Zwar ist das Wort heute nicht so berühmt wie „Oida“, aber es hat auch seine Wurzeln im Alt-Wienerischen: „Heast“, vor Jahrzehnten oft im Sinne von „hör (doch endlich einmal) zu“ wurde oft mit der Phrase „der Heast liegt neben dem Hallo am Zentralfriedhof“ abgeschmettert. Vor gut zehn Jahren erlebte es sozusagen eine Wiederauferstehung im positiven Sinne. Hör jungen Künstler:innen zu oder solchen, die erst auf dem Weg dorthin sind, vor allem aus der Hip*Hop- und Rap-Szene. Heute längst bekannte Größen wie das Duo EsRap gaben – und geben immer noch – ihren jungen Kolleg:innen Starthilfe mit Workshops und dem Teilen von Erfahrungsschätzen.
Kürzlich feierte „Heast!“, ein Projekt von wienXtra-Soundbase, sein zehnjähriges Jubiläum im Gürtellokal B72, wo auch die monatlichen Open-Stage-Abende stattfinden. Bei diesen können musikalische Word-Artists (13 bis 26 Jahre) – nach Voranmeldung – jeweils zehn Minuten auf der Bühne performen. Und das ist immer mehr als sozusagen ein Hintereinander-Abspiel-Abend – es geht um Begegnung, Austausch, Miteinander statt Konkurrenz, voneinander lernen… Und viele von den jungen Artists repräsentieren jenen Teil der Wiener jungen Stimmen, die sonst oft gar nicht gehört werden. Vielfalt und Diversität ist hier kein Schlagwort, sondern gelebte Bühnen-Praxis. Ebenso wird der bekannte Szenespruch „Respect“ hier echt gelebt.
„Wir wollten einen Raum schaffen, in dem Hip-Hop als respektvolle Subkultur gelebt wird, der sowohl Platz für kritische Auseinandersetzungen als auch für die pure Freude am Rappen bietet“, erinnert sich Marko Marković, Projektleiter bei Wienxtra-Soundbase in der Medieninforamtion zu diesem Abend.
Der Geburtstagsabend verlief ein wenig anders. Bevor am Ende die schon erwähnten Esra und Enes Özmen als EsRap ihr vielumjubeltes Konzert mit mittlerweile zu Hymnen gewordenen Nummern wie OTK oder „Du hast Privilegien, ich hab Freunde dabei!“ und einer höchst ungewöhnlichen aber sehr spannenden orientlaisch-arabesken Interpretation des STS-Hits „i wü wieda ham nach Fürstenfeld“, einem Diaspora-Song wie Enes es nannte, ablieferten, wurden junge Künstler:innen ebenso gefeiert, für die dieser Auftritte beispielsweise überhaupt erst der zweite in ihrem ganzen Leben war wie bei Calité.
Sie trat nicht nur Solo mit einigen zart klingenden, tiefgreifenden Songs auf, sondern auch noch gemeinsam mit den Zwillingsbrüdern Dancho und daveybby.
Schon sehr früh habe sie immer gern und gut gesungen – so erzählten es die Verwandten, berichtet Calité vor dem Konzert Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „und ich hab auch viele Gedichte und Geschichten geschrieben – auch in Richtung Krimis und düstere.“ Aber bei einem Festplatten-Crash sei alles verloren gewesen, bedauert sie einerseits, andererseits „das waren alles Geschichten über andere, jetzt schreib ich wenigstens über mich und hab das Texten zu Musik entdeckt“.
Dancho, der sehr bewegte, durch-choreografierte, mitreißende Nummern performte, studiert Architektur, sein Bruder produziert bereits Musik.
Moonverse alias Simon Nagl aus Salzburg spielte schon ab sieben Jahren Horn, das er nun in Wien neben Tonmeister studiert, verbindet liebend gern Klassik und Hip*Hop erzählt er dem Journalisten. Derzeit arbeitet er an einem umfangreichen Opus, das am Ende Musik, Lesung und Theaterstück werden soll. Im Zentrum steht ein a18-Jähriger, der im ersten Akt seine Wochenenden versauft, im zweiten dreht sich dann viel um ihn und seinen familiären und Freundes-Background im zuletzt äußert er seine gesellschaftskritischen Ansichten zur Welt. Aus dem erstgenannten Teil hat der junge Künstler schon einige Tracks releast – solche und noch unveröffentlichte gab er auf der Bühne des B72 beim 10-Jahresfest zum Besten.
Vierter Act im Bunde der Newcomer – alle übrigens supportet durch Beats von DJ B-Chill – an diesem Abend war „threeseven“ in roter Fußballdress, der „am liebsten Gefühle über Musik und ihre Texte ausdrückt – ob verliebt oder Trennungsschmerz, oft auch „Depri“, aber kaum Wut“, wie er auf der Bühne auf die Frage der einfühlsam und aufmunternden moderierenden Host Ana Ryue verriet.
Für die regelmäßigen Besucher:innen der „Heast!“-Abende (jeden zweiten Dienstag im Monat – von Februar bis Mai und von September bis Dezember) rockten, pardon rappten und hip*hoppten dann zwei „alte Häs:innen“, Gewinner:innen des Musikwettbewerbs Podium der vergangenen beiden Jahre: 2ocke (2023) und Divided Black (2024). Erstere – rotbehandschuht – mit kämpferischen Tracks wie „fuck the patriarchat“.
Letzterer mit aufmunternden Botschaften wie „lass dich nicht unterkriegen“ verpackt im Party-Sound-Style. Und weil’s beim Ablauf des Abends keine weiteren Slots für andere Artists gegeben hat, holte er einen solchen, „Ef El O“ mit auf die Bühne!
Eröffnet aber wurde der 10-Jahres-Abend durch vier Musiker:innen, teils bekannte, teils neue Talente, die erst am Nachmittag, also wenige Stunden davor einen Workshop unter dem Titel „Community, Solidarität und Zusammenhalt“ hatten und dort eigene Nummern – unterstützt von KID PEX – erarbeitet hatten. Als Gegenstück wurde nach dem Konzert von EsRap die Bühne für Freestyle freigegeben – all jene, die wollten, konnten gemeinsam performen.
Ach ja, Vizebürgermeister und u.a. für Jugend zuständiger Stadtrat, Christoph Wiederkehr, sowie wienXtra-Geschäftsführer Vučko Schüchner, hielten auch – angenehm kurze – Dankesreden auf der Bühne.
Hip-Hop – und dessen Ursprüngen entsprechend auch (gesellschafts-)politische Botschaften, die gleichermaßen mitreißen wie aufrütteln lieferten die vier Power-Girls Elma Dalipi, Selma Dalipi, Silvia Sinani Ibraimović und Zlatica Ristić zum Abschluss des vierten „E Bistarde – vergiss mein nicht“ Roma-Kultur- und Theater-Festivals im Dschungel Wien. Die vier sind Teil der Band „Pretty Loud“.
Der Titel ist Programm: Lautstark und das ganz schön fesch rappen, singen, tanzen die starken, jungen Romnja gegen (häusliche) Gewalt, dafür, dass Frauen, eigentlich noch Mädchen mehr oder minder gegen ihren Willen früh verheiratet werden. Frauen haben „pravna“ (Rechte) – ravnopravno – gleichermaßen. Viele Frauen werden nicht nur von Mehrheitsgesellschaften, sondern auch in der eigenen Community nicht für voll genommen.
Die Gruppe wurde 2014 in Zemun, einem Bezirk von Beograd (Belgrad, der Hauptstadt Serbiens) gegründet –im Rahmen des NGO-Bildungs- und Sozialprogramms GRUBB (Gypsy Roma Urban Balkan Beats). In (Musik-, Tanz-, und Schauspiel-)Workshops für Kinder und Jugendliche vermittelten Mitwirkende des GRUBB-Programms neben den künstlerischen Fertigkeiten ihre emanzipatorischen Inhalte. Und dabei kam es auch zur Bildung von „Pretty Loud“.
Für manche ihrer Nummern drehten sie Videos, die den jeweiligen Inhalt optisch verdeutlichen. So reißt sich eine sehr junge Frau den Brautschleier vom Kopf und wird dabei von Altersgenoss:innen unterstützt. Die anschließende Demo fordert auf Plakaten mehrfach „Prava“ (Rechte) sowie „Ljubav“ (Liebe) – sozusagen Liebe statt Hiebe. Und (Aus-)Bildung statt arrangierter Ehen.
„Wir wollen die frühen Ehen beenden […] wir wollen, dass die Mädchen selbst und nicht ihre Eltern entscheiden, ob sie heiraten wollen oder nicht. Wir wollen, dass jede Frau das Recht hat, gehört zu werden, ihre Träume zu haben und sie erfüllen zu können, gleichberechtigt zu sein“, wird eine nicht namentlich genannte Pretty-Loud-Performerin im Wikipedia-Eintrag über die Gruppe zitiert.
In ihrer Musik – zu Texten auf Romanes, Serbisch und Englisch – mixt die Band Hip-Hop mit dem bekannten Balkan-Roma-Sound. Seit 2022 Botschafterinnen der Kampagne des Europarats „Block the hatred. Share the love!“ (Blockiere den Hass. Teile die Liebe!)
Ihre kämpferischen Songs laden – selbst über Sprachgrenzen hinweg – zum Eintauchen in ihre Botschaften und nicht zuletzt deren Rhythmen ein – bis hin zum Aufstehen von den Sitzen und Mittanzen. Das Konzert endete in einer Party.
Das „Pretty-Loud“-Konzert im Wiener MuseumQartier hatte aber noch eine Überraschung parat. Völlig ungeplant erhob sich vor Beginn des Auftritts der vier lautstarken Frauen eine Gästin im Publikum und schmetterte ein Roma-Lied in den Saal. Ramiza Radosavljević sang zu Tränen rührend so begeisternd, dass am Ende des Konzerts, vor dem Übergang zur Party die „Pretty Loud“-Girls ebenso wie etliche im Publikum, die ältere Frau baten, mindestens noch ein Lied zu singen. „Ich wollte schon immer singen, singe aber nur für mich allein“, verriet sie auf anschließende Nachfrage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Oder für und mit „Vivaro“, dem Verein „VI – VA -ROMnja“, ergänzten einige in der Nähe Stehende.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen