Delegationen von Zapatistas in Wien gelandet, Kundgebungen beim Empfang. Eine andere Welt – von unten – ist möglich.
In den vergangenen Tagen kamen Gruppen von Zapatistas aus Mexiko in Wien an – wenige Tage zuvor wurden in Mexico zwei Mitglieder des „Rates der Guten Regierung“ entführt und verschleppt – einer der immer wieder stattfindenden Attacken gegen die Bewegung von unten – zu einer Protestnote geht es hier. Bei einer der Kundgebungen vor dem Flughafen Schwechat sprach einer der Vertreter der Bewegung der Indigenen, Kleinbäuer*innen usw., die in lokalen Initiativen und Gemeinden versuchen, gleichberechtigte, alternative Wirtschaften und Gesellschaften – im Einklang mit der Natur – aufzubauen und zu leben.
„Die Natur wird sterben, zu Ende gehen, und um Euch das zu sagen, sind wir gekommen. Auch wer es nicht glaubt, wird es noch erleben“, sagte Subcomandante Moisés. „Die Natur spricht zu uns, wenn wir sie verstehen. Die Natur lehrt uns, wenn wir begriffen haben, sie zu respektieren. Wenn nicht, wird sie uns zeigen, wie mächtig sie ist. Die Erdbeben werden stärken und diese Gebäude hier werden einstürzen, die Erde wird sich auftun, die Flüsse über die Ufer treten, und hier und in allen Städten wird sich das Land in Seen verwandeln. …
… Das ist nicht die Schuld der armen Leuten, nicht die Schuld von uns Frauen und Männern: Wir kennen den Namen des Schuldigen – es ist der Kapitalismus. Der Kapitalismus ist dabei, das Leben der Natur zu zerstören. … In absehbarer Zukunft werden wir die Veränderungen feststellen, die eine Folge der Zerstörung sind … Und wenn die Natur zürnt, kennt sie keinen Halt und fragt nicht danach wen sie trifft, und wen sie verschont. Arm oder reich, wer auch immer… wenn die Natur in Zorn gerät aufgrund der Zerstörungen die angerichtet werden, macht sie keine Unterschiede.
… Die Veränderung, die wir Armen der Welt wollen, ist eine wirkliche Veränderung. Und keine Veränderung, die den schlecht Regierenden und den Reichen gefällt. … Schwestern und Brüder, wir sind gekommen, um mit Euch darüber zu sprechen. Wir sind nicht gekommen, um uns an große Massen zu wenden, sondern um denen zuzuhören, die mit uns sprechen wollen, um zu erfahren, wie sie kämpfen, wie sie sich verteidigen und wie sie denken. Wir denken und wollen, dass sich unsere Augen und unser Bewusstsein öffnen müssen – auf dem Land genauso wie in der Stadt. Wir, die wir die Mutter Erde bearbeiten, die wir das Land bearbeiten, wir kennen viele Probleme von Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Armut und Ungleichheit. Und das macht uns wütend und zornig, denn wir erleiden das schon seit vielen, langen Jahren. Aber Schwestern und Brüder in den Städten, die Arbeit, die wir machen, leisten wir auf dem Land, auf der Mutter Erde. Und von all den Früchten dieser Arbeit leben wir – auf dem Land genauso wie in der Stadt.
… Seht zum Beispiel diese Kekse. Ich stelle mir vor, sie bestehen aus Weizen oder Reis oder Mais. Aber woher kommt der Mais, der Weizen oder der Reis? Er kommt von der Erde, oder irre ich mich? Und davon essen auch die Brüder und Schwestern in der Stadt. Und die Brüder und Schwestern in der Stadt arbeiten z.B. als Sekretär*innen oder Buchhalter*innen in diesen großen Gebäuden, um etwas zu verdienen. Was ich ihnen sagen möchte, ist das: Wenn wir uns als Menschen, die wir sind, auf diesem Planeten Erde nicht verstehen – dann fangen wir an, wütend zu werden und beginnen zu sagen: „Das sind Faulpelze, die wollen bloß nicht arbeiten!“
Wenn die Indigenen, Kleinbäuerinnen und Landarbeiterinnen kämpfen wegen all dem, von dem ich Euch erzählt habe, wenn sie ihre Blockaden machen und all das, dann deshalb, weil es sonst nicht sichtbar wird, wie die Arbeitenden am Land leiden. Denn es ist ja nicht das Gleiche in der Stadt oder auf dem Land zu arbeiten. Wir haben nur einen eingeschränkten Blick auf diejenigen, die im Büro arbeiten, aber auch sie werden ausgebeutet.
… Wir müssen die Mutter Erde gemeinsam verteidigen und bewahren. Denn sie ist es, die uns Leben gibt – tatsächlich und wirklich. Und nicht das, was der Kapitalismus vorgibt, dem es nur darum geht, dass das Geld regiert, und für den das Geld die Macht und die Herrschaft bedeutet.
Für uns Zapatistas, Frauen und Männer, geht es darum: Wir müssen etwas tun – denn die schlecht Regierenden werden nichts machen. Sie werden einfach nur zuschauen bei allem, was passiert. Alles was gegenwärtig und in den letzten Wochen und Monaten passiert ist – und was wegen der Zerstörung passiert und aufgrund der Reaktion der Mutter Natur – zeigt uns, dass es noch schlimmer kommen wird. Wenn wir endlich feststellen, dass es in unseren Städten nie zuvor gesehene Überschwemmungen gibt, dann werden wir sagen: Wir werden niemals zulassen, dass der Kapitalismus, dessen Namen wir schon so oft erwähnt haben, mit seiner Zerstörung fortfährt.
Schwestern und Brüder, wir zapatistische Frauen und Männer sind hier, weil es unsere Compañeras und Compañeros im Kampf gefallen sind. Sie sind in der Morgendämmerung des Jahres 1994 gefallen – als wir losgezogen sind, um gegen die schlechte Regierung zu kämpfen. Wir sind hier dank unserer Compañeras und Compañeros, die im Widerstand und in der Rebellion gefallen sind. Und unser Widerstand und unsere Rebellion besteht darin, dass wir uns selbst regieren wollen. Wir wollen nicht töten, und wir wollen nicht sterben. Aber das Problem besteh darin: Sie geben uns keine Chance, das zu tun, was wir als Frauen und Männer tun wollen.
Das, was wir im Laufe dieser 28 Jahre getan haben, besteht darin: Wir schießen nicht, wir töten nicht. Wir wollen nicht sterben, wir wollen das Leben. Und wir werden dort weiter machen, wo wir jetzt stehen. Und wir denken, dass es die Armen der Welt so machen sollten; jede und jeder in ihren und seinen Geographien und Kalendern, wie wir es eben ausdrücken. Unsere gefallenen Compañeras und Compañeros haben uns gesagt: „Eines Tages werden wir zu unseren Geschwistern auf der Welt sprechen müssen.“ Wir haben nicht gedacht, dass wir dafür nach Wien kommen würden. Und jetzt sind wir hier in Wien, der Hauptstadt Österreichs. Und wir werden in andere Welten gehen – dorthin, wo wir eingeladen werden, so wie wir hier her eingeladen wurden. Das ist anstrengend, aber so ist das für diejenigen, die kämpfen wollen.
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