremus
Rap-Songs: Lukas Haas
Licht: Lukas Kaltenbäck
Maske: Henriette Zwölfer

Dramaturgie: Marie-Therese Handle-Pfeiffer
Ausstattungsassistenz, Inspizienz: Julia Kampichler
Bühnenmeister: Christoph Wölflingseder
Produktion: Christian Mair
Künstlerische Leitung: Anna Maria Krassnigg
Eine Produktion der wortwiege

Wann & wo?

Bis 2. April 2023
Kasematten Wr. Neustadt: 2700, Bahngasse 27
wortwiege -> Don-karlos

Trailer