Düster präsentiert sich die Bühne. Eine Art Vorhang aus Kunststoff-Sackerln und Säcken, davor wahllos rumkugelnde Autoreifen. Bevor sich diese „Müllhalde“ als Spielplatz für das (tod-)ernste Stück „Und alles“ (von Gwendoline Soublin) mit dennoch einigem an Humor entpuppt, tauchen die vier Schauspieler:innen sozusagen unter Wasser – Licht- und Sound-Effekte „zaubern“ das auf die Bühne.
Es herrscht Aufregung. Die achtjährige Chalipa (gespielt von Julia Posch) sucht verzweifelt nach ihrem Bruder Ehsan (12). Ihr ist fad und sie will wen zum Spielen. Ihre allerdings auch erst 13-jährige Kinder-Sitterin Samantha, meist nur Sam genannte (Cansu Şîya Yıldız), hat wenig Zeit und noch weniger Lust. Eigentlich ist sie auf dem Sprung, einen Freund bei der Busstation zu treffen.
Doch Ehsan ist nirgends aufzufinden, auch in seinem Zimmer nicht – einfaches Umräumen, -schlichten oder verwerfen der Reifen ergeben den jeweils neuen Spielort. Beim Stöbern im „Saustall“ des Kinderzimmers von Ehsan stößt seine Schwester auf Notizen und dessen Tagebuch. Da hat er vor allem jede Menge Nachrichten aufgeschrieben, von Kriegen, Umweltkatastrophen, Abschmelzen des Eises der Polkappen und einem gestrandeten Wal. „Nur Trash und Tragödie!“ Er halte das alles nicht mehr aus, „ich hab’s satt!“ Keine Zukunft, keine Hoffnung. Er haue ab.
Wohin?
Da kommt Chalipa die Idee: Im Garten haben sie einen Untergrund-Bunker – weitläufig und mit vielen Vorräten. Dort habe er ihn auch hineingehen sehen, deutet der auftauchende 4-jährige Nachbarsbub Nelson (Kristoffer Nowak) an. Doch die Klappe ist zu.
Jetzt wird auch Sam schön langsam nervös. Was wird der auf Dienstreise befindliche Vater der beiden Kinder sagen, wenn sie eines davon sozusagen verliert. Klopfen, der Versuch sanft den Buben aus dem Versteck zu locken mit seinem Lieblingsgericht bringen aber ebenso wenig Reaktion aus unter der Erde wie heftigere Ansprachen. Auch Sams Freund Salvador (Marko Sonkin) und der Einsatz seiner Werkzeuge lassen weder Klappe öffnen noch einen Ton von Ehsan hören.
Letztlich beschließen die vier, sie könnten Ehsan nur dazu bewegen, wieder aufzutauchen, indem sie sich in ihn hineinversetzen, ihn und seine Anliegen ernst nehmen, ihn in seinem Bemühen gegen die Klimakrise, für die Umwelt und für Frieden sich zu engagieren – mit einem dann doch sehr überraschenden Ende – das hier natürlich nicht verraten sei. Auch wenn das Stück in der Inszenierung des Tiroler Landestheaters, Abteilung Junges Theater (Regie: Felix Metzner; Bühne & Kostüme: Julia Neuhold; Dramaturgie: Uschi Oberleiter (vorläufig) nur mehr einmal als Gastspiel im Wiener Akzent Theater zu sehen ist (siehe Info-Block). Bei der Vormittagsvorstellung am 8. November 2024 für Schulklassen spendeten die Jugendlichen (ab 12 Jahren) immer wieder teils sogar heftigen Szenen-Applaus – und stellten urviele Fragen und Anmerkungen im Publikumsgespräch – mehr als dann letztlich drangenommen wurden.
Übrigens: Wenige Meter entfernt vom Theater Akzent, in dem das oben besprochen Stück spielt(e) und in dem es um die schlechten, katastrophalen täglichen Nachrichten geht, steht vor der Kirche St. Elisabeth ein Gebilde aus Kunststoff-Röhren wie sie bei Drainagen im Boden (zur Entwässerung) eingesetzt werden. Irritiert diese Installation zunächst ein wenig, so erklärt ein Plakat den Sinn: Ein gezeichnetes Megaphon und dazu in großen Buchstaben: „Gute Nachrichten..!!!! In Zeiten von Krisen laden wir dich ein, deine guten Nachrichten zu teilen…“
Die Pfarre „Zur Frohen Botschaft“ zu der diese und andere Kirchen dieses Bezirks und des Nachbarbezirks Margareten gehören, bittet Passant:innen hoffnungsfrohe Nachrichten, Schilderungen von positiven Erlebnissen usw. hier zu hinterlegen. An einer der Röhren gibt es Stifte und Zettel. In manchen Röhren lagen beim zufälligen Lokalaugenschein von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schon Kuverts. Versprochen wird, dass die Zettel an einer Wand in der besagten Kirche präsentiert werden. Darüber hinaus gibt es auf dem besagten Plakat einen QR-Code über den auf ein Padlet solche Nachrichten veröffentlicht werden können; aber auch Links zu Websites mit guten Nachrichten zu finden sind.
Ergänzend und nachträglich – nach Rückruf aus der Pfarre: Die Installation bleibt hier bis zum Aschermittwoch. Und sie wandert seit der Pandemie und zu verschiedenen Themen, gedacht als Art „Klagemauer“ – derzeit eben mit dem Aufruf bzw. Angebot des Gegenteils von Klagen, sondern der Bitte um positive Nachrichten!
In Uniformen, die an Flugbegleiter:innen oder Raumfahrer:innen erinnern, tritt die Crew auf (Kostüm: Nadine Cobbina). Und stellt sich als Bot:innen heraus. Sie überbringen Nachrichten. Zwischen Raum und Zeit sozusagen. Mit Anklängen an antike Geschichten. Troja fällt mehrfach. Und indirekt auch im Titel, wurden Überbringer schlechter Nachrichten für diese selbst immer wieder bestraft, mitunter sogar getötet.
Die neuzeiltichen Bot:innen sind dafür immer in Eile, gehetzt zwischen da und dort, einst und jetzt.
Zeynep Alan, Julia Pitsch, Morteza Tavakoli und Charlotte Zorell fassen in „PLEASE – Don’t shoot the Messenger“ im innerstädtischen Theater am Werk ihre Aufträge / Nachrichten bei einer Art von Satellitenschüsseln mit dicker Rohrleitung (Bühne: Markus Liszt, Daniela Schindler) aus. Nicht die allgemeinen Nachrichten, die Online, via TV, Radio oder gedruckt in Zeitungen erscheinen, sondern persönliche. Und da es sich stets um Bad News handelt, haben Menschen sie ausgelagert: An eine Agentur, die für Perfektion, Leidenschaft, Effektivität, Anfang, Sicherheit, Entkommen steht – was eben PLEASE ergibt. Wobei die Begriffe möglicherweise gesucht und gefunden wurden, um das englische Wort für Bitte aber ebenso für erfreuen oder zufrieden stellen zu ergeben.
Ausgelagert wird ja vieles – Geschäftstüchtige können aus allem und jedem ein Business machen. Warum nicht auch für die Überbringung schlechter Botschaften? So das Konzept dieser Agentur. Die Mitarbeiter:innen perfektionieren die Verpackung übelster Mitteilungen in feine Worte – ob geschwollene Formulierungen oder vorgespielte Einfühlsamkeit. Vieles ist möglich. Ja sogar Umdeutungen – das zeigen literarische ebenso wie historische Beispiele. Vom „Wahrheitsministerium“ in George Orwells „1984“ bis zur realen Message Control des jungen Alt-Kanzlers reichen die Umdeutungen durch „Verpackung“ bzw. Herr-schaft des Marketings über den Inhalt.
In diesem Stück von diverCityLab – Text: Pau R. Bernat, Regie: Leonardo Raab; Dramaturgie: Aslı Kışlal, Anna Schober – geht’s um echte, schlechte Nachrichten, die einfach nur in verdaulicher Form an die Empfängerin/den Empfänger gebracht werden sollen. Doch was ist mit der Botin da rechts vorne? Die hat unter ihrer Empfangs-Schüssel eine versperrbare Lade. Heimlich. Klar, irgendwann fällt’s auf. Und die anderen drängen sie, das Versteck zu öffnen. Sie (Zeynep Alan) ließ Nachrichten verschwinden, die sie für zu unerträglich hielt. Da es sich letztlich doch nicht nur um individuelle Schicksalsschläge handelt – hätte das Nicht-Überbringen von Nachrichten den Lauf der Geschichte verändert? Schlimmeres verhindert? Eine Frage, die in den Raum geworfen – und nicht direkt adressiert, aber doch – ans Publikum weitergeleitet wird; sozusagen als Hausaufgabe.
Dennoch werden die Zuschauer:innen damit nicht entlassen. Es folgt – ohne Pause – ein zweiter, recht schräger Teil, den Anillo Sürün, der von der künstlerischen Mitarbeit zum kurzzeitigen Schauspieler avancierte, einleitet. Vorbereitung für eine TV-Talk-Show mit dem programmatischen Titel „Hart, aber sehr“. Und hier ist sie die umwerfende… – Charlotte Zorell als überdrehte Charly Forelli, Moderatorin einer Art TV-Talkshow, macht eine Talk-Gästin, die ohnehin schon von schlechten Nachrichten depressiv ist, vor fiktiver laufender Kamera erst recht fertig. Wobei ihr ein weiterer Gast, Psychodoc-Experte (der sehr wandlungsfähige Morteza Tavakoli, der im Laufe des Abends neben dem Nachrichten auch noch als Fahrradbote auftritt), äußerst behilflich ist.
Schließlich tauchen die Agent:innen nach und nach noch in einer Art überdimensionalen, vertikalen Hamsterkäfigen auf. Können sie sich daraus befreien?
Die Bühne im Theater am Werk Petersplatz ist dieses Mal komplett umgedreht. Das Publikum sitzt auf Tribünen an jener Stelle, wo sonst gespielt wird. Gegnüber macht die abgebaut Tribüne dafür die geschwungenen Treppen mit verschnörkeltem Geländer – und viel Platz frei für das Schauspiel – die schon erwähnten Nachrichten-Schüsseln und -Schläuche sowie Monitore für Video-Projektionen (Pablo Trujillo Tobaria). Neben dem dynamischen, phasenweise witzigen Spiel verleiht die Musik (Uwe Felchle) der Aufführung (1 ¾ Stunden) den zusätzlichen Schwung.
„Leonie, lebst du lieber zu Hause oder im Dschungel?“, fragt Löwe Simba. Diese Leonie ist ihre Gegenüber in der Nachrichtensendung, und eine Stoff-Fledermaus. Zwei der Teilnehmerinnen des Theater-Workshops „Nachrichtensendungen von Kindern für Erwachsene“ verleihen ihren Kuscheltieren die Stimmen.
Fast ein Dutzend Kinder, darunter Mara, Elvira, Liam, Max, Helena, Maximilian, Lolek, Maximilian suchen sich nach Aufwärmspielen ihre eigenen Themen aus und bereiten sich auf Interviews vor einer Kamera vor. In der großen Runde schlagen sie mit Monika und Celine, die den Workshop leiten, viel mehr Themen vor, als sie je bearbeiten können – wie auch in jeder Redaktion viel mehr an Nachrichten einlangen als verarbeitet und veröffentlicht werden können.
Dann geht’s eben darum, was ist möglich, wer kann – und in dem Fall jedenfalls will – was bearbeiten. Die beiden hier zu Beginn zitierten Reporterinnen fanden zueinander, weil sich beide für Kuscheltiere interessierten. Meist im Liegen oder wenigstens im gemütlichen Sitzen auf dem Tanzboden von Bühne 3 im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseusmQuartier schreiben sie mit bunten Stiften ihre Fragen auf, die Löwe und Fledermaus, in die sich beide hineinversetzen, aneinander haben.
Helena stellt in der Sendung „Zwergi Silbi“ vor, eine von ihr, gemeinsam mit einer Freundin selbst gebasteltes Nadelbaum-Pockerl neben einer – mittlerweile leergebrannten Kerzenhalterung vor. Ein weitere Solo-Reporter widmet sich dem Thema Sport, vor allem Ballspielarten. Klima ist das Thema eines weiteren Nachrichtenduos und Süßigkeiten das von zwei anderen Reportern. Wobei sie mehrmals in die Kamera sagen: Eltern sollten ihren Kindern vor allem Süßes geben, damit sie ihre Ruhe haben.
Ein Trio hat sich das Thema Comic ausgesucht. Einer der beiden Max ist da wahrer Experte. Er faltet gleich einmal das Papier, auf dem sie ihre Ideen für die Nachrichten sammeln zu einem kleinen Comic-Heft. Was brauchen derartige Bücher. „Jedenfalls eine Handlung“ steht sofort fest. Nach und nach fällt allen drei ein, welche weiteren Elementen erforderlich sind. Nicht zuletzt fügt der federführende Max noch einige Zeichnung im Comic-Stil seinem kleinen Heftchen hinzu.
Am ersten von drei Workshoptagen – im Rahmen des wienXtra-Winterferienspiels – kamen die Gestalter:innen der Kindernachrichten allerdings in heftigen Stress – die Aufwärmspiele hatten zu viel Zeit in Anspruch genommen.
Apropos Nachrichten: Bevor die Kinder ihre eigenen Themen sammeln, wollten die Workshopleiterinnen wissen, welche Nachrichten die Kinder kennen und welche Eigenschaften sie damit verbinden. Das erste was fiel war „schlimme“, auch mehrfach genannt wurde „kompliziert“ später noch gesteigert durch „sehr, sehr, sehr“. Dabei blieb’s dann doch nicht, es fielen viele Themen – und auch gute, fröhliche, lustige, interessante neben nervigen (weil zu oft wiederholt), aber auch falsche (Fake News) sind den Workshop-Teilnehmer:innen schon untergekommen.
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