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Erfolgreiche Praxisbeispiele präsentiert von Tina Friedreich, Csilla Höfler, Barbara Karlich (die den gesamten Nachmittag moderierte), Alysea Nardai und Žaklina Radosavljević
Erfolgreiche Praxisbeispiele präsentiert von Tina Friedreich, Csilla Höfler, Barbara Karlich (die den gesamten Nachmittag moderierte), Alysea Nardai und Žaklina Radosavljević
09.04.2024

Roma-Fahnen am Wiener Rathaus, Festveranstaltung im Parlament

Einige der Aktivitäten zum Internationalen Roma-Tag in Wien.

Himmelblau oben, darunter wiesen- bzw. waldgrün unten und in der Mitte das rote Speichenrad – die Roma-Flagge – in zweifacher senkrechter Ausführung wurde vor dem Seiten-Eingang zum Wiener Rathaus gehisst – anlässlich des internationalen Roma-Tages am 8. April (in dem Fall 2024).

Roma-Flaggen beim Rathaus-Eingang
Roma-Flaggen beim Rathaus-Eingang

Wenige Geh-Minuten entfernt, füllten sich praktisch zeitgleich die Reihen der Abgeordneten-Sessel im Nationalrats-Sitzungssaal – vor allem mit Aktivist:innen verschiedenster Vereine und Initiativen von Rom:nja und Sinti:zze, aber auch beispielsweise dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, Vertretungen der tschechischen und slowakischen Schule Komenský in Wien, der österreichischen Ungar:innen und viele mehr. Und dazu in Reihe 1 auch noch hochrangige Politiker:innen: Nationalratspräsident Wolfgang Sobokta, Ministerin Susanne Raab, die für Frauen, Familie, Integration und Medien verantwortlich ist sowie der Präsident des burgenländischen Landtages Robert Hergovich.

Gedenktage

Wird am 2. August, der seit dem Vorjahr endlich auch in Österreich ein offizieller Gedenktag ist, an dem Porajmos (Gegenstück zum Holocaust) gedacht, weil in der Nacht vom 2. auf den 3. August im Nazi-Konzentrationslager Auschwitz allein mehr als 3000 Angehörige dieser Volksgruppen ermordet worden sind, ist der 8. April der Internationale Roma-Tag. Es ist sozusagen das Gegenteil: Gedenken an Widerstand, Kampf um Anerkennung und Zeichen von entstandenem Selbstbewusstsein.

Anlass: Am 8. April 1971 kamen rund zwei Dutzend Vertreter:innen aus 9 Ländern bei der ersten internationalen Roma-Konferenz in London zusammen, setzten den Begriff Roma dem – selbst heute noch immer verwendeten Z-Wort bzw. dem englischen Pendant – entgegen. „Rom“ heißt übrigens Mensch in Romanes/Romani.

Außerdem beschlossen die Konferenzteilnehmer:innen die gemeinsame Flagge (siehe erster Absatz) sowie die Hymne „Đelem, đelem“. Letztere erklang – gespielt wie zuvor andere musikalische Beiträge von der Leon Berger Band – übrigens zum Abschluss der Festveranstaltung im Parlament, die unter dem Titel „RomnjaKraft.Sor – Erinnerung – Wandel – Aufbruch stand.

Mehr Frauen!

Aus dem Burgenland kam auch die Festrednerin Manuela Horvath, Mitglied im Volksgruppenbeirat der Roma, die vor allem von Vereinen und Organisationen der eigenen Volksgruppe forderte, mehr Frauen mit verantwortlichen Funktionen zu betrauen. Und sie hob drei Pionierinnen im Kampf um die Anerkennung von Romn:ja und Sinti:zze als Volksgruppe hervor: Neben der sehr bekannten Malerin, Schriftstellerin, Aktivistin Ceija Stojka, die überhaupt als eine der ersten über die systematische Verfolgung und Ermordung im Faschismus – rund eine halbe Million Menschen – sprach, schrieb und malte, nannte Horvath die Sinti-Aktivistin Rosa Gitta Martl sowie eine der Burgenland-Rom:nja-Vorkämpferin der ersten Stunde Susanne Baranyai.

Gute Praxisbeispiele

Manuela Horvath hatte sich auch stark gemacht dafür, dass im Zentrum der Veranstaltung ein Podiumsgespräch stand – zu Wandel und Aufbruch; mit vier Frauen, die von erfolgreichen Projekten berichteten: Csilla Höfler (EMRO, Caritas Steiermark), Žaklina Radosavljević (Vivaro, Wien), Tina Friedreich (Romn:ja-projekte, Caritas Graz) sowie Alysea Nardai (Aktivistin und angehende Elementarpädagogin, BAfEP Oberwart). Pflege und Förderung der eigenen Sprache, die ja auch zu den anerkannten und damit verfassungsmäßig garantierten Volksgruppen-Sprachen gehört, Informationen auch in dieser Erstsprache, Beratung eben durch Angehörige der Volksgruppe, so dass diese auch Vertrauen haben und sich auch mit tabuisierten Themen wie familiäre, sexuelle Gewalt oder Zwangsehen an sie wenden können, kamen zur Sprache.

Dieses Frauen-Empowerment freute Ministerin Susanne Raab in ihren Grußworten, wenngleich sie bald danach weg musste, und die Beispiele nicht mehr hören konnte. Als auch für Medien zuständige Ministerin freute sie, dass der Anteil der ORF-Sendungen in Volksgruppensprachen erhöht wurde. Nun ja, vielleicht fließen solche ja auch in die Debatte um die „Leitkultur“ ein?!

Politik

Und schon da, vor allem dann aber auch in der Runde mit Bereichs-Sprecher:innen von vier der fünf Parlamentsparteien (die FP-Vertreterin war kurzfristig erkrankt) kam – von Grünen und Neos – die Forderung, die kürzest zusammengefasst lautet: Nicht über uns ohne uns.

Nationalratspräsident Sobotka hatte in seinen wertschätzenden Begrüßungsworten, in denen er auch auf internationale Zusammenarbeit und Erstellung von Geschichtsbüchern für Schulen – gemeinsam mit Tschechien, Slowenien und der Slowakei – sprach, doch beispielsweise ein paternalistisch angehauchtes Verständnis – Raum und Zeit geben – durchklingen lassen. Die Angehörigen von Volksgruppen – nicht nur der Rom:nja und Sinti:zze – möchten aber nicht nur angehört oder zu Wort gekommen lassen werden, sondern mitgestalten und mitsprechen. Es bräuchte im Parlament auch einen Volksgruppen-Ausschuss, wenn es schon einen Südtirol-Ausschuss gebe.

Erfreuliches konnte Sobotka aber doch zu Beginn schon berichten: Der jahrelange Kampf der Romn:ja und Sinti:zze um ein zentrales Mahnmal für die Volksgruppen-Opfer des Faschismus scheint nun tatsächlich näher zu rücken. Zwar war es von Politiker:innen schon jahrelange bei den Gedenkveranstaltungen am 2. August am Ceija-Stojka-Platz versprochen worden, aber nun dürfte es – noch dazu in der Nähe des Parlaments – am Schmerlingplatz – real werden.

Schul-Material

Der Historiker Herbert Brettl stellte bei der Veranstaltung im Parlament das Projekt DERLA (Digitale ERinnerungsLAndschaft) vor. Sowohl analog vor Ort als auch online aus dem Klassenzimmer könnte so die Beschäftigung mit Verbrechen in der Zeit des Faschismus in der jeweiligen Gemeinde, Stadt usw. erfolgen. Zu finden sind interaktive Karten der Erinnerung, ein Archiv der Namen, Wege der Erinnerung in Form digitaler Rundgänge) sowie Vermittlungsarbeit für den Unterricht. Der Mitarbeiter von erinnern.at nannte u.a. die drastischen Zahlen, dass von den rund 8.500 Rom:nja 1937 nach dem Ende des Faschismus nur 500 überlebt hatten. Und dass es in so manchen Gemeinden auch danach bis zu 20 Jahre dauerte, bis endlich Gedenk- und Erinnerungstafeln oder andere Zeichen gesetzt werden konnten. Es hatte ja sogar fast 40 Jahre nach 1945 gedauert bis zur ersten Gedenktafel beim Lager Lackenbach (1984).

Am Abend fand dann – auch traditionellerweise im Porgy & Bess eine mehrteilige Veranstaltung statt – Berichte folgen.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Internationaler Roma-Tag

Am 8. April 1971 beschlossen 23 Vertreter*innen aus 9 Ländern bei der ersten internationalen Roma-Konferenz in London. Dabei sprachen sein sich gegen die Bezeichnungen Gipsy bzw. Zigeuner aus und setzten dem den Begriff Roma entgegen. 1990 bei der vierten Weltkonferenz in Serock (Polen) sprachen sich die Teilnehmer:innen dafür aus, den 8. April zum internationalen Aktionstag zu machen: „Opre Roma! Erhebt euch Roma!“

Hymne

Dabei beschlossen sie unter anderem eine gemeinsame Hymne: „Đelem, đelem“ bzw. „Gyelem gyelem“ und eine…

… Flagge

… oben: blauer Himmel, unten: grüne Erde sowie ein rotes diese beiden Flächen verbindendes Chakra bzw. Speichenrad

Internationaler Gedenktag an Porajmos

„Porajmos“ – das Romanes-Pendant zur Shoah an Jüd:innen – ist auch fast acht Jahrzehnte nach dem Ende der faschistischen Diktatur der Nazi fast so etwas wie ein unsichtbarer Völkermord, dem rund eine halbe Million Menschen dieser Volksgruppen zum Opfer gefallen sind.

Spät, aber immerhin im April 2015 beschloss das europäische Parlament, der 2. August sollte zum europaweiten Gedenktag werden. Anlass ist die sogenannte „Z-Nacht“, in der im Vernichtungslager Auschwitz vom 2. auf den 3. August 1944 auf einen Schlag etwa 4300 Angehörige der Roma und Sinti ermordet worden sind. In Wien wird seit 2015 auf dem Ceija-Stojka-Platz (Wien-Neubau) dieser Mordnacht und dem Völkermord gedacht, immer wieder unter dem Motto: „Dikh he na bister – Schau und vergiss nicht“.

2004 hatte das ukrainische Parlament einen Gedenktag für den Völkermord an Roma beschlossen. Heute gibt es ihn offiziell in einigen Ländern, etwa Polen, der Slowakei und sogar Ungarn, in dem Roma heftig diskriminiert werden, ist es ein amtlicher Gedenktag. Anfang Februar 2023 hat der österreichische Nationalrat einstimmig den 2. August als internationalen Gedenktag ratifiziert.

voiceofdiversity.at

hoer-info.at

HÖR-Video zu 30 Jahre Anerkennung der Volksgruppe

romasintigenocide.eu/de/