Podiumsdiskussion am internationalen Roma-Tag im Wiener Jazzlokal Porgy & Bess.
Während Jüdinnen und Jugend schon früh die Verfolgung an ihnen zu dokumentieren begannen und darauf nach dem Holocaust Forschungen aufbauen konnten, war die systematische Vernichtung von Romn:ja und Sinti:zze seeeeehr lange ein Tabu. Kein Thema. Kaum Unterlagen dazu. Wissen über die Volksgruppe hinaus noch weniger. Ja nach 1945 wurde die Verfolgung unter anderen Vorzeichen beispielsweise in Österreich sogar gesetzlich weiter geführt, wenngleich nicht tödlich.
Vor diesem Hintergrund diskutierten am Internationalen Roma-Tag 2024 – weitere Berichte am Ende dieses Beitrages verlinkt – unter der Leitung von Mirjam Karoly, Politologin und Ende des Vorjahres Leiterin der Kontaktstelle für Roma- und Sinti-Fragen beim OSZE Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte, Anja Reuss (Historikerin, spezialisiert auf NS-Geschichte und Genozid-Forschung, seit zwei Jahren im Antiziganismus-Büro; Berlin), Mirjam Zadoff (Historikerin und Direktorin des Dokumentationszentrums, München) sowie der bekannte Schriftsteller und Historiker aus Wien, Doron Rabinovici.
Trotz der unterschiedlichen Ausgangslagen dieser beiden Gruppen von Opfern (nicht erst) des Faschismus und vielleicht da und dort einer Art Opfer-Konkurrenz, brachten die Teilnehmer:innen etliche Beispiele für genau das Gegenteil: Opfer-Solidarität. So verwies Zadoff auf das im Vorjahr erschienene Werk von Ari Joskowicz „Rain of Ash“. In diesem heißt es unter anderem: „Juden und Roma starben gemeinsam durch die Hand der selben Mördern, oft auf genau den selben Plätzen. Doch die Welt anerkennt ihre Zerstörung nicht gleichermaßen. In den Jahren und Jahrzehnten nach dem Krieg erregte die jüdische Erfahrung des Völkermords zunehmend die Aufmerksamkeit von Rechtsexperten, Wissenschaftlern, Pädagogen, Kuratoren und Politikern, während der Völkermord an den europäischen Roma weitgehend ignoriert wurde.“ Rain of Ash ist die unerzählte Geschichte, wie Roma sich an jüdische Institutionen, Finanzierungsquellen und professionelle Netzwerke wandten, um Anerkennung und Entschädigung für ihr Kriegsleid zu erhalten.
Doron Rabinovici merkte an, dass die Jüdin Selma Steinmetz, als eine der ersten Mitarbeiter:innen des Dokumentationsarchivs des Widerstandes (DÖW) immer wieder Ende der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zu Recherchereisen ins Burgenland gefahren ist, um in den Gemeinden und Orten nach Spuren bzw. Zeug:innen der Verfolgung von Roma und Sinti durch die Nazis zu forschen.
Am 8. April 1971 beschlossen 23 Vertreter*innen aus 9 Ländern bei der ersten internationalen Roma-Konferenz in London. Dabei sprachen sein sich gegen die Bezeichnungen Gipsy bzw. Zigeuner aus und setzten dem den Begriff Roma entgegen. 1990 bei der vierten Weltkonferenz in Serock (Polen) sprachen sich die Teilnehmer:innen dafür aus, den 8. April zum internationalen Aktionstag zu machen: „Opre Roma! Erhebt euch Roma!“
Dabei beschlossen sie unter anderem eine gemeinsame Hymne: „Đelem, đelem“ bzw. „Gyelem gyelem“ und eine…
… oben: blauer Himmel, unten: grüne Erde sowie ein rotes diese beiden Flächen verbindendes Chakra bzw. Speichenrad
„Porajmos“ – das Romanes-Pendant zur Shoah an Jüd:innen – ist auch fast acht Jahrzehnte nach dem Ende der faschistischen Diktatur der Nazi fast so etwas wie ein unsichtbarer Völkermord, dem rund eine halbe Million Menschen dieser Volksgruppen zum Opfer gefallen sind.
Spät, aber immerhin im April 2015 beschloss das europäische Parlament, der 2. August sollte zum europaweiten Gedenktag werden. Anlass ist die sogenannte „Z-Nacht“, in der im Vernichtungslager Auschwitz vom 2. auf den 3. August 1944 auf einen Schlag etwa 4300 Angehörige der Roma und Sinti ermordet worden sind. In Wien wird seit 2015 auf dem Ceija-Stojka-Platz (Wien-Neubau) dieser Mordnacht und dem Völkermord gedacht, immer wieder unter dem Motto: „Dikh he na bister – Schau und vergiss nicht“.
2004 hatte das ukrainische Parlament einen Gedenktag für den Völkermord an Roma beschlossen. Heute gibt es ihn offiziell in einigen Ländern, etwa Polen, der Slowakei und sogar Ungarn, in dem Roma heftig diskriminiert werden, ist es ein amtlicher Gedenktag. Anfang Februar 2023 hat der österreichische Nationalrat einstimmig den 2. August als internationalen Gedenktag ratifiziert.