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Szenenfoto aus "Warte, bis es dunkel ist!"

Allein die Blinde hat den „Durchblick“

Alles dreht sich um eine mysteriöse Puppe. Fotograf Sam Hendrix hat sie von einem Flug von Kanada nach New York von einer Sitznachbarin im Flugzeug ausgehändigt bekommen, mit der Bitte, dass sie diese bei ihm später abholen könnte. Plötzlich ist die Puppe weg. Die Frau, die sie holen wollte, liegt ermordet in einem Müllcontainer in der Nähe. Sam wird zu Fotoshootings am Rande der Stadt gerufen. Bei Susy Hendrix tauchen dauernd Leute auf, die ebenfalls die Puppe wollen.

Szenenfoto aus
Szenenfotos aus „Warte, bis es dunkel ist!“…

Mehrmals scheint alles ganz anders

Plötzlich scheint Sam verdächtig. Turbulentes Hin und Her, so manche der Figuren sind nicht solche für die sie lange gehalten werden… – das zu verraten würde aber schon einen Gutteil der Spannung des mehr als zweistündigen Abends mit so mancher Wendung samt einigen Leichen zerstören. Auch wenn manche vielleicht die Story von „Warte, bis es dunkel ist!“ von Frederick Knott (erste Filmversion: 1967; Regie: Terence Young; Drehbuch: Robert Carrington; u.a. mit Audrey Hepburn, die für ihre Hauptrolle für einen Oscar nominiert war; und Remake als „Das Penthouse“, 2013) kennen könnten.

Wer gehört zu den Guten, wer eher zu den Bösen, wer hat was getan oder nicht – das wogt bei Nicht-kennen der Story ganz schön hin und her. Die Schauspieler:innen, vor allem Marion Rottenhofer als Maggie Talman und Nagy Vilmos als Carlino, lassen da das Publikum aber auch ganz schön im Dunklen tappen. Nur Edward Lischka als Roat ist zwar wandelbar in seinem Auftreten, aber bald als einer der Bösewichte durchschaut.

Szenenfoto aus
Szenenfotos aus „Warte, bis es dunkel ist!“…

„Durchblickerin“

Durchschaut vor allem von Elisabeth Kofler als Susy Hendrix. Sie ist die Ehefrau des Fotografen und als Figur (nicht als Schauspielerin) blind. Aber nicht, wie in der Version von vor mehr als einem halben Jahrhundert hilfsbedürftig, sondern sehr tough und eigenständig. Und so kann sie, was Menschen, die nichts sehen, zumeist sich angeeignet haben: Viel genauer hören. So checkt Susy, die erst vor recht kurzer Zeit bei einem Unfall erblindete, dass ein alter Mann, der bei ihr auftaucht, derselbe ist wie der junge, anfangs verklemmte musterschülermäßige und später forsche Böse Mister Roat – allein am Geräusch seiner Schuhe erkennt sie, dass es sich um ein und denselben Typen handelt. Kofler spielt diese Hauptfigur so, dass manche im Publikum zumindest zeitweise dachten oder wenigstens darüber grübelten, ob die Schauspielerin wirklich selber blind ist.

Teamfoto - samt Beteiligten hinter und vor der Bühne - von
Teamfotos – samt Beteiligten hinter und vor der Bühne – von „Warte, bis es dunkel ist!“…

Fachliche Beratung über Expertin

Ist sie nicht. Er habe aber, so Regisseur Christoph Prückner, nach der vielumjubelten Premiere im großen Saal des Theater Center Forum in Wien-Alsergrund, auf Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „sehr lange gesucht, aber in Österreich keine einzige blinde Schauspielerin gefunden, es gibt nicht einmal eine in Ausbildung.“

Was der Regisseur – und das gesamte Team – aber gemacht haben: Hilfe geholt bei einer Expertin: Janine Zehe. Sie ist Sprecherin von Hörspielen, arbeitet in der Hörbücherei des BSVÖ (Blinden- und Sehbehindertenverband Österreichs), kommt aus Hamburg, wo sie „semiprofessionelle Schauspielerin für sehende Profis und blinde Laien“ war. Was übrigens noch immer – wie sie KiJuKU verrät – ihre Leidenschaft ist. Singen gehört auch dazu, und sofort gibt sie eine Kostprobe ihres Könnens, aus dem Sitz heraus, ohne Einsingen – dem Ensemble, das sich zum Nachgespräch mit dem Reporter auf der Bühne versammelt hat, stockt der Atem, der Journalist bekam, wie er gestand, Gänsehaut.

Szenenfoto aus
Szenenfotos aus „Warte, bis es dunkel ist!“…

Audio-Deskription für alle

Janine Zehe fungiert in diesem Theaterstück als Erzählerin, hat die entsprechenden, getakteten Texte, als Sprecherin vorher aufgenommen und gegen Ende der proben auch als Korrektiv der Inszenierung agiert.

Denn diese Aufführung wurde vom Regisseur von Anfang an gedacht als eine, die blinde und sehende Menschen gemeinsam erleben können. So manches Theater bietet eine Handvoll Aufführungen pro Saison mit Audio-Deskription an. Blinde und sehschwache Besucher:innen kriegen einen Knopf ins Ohr und das Bühnengeschehen wird für sie beschrieben. Hier ist jede Vorstellung gleich – und für Sehende vielleicht anfangs gewöhnungsbedürftig.

Total schwarzes Feld
Total schwarzes Feld

Ganz dunkel

So bleibt es gleich zu Beginn einmal zappenduster, sogar die Notbeleuchtung geht aus. Und für alle ist Zehes Stimme zu hören, die beschreibt, dass der Vorhang noch zu ist, nun aufgeht, ein wenig Licht angeht samt Beschreibung dessen, was auf der Bühne so herumsteht – von der Couch bis zum Kühlschrank, einigen Treppen bis zur Eingangstür und einer halb-offenen Tür zu einem weiteren Raum… (Bühne: Erwin Bail) – eine Art „bebildertes Hörspiel“ wie es der Regisseur nennt.

So und ähnlich spielt es sich den ganzen Abend ab, bis hin zur Ausstattung mit weißen Fotos an der Wand und einer unbedruckten Zeitung– und somit ist dieser ziemlich innovativ – für Österreich, Inklusion einmal von der anderen Seite angegangen. Aber, so Regisseur Prückner: „Selbst am Broadway wurde das Stück erst 2017 zum ersten Mal mit einer blinden Schauspielerin besetzt.“

Und er ist eine Wohltat für blinde Besucher:innen. Eine davon erzählt KiJuKU.at: „Ich gehe oft und gern ins Theater, leider gibt es noch nicht sehr viele Vorstellungen mit Audio-Description. Aber so wie da, das ist neu, sogar die Programmzettel gibt es in Braille-Schrift.“ Die tastbare Schrift aus erhabenen Punkten feiert übrigens heuer ihren 200. Geburtstag.

Szenenfoto aus
Szenenfotos aus „Warte, bis es dunkel ist!“…

Susy und Gloria

Von Anfang an war klar, Susy Hendrix ist Frau über ihr Leben – im Gegensatz zur Originalfassung. Sie checkt nicht nur alles, weiß, wie sie sich wo bewegen muss, kennt aber auch – da kommt aus den Dialogen hervor – natürlich zielsicher ihre Wege in der Stadt. Und sie lässt sich nie und nimmer bevormunden, verfolgt auch ebenso zielstrebig Auswege aus der verworrenen kriminalistischen Situation, selbst in den brenzligsten Situationen. So „nebenbei“ gibt sie dem Publikum über Szenen im Stück so manchen Alltags-Rat mit auf den Weg. Kommt es doch leider nicht so selten vor, dass Menschen im Gespräch mit Blinden mitunter lauter werden: „Ich kann ganz gut hören!“ löst so manches „Aha“-Erlebnis aus;)

Eine weitere wichtige Figur im gesamten Geschehen ist die der Gloria, einer ungefähr 12-jährigen Nachbarin mit dicker Brille und Augenklappe. Diese Pubertierende, glaubhaft gespielt von Iris Pollak, hat Auge(n) nur für den Fotografen Sam, himmelt ihn an und ignoriert Susy, ja mobbt sie sogar ein wenig an. Letztlich freunden sich aber die Frau und das Mädchen ziemlich an und tricksen die Gauner:innen aus. Auch mit demselben Antrieb: Wir sind selbstständig und auf keine der Männer angewiesen.

Florian-Raphael Schwarz als dieser Fotograf und Ehemann Sam hat eher nur kurze Auftritte zu Beginn und gegen Ende, ist aber nicht nur Liebender, sondern auch noch Lernender im Umgang mit seiner selbstbewussten Ehefrau und deren Handicap. Einen Kürzest-Auftritt hat Benjamin Lichtenberg ganz am Ende, den Großteil des Abends handhabt er Licht- und Tontechnik.

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Weiß geschrieben der titel des Stücks - auch in Braille-Schrift - und ein Blindenstock auf schwarzem Hintergrund
Weiß geschrieben der titel des Stücks – auch in Braille-Schrift – und ein Blindenstock auf schwarzem Hintergrund

Duos performen kurze Reime - einemusiziert, die andere stellt das jeweilige Tier dar

Gesungener Obstsalat, Detektiv-Hörspiel und Bilder statt Noten

Vom Obstsalat bis zum Tiergedicht mit Kürzest-Reimen wie „Verzeih, sagte der Hai“ oder „Sei still“, sagt der Mandrill“ verbanden Studierende der Kinderuni Kunst an der MDW (Musik und Darstellende Kunst) Musik, Gesang und Bewegung. Vielfach in Kindergärten gesungen performten die Kinder beim Lokalaugen- und ohrenschein von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… kurz vor ihrer Pause noch einmal den Kanon mit Mango, Kiwi, Ananas und Banane. Viele Kinder kennen diesen (der Dennie Christian zugeschrieben wird) aus Kindergarten oder/und Volksschule. Ebenso geläufig, in dem Fall schon Anna, der Lehrenden, aus Kindertagen das vom bekannten (Kinder-)Lyriker Josef Guggenmos verfasste kurze Gedicht „Die Nadel sprach zum Luftballon:/ Du bist rund und ich bin spitz! / Komm, wir machen einen Witz / das gibt ein schönes Schnaderadäng, / ich mach pieks und du machst päng.“ Diese Reime, die gern mit Fingerspielen verbunden werden, gaben der Lehrveranstaltung den leicht abgewandelten Titel „Die Nadel sagt zum Luftballon“.

Mango, Kiwi, Ananas, Banane - kinder singen sozusagen einen Obstsalat
Mango, Kiwi, Ananas, Banane – kinder singen sozusagen einen Obstsalat…

Bewegung, Spiel und Gedichte

„Weil man da tanzen, Gedichte und schauspielen verbinden kann“, habe sie sich für diese mehrtägige Lehrveranstaltung im Rahmen der Kinderuni Kunst an der MDW entschieden, sagt Carla in der anschließenden Pause zum Journalisten. Die meisten seine von Eltern angemeldet worden, manche konnten sich aussuchen, was sie gleich nach dem Schuljahr in der ersten Ferienwoche studieren wollen. Beim schon angesprochenen Tiergedicht, das übrigens „Schluss mit den Befehlen!“ heißt (geschrieben von Wolfgang Mennel), fanden sich immer zwei der Kinder zusammen – einmal spielte das eine ein Klang-Instrument und das andere versuchte sich in der Art des jeweiligen Tieres durch den Raum zu bewegen und beim nächsten Tier vertauschten sie die Rollen.

Duos performen kurze Reime - einemusiziert, die andere stellt das jeweilige Tier dar
Duos performen kurze Reime – einemusiziert, die andere stellt das jeweilige Tier dar…

Beim oben genannten Mandrill mussten sie übrigens erst ihre Lehrende überzeugen, dass es sich dabei nicht um einen Vogel, sondern einen Affen handelt, erzählt Meta, die ihn spielte in der Pause. Valerie hatte sich den Hai selber ausgesucht, der im Original am Ende des Gedichts steht. Zuvor heißt es nach etlichen Befehlsreimen schließlich „Schluss! Aus! Ich will endlich mal / tun und lassen, / was ich will!, sage ich.“ Worauf Zustimmung von Hahn, Reh und Star kommt, unter anderem mit dem Reim „Okee! Sagt das Reh.“

Schild zum Gedichte-Gesangs-Schauspiel-Kurs
Schild zum Gedichte-Gesangs-Schauspiel-Kurs

Auch wenn manche der Teilnehmer:innen meinten, Eltern hätten diesen mehrtägigen Kurs ausgesucht, waren sie alle sichtlich – und hörbar – zufrieden mit der Wahl wie sie in der Pause sagten. Wobei (fast) am meisten Spaß schienen lustige auch theatralische Aufwärm-Pausenspiele gemacht zu haben. So erzählten sie voller Lust über jenes mit dem Titel „das kotzende Känguru“ und einige begannen es gleich vorzuzeigen.

Szenenfoto aus der Probe eines Teils der
Szenenfoto aus der Probe eines Teils der „Commedia dell’arte“-Gruppe…

Commedie dell’arte

Im klassisch bunt karierten Kostüm tummelt sich ein Arlecchino im ersten Stock auf der Bühne der Uni für Musik und Darstellende Kunst. Gemeinsam mit dieser Figur noch – beim KiJuKU-Besuch – drei weitere der zentralen Figuren aus der italienischen Commedia dell’arte (übersetzt übrigens einfach Theater- bzw. Schauspielkunst): Colombina, Pantalone und der Dottore (Doktor). Die vier proben Szenen, zu denen noch vier weitere Kinderuni-Kunst-Studierende gehören, die gerade nicht anwesend sind.

Das Trio des Detektiv-Hörspiels mit der Kursleiterin an den Tasten
Das Trio des Detektiv-Hörspiels mit der Kursleiterin an den Tasten…

Hörspiele

Aus den Lautsprechern tönen Geräusche, die sofort an Krimis erinnern. Raphi, Adrian und Jakob haben sich eine Detektiv-Geschichte ausgedacht, nachdem „wir uns schnell einig waren, dass wir eine solche als Hörspiel aufnehmen wollen. Dann haben wir überlegt, was passieren soll und welche Personen vorkommen.“

Cezara, die Lehrende, sitzt vor einer Klaviatur samt Mischpult und Monitoren. Das Trio verneint die Frage, ob es sich den zu sprechenden Text aufgeschrieben hat. „Nein, wir haben uns ausgemacht, was wer sagt und dann kurzfristig während der Aufnahme überlegt, was wer wie spricht.“

Geräusche haben sie einerseits aus einer Datenbank genommen „und wir waren auch draußen und haben Geräusche mit dem Mikrophon aufgenommen“, bekommt KiJuKU.at zu hören. „Aber beim ersten Mal haben wir etwas mit dem Mikro falsch gemacht und darum mussten wir es ein zweites Mal machen.“

Das Plakat mit dem Titel zum kleinen Konzert
Das Plakat mit dem Titel zum kleinen Konzert „Wie klingt das wohl?“

Wie klingt das wohl?

Im Foyer der Uni-Bibliothek der MDW spielte sich Donnerstag um die Mittagszeit ein besonderes kleines Konzert ab. Drei Profi-Musiker:innen spielten nach grafischen Notationen und Partituren, die die Kinderuni-Kunst-Student:innen des Kurses „Wie klingt das wohl?“ im Laufe der Tage erarbeitet hatten. Im vorigen Jahrhundert in der experimentellen und Avantgarde-Musik erfunden, ist sich noch immer eher ungewöhnlich. Striche, Punkte, Kreise, Linien… die Jung- und Jüngst-Studierenden erweiterten die bekannten Muster noch viel weiter – labyrinthartige Schlangenlinien, bunte Wellen und noch viel mehr malten sie auf ihre Einzel-Blätter. Und jeweils in Teams bauten sie gar dreidimensionale Notationslandschaften und -Spiele als Collagen aus Buntpapier, Karton, Klebe- und anderen Bändern.

Elijah erklärt das System seiner grafischen Notation
Jungkomponist erklärt das System seiner grafischen Notation…

Junge Komponist:innen erklären

Bevor das Konzert losging, zeigten und erklärten einige der jungen Komponist:innen Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ihre gezeichneten Musikstücke sowie Überlegungen dazu und dahinter. Elijah (12), der selber seit vier Jahren Klavier spielt: „Ich hab mir ein System überlegt, Punkte statt Noten zu verwenden. Verschiedene Größen geben unterschiedliche Lautstärken an, aber auch Pausen. Dann hab ich zwei Farben benutzt – blau nur für die schwarzen Tasten und schwarz nur für die weißen Tasten am Toy Piano. Simon kombinierte Striche und Kreise.

Blick auf einige der grafischen Notationen
Blick auf einige der grafischen Notationen…

Die elfjährige Marie-Therese, die selber mit acht Jahren Cello spielen begonnen hat, „wollte nur etwas für Streichinstrumente komponieren, weil hier niemand Cello spielt eben für Kontrabass. Bei den Wellen muss die Musikerin auch mit ihren Fingern solche Bewegungen machen, beim Feuer muss sie mit dem Bogen wild streichen, so ein richtiges Chaos spielen. Mein Stück heißt auch Klang-Chaos. Ich hab gezeichnet wie ich es gefühlt und empfunden habe.“

„Irgendwas“-Komponistin…

„Irgendwas“, „verrücktes Haus“, „schräges Lied“

Viele der Kompositionen haben durchaus ungewöhnliche Titel, so nannte Sophie-Valerie ihre „irgendwas“ – was eine Zuhörerin fragen ließ: „Und wie heißt dieses Stück?“ Die Idee dahinter verrät die junge Komponistin: „Ich wollte einfach Irgendetwas erfinden, das vielleicht spielbar ist.“

Es gab auch ein „verrücktes Haus“, eine gar 2-Satz-Komposition – „Kompromiss beim Spielen und statt langweilich“. Daniela demonstrierte den Gedanken hinter ihrem „schrägen Lied“ gleich mit einem heftigen Gesichtsausdruck als sie erläuterte: „Das soll so sein, dass man’s gar nicht mehr aushalten kann.“

Die drei professionellen Musiker:innen
Dieses Trio aus Musik-Profis spielte die Kompositionen der Kinder…

Das Profi-Trio

Nun, ganz dürften die drei Musiker:innen das dann doch nicht hingekriegt haben. Denn auch dieses Stück fand sogar Gefallen und großen Applaus – und niemand sah sich veranlasst die Ohren zuzuhalten. Gespielt haben: Helene Glüxam am Kontrabass und diesen manches Mal auch mit einem kleinen kugelförmigen Schlegel als Art Schlagzeug nutzend, Haruki Noda / E-Gitarre und verschiedene elektronische Devices sowie Juri Giannini auf dem Toy Piano schienen die grafisch festgehaltenen Kompositionen der Kinderuni-Kunst-Student:innen verstanden zu haben. Sie spielten sehr ernsthaft, ließen manchmal auch musikalisch Humor aufblitzen, wo die Notation das vorsah.

Kleinere Teams gestalteten 3D-Collagen als Partituren
Kleinere Teams gestalteten 3D-Collagen als Partituren…

Übrigens das Mini-Klavier auf dem Tisch – eines von vielen verschiedenen Formen eines Toy Pianos war ursprünglich dem übersetzten Wortsinn nach tatsächlich „nur“ ein Spielzeug. Seit John Cage dafür eine Suite komponierte (1948), ist es aber sozusagen in den Olymp der Neuen Musik aufgestiegen.

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Haupteingang zur MDW - der Uni für Musik und Darstellende Kunst Wien
Haupteingang zur MDW – der Uni für Musik und Darstellende Kunst Wien…
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel "Frankenstein" vom Volkstheater in den Bezirken

Monster-Story als Live-Hörspiel mit (lauter) Musik

Frankenstein, vielmehr das von ihm geschaffenen Monster, das viel zu oft unter dem Namen seines Schöpfers durch Erzählungen geistert, als Live-Hörspiel mit (sehr) lauter Musik tourt derzeit durch Wien. Bis 8. November 2023 lädt das Volkstheater in den Bezirken in Volkshochschulen, Häuser der Begegnung und andere Veranstaltungsorte quer über Wien verstreut. Und diese Version von „Frankenstein“ verdient sich definitiv viel mehr, vor allem jüngere, Zuschauer:innen als Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… in der Floridsdorfer Angerer Straße erlebt hat. Wo übrigens das Publikum – viele trotz anfänglicher Skepsis – am Ende begeistert applaudierten und „Bravo“ rief.

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Ein Koffer voller Geräusch-Instrumente

Sören Kneidl, der auch Regie führte, betritt die Bühne, testet die Mikros – was aus den Publikumsreihen mit „lauter“ beantwortet wird. Und ihm den Gag ermöglicht, das habe er noch nie bei dieser Produktion gehört. Aus einem Köfferchen packt er eine uralte Kaffeemühle, eine Glocke und so manch andere Utensilien aus, die er im Laufe der folgenden rund 1 ½ Stunden verwenden wird, um diverse atmosphärische Geräusche zu erzeugen, eine große Holzklappe wird etwa zur quietschenden Tür…

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Live-Musiker

Zwei Musiker in Kapuzen-Sweaters betreten wie Heavy-Metal-Musiker die Bühne; Lukas Böck fädelt sich hinter die Teile des mächtigen Schlagzeugs ein und Gadermaier platziert sich hinter der mit Strom versorgten Bass-Gitarre bzw. oberhalb einiger Fußtaster für Loopstation und Verzerrer.

Apropos Strom – der spielt in der Erzählung eine nicht unwichtige Rolle, um das aus menschlichen Leichenteilen zusammengeflickte Monster zum Leben zu erwecken. Die Autorin hatte Anleihe genommen bei Berichten darüber, dass der Physiker Luigi Galvani mittels Stromstoßes den Schenkel eines toten Frosches in Bewegung versetzen konnte.

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Weitgehend entlang des Originals

Im Wesentlichen hält sich die Erzählung an das (übersetzte) Original von Mary Shelleys zunächst als Briefroman veröffentlichtes Buch. Victor Frankenstein, „der moderne Prometheus“ (antiker griechischer Mythos, nachdem Prometheus aus Lehm die Menschen schuf) wie es als Untertitel bei Shelley heißt, bastelt also seinen neuen Menschen. Henry, ein Freund, ist skeptisch.

Wie auch immer Frankenstein wird von einem Schiff in der Arktis, das ein abenteuerlicher Kapitän, der durchs ewige Eis zum Nordpol will, halbtot geborgen. Und erzählt die Geschichte seiner Erfindung. In der Ferne wird das aus dem Labor entkommene Monster, das schon getötet hat, gesichtet…

Während Frankenstein davor warnt, will der Kapitän es fangen lassen, um damit noch viel berühmter als mit der Expedition zu werden. Tour durch die Welt mit Ausstellung des gefangenen Monsters – mit einer Art „Des Kaisers neue Kleider“-Moment am Ende der mitreißenden Erzählung mit ebensolcher Musik.

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Schauer

Die gesprochenen Erzählpassagen mit Hilfe der stets live erzeugten Geräusche lässt die Geschichte ­- wenngleich sie in Grundzügen bekannt ist – mitunter mit dem einen oder anderen Schauer erleben; verstärkt durch die Untermalung der Musiker, die in manchen Passagen sozusagen die gefühlsintensive Fortsetzung der angeteaserten Erzählung spielen.

Über Grusel hinaus

Und dennoch bietet der „Frankenstein“-Abend noch mehr als die Grusel-Geschichte. Zum einen ist es der mehrfach wiederholte Satz, dass nur jene, die den einen oder anderen Schritt zu weit gehen, di Menschheit weiterbringen als jene, die zurückgehen. Und zum anderen ist es die fast rührende Szene, in der das Monster, das Sprechen gelernt hat, seinen Schöpfer bittet, ihm eine Gefährtin zu erschaffen. „Ich war gütig und gut. Nur das Elend ließ mich böse werden. […] Ich bin bösartig, weil ich unglücklich bin.“…

Beides Fragen, die unabhängig von dem fiktiven Roman, der hier auf völlig neuartige Weise sozusagen lebendig wird, immer und überall aktuell sind.

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Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfotos aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken…