Mit „Maurer.Kafka.Komisch“ im Wiener Rabenhof Theater sorgt der Kabarettist für viele Lachen und vielleicht Einstieg in die Texte des genialen oft gar nicht lustigen Autors.
„»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so weit, dass ich Angst davor hatte, dann lief ich weiter, da stiegen schon rechts und links in der Ferne Mauern auf, und jetzt – es ist ja noch gar nicht lange her, seitdem ich zu laufen angefangen habe – bin ich in dem mir bestimmten Zimmer und dort in der Ecke steht die Falle, in die ich laufe.«
»Du musst die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie auf.“
Diese kleine Fabel – mehr als 100 Jahre alt und doch so voller aktueller gesellschaftspolitischer Assoziationen, die sofort als Bilder im Kopf entstehen, ist eines der Textstücke aus dem Programm „Maurer. Kafka. Komisch“ – einmal im Monat im Wiener Rabenhoftheater.
100 Jahre tot. Und so präsent wie kaum zuvor. Franz Kafka. Neben dem eben erwähnten Abend spielt das Burgtheater „Die Verwandlung“ (im Akademietheater), das Landestheater Niederösterreich „Der Prozess“ (in der Theaterwerkstatt); und schon davor startete das Theater der Jugend mit „Im Panoptikum des Franz K.“ (im kleineren Haus, dem Theater im Zentrum – Links zur Stückbesprechung und der Reportage über einen Probenbesuch hier in den Text eingestreut).
Der Titel des von Thomas Maurer zusammengestellten Abends ist Programm. Kafka demaskiert in etlichen Texten (Der Prozess“, „Das Schloss“ u.a.) überbordende Bürokratie (die er aus seinem Brotberuf als Jurist der Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen kannte), denen Betroffene ohnmächtig gegenüberstehen. Allein das ergibt schon immer wieder absurde, skurrile Situationen, die Kafka genial beschreibt – oft auch überhöht, sodass er ihre Lächerlichkeit – auch ganz ernst – preisgibt.
Darüber hinaus flossen nicht zuletzt oft aus seiner eigenen Zerrissenheit noch so manch komische Szenen – egal ob in literarischen Texten oder in seinen Tagebuch-Aufzeichnungen, mitunter auch in seinen Briefen – aus seinem Kopf mit der Hand aufs Papier.
Thomas Mauer landete übrigens gleich eingangs mit einer kleinen Realsatire Lacher. Selbst Qualitätsmedien hätten von seinem neuen Programm geschrieben, während es ausschließlich – mit Ausnahme einiger verbindender und überleitender Sätze – Original-Kafka ist. Die er allerdings lebendig werden lässt – unter anderem dadurch, dass er mit unterschiedlichen Sprach- und Stimmfärbungen verschiedene Protagonist:innen der Texte in Dialoge treten lässt.
Wie auch anderen Medien verriet Thomas Maurer Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… (diesfalls nach der heftig umjubelten zweiten Vorstellung), dass er seit gut eineinhalb Jahrzehnten die Idee zu einem solchen Abend hatte (ca. zwei Stunden, eine Pause). Er sei aber immer wieder zu faul dafür gewesen. Das sich am Horizont abzeichnende, nunmehrige, Kafka-Jahr hätte ihn zuerst bewogen, aus „Arroganz schon im Vorjahr mit diesem Programm rauszukommen, aber irgendwie ist sich’s dann doch nicht ausgegangen“.
Übrigens sitzt er ganz pur – genau gar nicht auf Kafka gestylt wie auf den Fotos des Theaters – an einem kleinen quadratischen Tischchen, Tablet, Mikrophon, Wasserkaraffe und -glas. Das war’s, ist’s. Und das wirkt so ausreichend überzeugend. Im zweiten Teil des Abends zwischen den oft recht kurzen Texten einfach Black, damit das Publikum weiß, wann der jeweilige Text zu Ende ist.
Obwohl ihm selbst komische Elemente und Passagen bei Kafka schon früh aufgefallen seien, konnte er – das gesteht Maurer – auf viel Vorarbeit aufbauen – von Günter Stolzenberg und seinem Buch „Der komische Kafka“. Dazu packte der Kabarettist unter anderem noch Szenen aus „Der Prozess“ ein und zitierte nicht zuletzt – dies kein Kafka-Text aus einem Brief von Kafkas Freundin und Verlobter (einer von vier im Laufe seines kurzen Lebens) an Max Brod. In diesem kommt das skurril-komische Zwanglertum ihres Freundes zum Ausdruck – sei hier aber nicht verraten.
So manch – von außen betrachtet und mit Distanz zu lesen oder noch dazu genial vorgetragen zu hören – wirkt auch in so einem Brief höchst amüsant. Für beispielsweise die unmittelbar Beteiligten wie die Autorin und Journalistin Milena Jesenská, die im Nazi-Konzentrationslager Ravensbrück 1944 ums Leben kam, muss es allerdings alles andere als zum Lachen gewesen sein.
Der sprachverspielte, tiefsinnige Autor dürfte als Mensch höchstwahrscheinlich nicht der angenehmste Zeitgenosse gewesen sein – ja, nein, vielleicht, doch nicht oder schon – etwa in der Ver- und Entlobung mit Felice Bauer, Zwanglertum, Manie, in allem eigenen Perfektions-Ansprüchen nie zu genügen… Aber davon sind jene, die Kafka-Texte heute lesen oder hören ja glücklicherweise nicht betroffen. Der von Thomas Maurer zusammengestellte Abend eignet sich neben dem herzhaften Lachen, das mitunter dann doch im Hals stecken bleibt, vielleicht auch dazu, das eine oder andere von Kafka zu lesen – oder Gelesenes leichter zu verstehen. Im Publikum saßen übrigens viele junge Zuschauer:innen, ganze Schulklassen – und das an einem Samstagabend!
Thomas Maurer gestaltete eine Abend mit humorvollen Texten von Franz Kafka; 2 Stunden (eine Pause)
24. Februar 2024
24. März 2024
29. April 2024
Rabenhof Theater: 1030, Rabengasse 3
Telefon: 01 712 82 82
rabenhoftheater -> maurerkafkakomisch
Texte: Franz Kafka
Anthologie, herausgegeben von Günter Stolzenberg
Der komische Kafka
Matrix Verlag
170 Seiten
Gebundenes Buch: 10 €
eBook: 7,99 €
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