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Szenenfoto aus "So forsch, so furchtlos" im Theater Drachengasse (Wien)

Zwei Mädchen scheißen sich nichts…

Eine Hälfte der Publikumstribüne im Wiener Theater Drachengasse wird für dieses Stück zur Bühne – für die entfesselten Schauspielerinnen sowie ganz oben für die Livemusikerinnen  von ZINN. Zu Beginn trennt ein durchscheinender Vorhang Bühne von Publikum – er ist, auch zwischendurch mehrmals Projektionsfläche für eingespielte Videos. Zu Beginn für eine Lesung aus dem spanischen Original, das mehr als nur Vorlage für das freche, offene, tabulose Spiel rund um zwei sehr junge pubertierende Mädchen auf Teneriffa ist. „So forsch, so furchtlos“ von Andrea Abreu (Übersetzung ins Deutsche: Christiane Quandt) wirkt, als könnte es aus Tagebüchern oder noch eher sogar aus unbelauschten Gesprächen Jugendlicher stammen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „So forsch, so furchtlos“ im Theater Drachengasse (Wien)

Die Erzählerin aus der Ich-Perspektive, von ihrer besten, vielleicht sogar einzigen Freundin Isora liebevoll „Shit“ genannt, startet gleich einmal mit der eindrücklichen bis hin zur lautmalerischen Schilderung, wie diese kotzt. Fressen – kotzen, um schlank zu werden. Das – nicht das Kotzen, aber das Letztere postuliert die Oma als Schönheitsideal. Zum Ausgleich reden ihr die beiden Mädchen ein, „Bitch“ heiße Oma auf Englisch 😉

Rhythmisch-poetische Sprache

So wie die einleitende Kotz-Schilderung durch die rhythmisch-poetische Sprache der Autorin alles andere als einen „wäääh“-Reflex erzeugt, so zwanglos kommt Scheiße, Kacke usw. über die Lippen – nicht nur im Buchtext, sondern auch den drei Schauspielerinnen: Ida Golda, die die Scheiß-mir-nix-Isora lebt, Olivia Marie Purka als Shit(i) und Naemi Latzer, die meist nur aus den Seiten-Türen auftritt, mal als Isoras Oma, dann wieder als Doña Carmen – und da am ehesten noch im Spiel mit den beiden anderen als Juanita Banana, wie der Junge Juanito im Dorf genannt wird.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „So forsch, so furchtlos“ im Theater Drachengasse (Wien)

Mimi und Muschi

Mindestens genauso offen wie über Ausscheidungen oben und unten, unterhalten sich die beiden Mädchen über die erwachende Sexualität, über Rubbeln, ihre Mimi bzw. Muschi wie sie die Vulven unterschiedlich liebevoll benennen. Und irgendwie schwingt mit, dass Shit in Isora vielleicht mehr sieht als eine beste Freundin und Vorbild. Weswegen sie sich auch zutiefst verletzt fühlt, wenn Isora etwas unternimmt und Shiti nichts davon erzählt…

„Nebenbei“ erzählt die Geschichte auch von den beiden getrennten Welten zwischen den Tourist:innen und den einheimischen Dienstleister:innen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „So forsch, so furchtlos“ im Theater Drachengasse (Wien)

Genial in Spiel übersetzt

Das was so modern als authentisch bezeichnet wird – ist dieser Roman – und das schon genannte Schauspieltrio (Bühnenfassung nah am Original, Regie: Valerie Voigt) schafft es exzellent dies auf der schrägen Bühne (Thomas Garvie, auch für Kostüme verantwortlich) lebendig werden zu lassen – mit viel Power, Sschwung, Spielfreude und nicht zuletzt auch dem Humor, der dem Text innewohnt. Die Stufen der Tribüne sind mit Pölstern und Kork-Granulat zwischen hölzernen Wänden, die ein wenig an die Form zweier (Ober-)Schenkel erinnern, befüllt. Und werden Strand, Spielplatz und noch vieles mehr.

Das Schauspiel wird unterstützt, betont, untermalt von den Live-Musiker:innen Lilian Kaufmann, Margarete Wagenhofer und Leonie Bramberger. Letztere schuf auch mehrere Animationen, die hin und wieder projiziert werden – darunter Chats der beiden Mädchen in der Computerklasse.

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Titelseite der deutschsprachigen Ausgabe des Romans von Andrea Abreu
Titelseite der deutschsprachigen Ausgabe des Romans von Andrea Abreu „So forsch, so furchtlos“