Es ist 2023 und die Zukunft ist jetzt
Noch immer wird Nachhaltigkeit unterschätzt
Mit kritischen Stimmen stellen wir fest
Unsere Forderungen brauchen ein Manifest
Wir junge Rebell:innen haben vieles zu sagen
Es liegt der Kurs der Entwicklungsziele im Argen
Unser Jugendforum fördert zu Tage
Wir befinden uns in einer kritischen Lage
Das sind acht von 156 – gereimten – Zeilen, die rund zwei Dutzend Jugendliche Anfang Oktober am Ende eins zweitägigen intensiven Gedankenaustausches und künstlerischer Workshops in Gruppenarbeiten in ihrem „poetischen Manifest“ formuliert haben. „Rebels of Change“ nennt sich das Jugend-Forum, zu dem die entwicklungspolitische NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) „Südwind“ immer wieder Jugendliche selbst einlädt, um deren eigene Standpunkte zu erarbeiten und vorzustellen.
Zwei Dutzend Jugendliche und junge Erwachsene setzten sich ein Wochenende lang intensiv vor allem mit sechs der 17 von der UNO gemeinsam beschlossenen Nachhaltigskeitsziele (Sustainable Development Goals – SDG) auseinander, die sie zu Beginn selbst ausgewählt haben. Diese sechs SDG-Ziele (Link zum Wikipedia-Artikel über alle 17 SDG-Ziele am Ende des Beitrages) waren:
1 – Keine Armut
3 – Gesundheit und Wohlergehen
4 – Hochwertige Bildung
5 – Geschlechter-Gleichheit
12 – nachhaltige/r Konsum und Produktion
13 – Maßnahmen zum Klimaschutz
Für ihr zum Abschluss entstandenes Manifest schreiben sie zunächst zu diesen auf, wie sie den derzeitigen Zustand – in der Welt, aber nicht zuletzt in Österreich sehen, um daraus in der Folge Forderungen abzuleiten und letztlich die Stichworte und Sätze zu reimen.
Davor hatten sie an den beiden Tagen schon ihre Gedanken – aufgeteilt – in drei künstlerischen Workshops erarbeitet und zum Ausdruck gebracht: Schauspiel (mit Joschka Köck vom Theater der Unterdrückten), Comic-Illustration (Esma Bošnjaković – Sturdelworte) und Bildhauerei (Osama Zatar), die in den vergangenen Monaten auch mit Jugendlichen für das Festival „DWG – Demokratie, was geht?“ gearbeitet hatten.
Über den zuletzt genannten Workshop erzählt Nicola im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…:
Nicola: Ich habe mich dem Bildhauerei Workshop gewidmet. Das war mir am weitesten entfernt und das habe ich als Möglichkeit gesehen, einmal hineinzuschnuppern.
KiJuKU: Wie habt ihr diese Hände im Workshop gemacht?
Nicola: Erstmal haben wir unsere Hand in ein Gefäß gegeben, wo wir eine silikonartige Substanz eingefüllt haben. 10 Minuten dauert es bis sie trocknet und dann ist ein Abdruck von unserer Hand in diesem Silikon entstanden. Diesen haben wir dann mit Gips gefüllt und das getrocknete Silikon aufgeschnitten. Unser Ziel war es, viele dieser Forderungen, die wir an die Politik haben, kreativ darzustellen. Mir war das Recht auf Bildung sehr wichtig. Deswegen habe ich eine Hand gemacht, die einen Stift haltet als Symbol für die Schulbildung.
Was an den Spruch der jüngsten Friedens-Nobelpreisträgerin (mit 17 im Jahr 2014) aller Zeiten Malala Yousafzai erinnert: „Ein Kind, ein Lehrer, ein Stift und ein Buch können die Welt verändern.“
Zum ausführlichen Interview mit Nicola geht es hier unten.
Zu den einzelnen Skulpturen formulierten die neuen Bildhauer:innen ihre Forderungen, zur Bildung etwa: „Wir fordern kreativere Menschen im Bildungswesen. Wir fordern eine Erneuerung des Bildungswesens, sodass es sinnvoll an heutige Bedürfnisse angepasst ist.
Hier nun die anderen Skulpturen – sowie jene Forderungen für die sie stehen:
Eine kämpferisch erhobene Faust, die die Erde hält steht für „Wir fordern, dass Klimaschutz gesetzlich verankert wird!“
Die Hand einer wohlhabenden Person (symbolisiert durch Ringe) hält die meisten Münzen in der Hand, die anderen Hände strecken sich danach aus und haben selbst zu wenig. Das steht für die Forderung nach Vermögensumverteilung.
Eine Männerhand, die einen Frauenmund zuhält und eine Frauenhand, die versucht die Männerhand wegzuziehen ist die dreidimensionale kreative Umsetzung der Forderung nach „mehr Frauenrechten“ sowie nach „Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung ohne Vorurteile“.
Schließlich steht eine aufrechte Hand auf einer Eisscholle und hält eine Sanduhr. Damit drücken die Teilnehmer:innen – stellvertretend für alle Forderungen – aus: Die Zeit läuft ab, wir müssen jetzt handeln!
Für Comics-Zeichnen hatte sich unter anderem Aeron entschieden, der dazu folgendes meinte:
KiJuKU: Was nimmst du jetzt von den zwei Tagen mit?
Aeron: Dass man Forderungen auch kreativ verarbeiten kann und dass es da Möglichkeiten gibt, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Ich habe mich für Comics entschieden. Es muss nichts Aufwendiges sein, es reichen so simple Sachen, wie ein Strichmanderl.
Das ausführliche Interview mit Aeron gibt es hier unten
1. Wir fordern mehr Frauenrechte und eine konsequente Umsetzung der Rechte und Sanktionen bei deren Verletzungen!
2. Wir fordern eine Erneuerung des Bildungswesens, sodass es an die heutigen Bedürfnisse sinnvoll angepasst ist!
3. Wir fordern eine Vermögensumverteilung!
4. Wir fordern, dass Klimaschutz gesetzlich verankert wird!
5. Wir fordern kreativere Menschen im Bildungswesen!
6. Wir fordern, dass Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen ohne Vorurteile begegnet wird, sowie einen leichteren Zugang zu medizinischen Möglichkeiten der Geschlechtsänderung und eine Erleichterung von Namensänderungen!
7. Wir fordern zugängliche, nachhaltige Menstruationsprodukte und Verhütungsmittel für alle!
8. Wir fordern eine strengere Bekämpfung von Kinderarbeit und Sklaverei!
9. Wir fordern, dass es keine Massentierhaltung mehr gibt!
10. Wir fordern strengere Tierschutzgesetze!
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… konnte gegen Ende des „rebellischen“-Jugend-Workshops sich ein bisschen umschauen und -hören und durfte mit zwei jungen Teilnehmer:innen Interviews führen.
KiJuKU: Wie alt bist du und warum bist du hier?
Nicola: Ich bin 19 Jahre alt und bin auf das „Rebels of Change“ Jugendforum von Südwind aufmerksam geworden, weil ich mich nach der Matura aktivistisch engagieren wollte. Zunächst bin ich auf den Verein Südwind gestoßen, wo ich im AktivistInnenteam und in der Jugendredaktion tätig bin. Durch diese Zusammenarbeit bin ich gefragt worden, ob ich zum Jugendforum kommen möchte. Es war für mich klar, dass ich bei so einer Initiative dabei sein mag. Wenn Jugendliche schon Partizipationsmöglichkeiten haben, dann will ich diese auch nutzen und habe sofort zugesagt.
KiJuKU: Du hast gesagt, dass du dich nach der Matura aktivistisch engagieren wolltest, hat dich das immer schon interessiert?
Nicola: Aktivismus generell hat mich schon immer fasziniert, allerdings war ich während der Schulzeit nicht aktiv. Ich habe das Gefühl gehabt, dass die Schule da nicht wirklich dahintersteht. Dadurch habe ich den Eindruck bekommen, dass es nicht wichtig ist. Es wird nicht gefördert, also zählt es nicht so viel. Dass es gar nicht so ist, habe ich erst nach meiner Schulzeit bemerkt, und dass es eigentlich extrem wichtig ist und wenn wir irgendwie Möglichkeiten bekommen, sollten wir diese auch wirklich nutzen können und dürfen.
KiJuKU: Du hättest aber in der Schule schon den Wunsch gehabt?
Nicola: Ja genau, ich habe schon immer wieder Möglichkeiten gefunden. Zum Beispiel war ich in meiner Schule dabei, als der Klimaclub gegründet wurde. Ich war eines der ersten Mitglieder. Da habe ich gesehen, dass sich etwas tut und ich auch etwas Tolles und Positives bewirken möchte. Die Fridays For Future Bewegung fand ich auch extrem cool, allerdings habe ich mich nicht so getraut zu streiken. Im Nachhinein würde ich es anders machen.
KiJuKU: Wieso gerade Südwind, hätte es da nicht auch andere Möglichkeiten gegeben?
Nicola: Ja, es gibt ja ganz viele Organisationen und Vereine, die etwas Supertolles bewirken und die man unterstützen möchte. Ich glaube, man bräuchte hundert Leben, um in allen aktiv zu sein. Zu Südwind bin ich gekommen, weil wir im Englischunterricht einmal einen Redewettbewerb zum Thema „Nachhaltigkeit und Menschenrechte“ hatten. Der wurde von Südwind mitveranstaltet. Das habe ich mir damals gemerkt und nach der Schulzeit habe ich nach einem Verein gesucht, wo ich mitmachen kann. Dann konnte ich mich erinnern und hab die erste eMailadresse, die ich auf der Südwind-Homepage gefunden habe, einfach angeschrieben. Die haben mir das mit der Jugendredaktion und dem AktivistInnenteam erzählt, so bin ich immer mehr hineingerutscht.
KiJuKU: Was macht ihr in der Jugendredaktion?
Nicola: Wir machen ganz verschiedene Dinge. Einerseits betreuen wir den Instagram-Account mit, wo wir immer wieder die Möglichkeit haben, Content zu erstellen. Wir haben auch Berichte auf der Südwind Homepage. Eine Zeit lang haben wir auch Podcasts gemacht und ein Beitrag ist von uns auch mal im Südwind Magazin erschienen. Wir können immer frei auswählen, was mir machen wollen, worauf wir Lust haben und was uns gerade auf dem Herzen liegt. Für die Themen, die wir genauer beleuchten möchten, bekommen wir Raum, um uns dazu zu äußern.
KiJuKU: Wo stehst du gerade im Leben?
Nicola: Nach der Matura wollte ich nicht direkt, in irgendeinen Berufszweig oder in ein Studium einsteigen. Ich habe mir ein Jahr Zeit genommen, um verschiedene Berufsfelder und Praktika auszuprobieren. Zum Beispiel habe ich in einer Caritas Einrichtung in Wien und Salzburg gearbeitet. Im Winter war ich Skilehrerin. Mit Südwind hatte ich die Möglichkeit, nach Brüssel mitzukommen. Ich habe angefangen, mich mit verschiedene Studienrichtungen zu beschäftigen und in dem Jahr habe ich gemerkt, dass ich mich für Umweltpädagogik interessiere. Das Jahr hat mich schon ziemlich in meiner Entscheidungsfindung geprägt. Ich werde Umweltpädagogik an der FH (FachHochschule) für Agrar und Umweltpädagogik studieren. Ich bin froh, dass sich das mit Südwind ergeben hat, denn da bin ich zu immer mehr Events und Aktionen mitgekommen und auch auf eine Reise. So habe ich das gefunden, was ich wirklich machen möchte.
Stefanie Kadlec, 17 und
Follow@kiJuKUheinz
Zum Interview mit Aeron geht es hier unten
Und zu einem Überblicks-Bitrag über dieses „Rebels-of-Change“-Wochenende samt vielen Fotos, den Forderungen und dem dabei erarbeiteten Manifest geht es hier unten.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… konnte gegen Ende des „rebellischen“-Jugend-Workshops sich ein bisschen umschauen und -hören und durfte mit zwei jungen Teilnehmer:innen Interviews führen.
KiJuKU: Wie kann man sich diese Workshops „Rebels of Change“ vorstellen?
Aeron: „Rebels for Change“ ist eine Initiative von Südwind mit konkreten Forderungen, die vorher zusammengetragen worden sind. Ich habe mich vorher nicht besonders damit beschäftigt, sondern habe nur gesehen, dass es das gibt und mich angemeldet. Jetzt bin ich hier und es hat mir voll getaugt. Für die Workshops haben wir uns zügig in drei Gruppen aufgeteilt. Es gab Comics-Zeichnen, Bildhauerei/Gießen und einen Schauspielkurs.
KiJuKU: Wofür steht eure Initiative?
Aeron: Man kann es zusammenfassen in alles, was in Richtung Klimaschutz, Feminismus und Tierschutz geht.
KiJuKU: Wie genau bist du zu Südwind gekommen?
Aeron: Ich bin derzeit dank einer kleinen Umstellungsphase in einer AMS (Arbitsmarkservic) Teilzeitstruktur als Teilnehmer. Meine Betreuerin hat es im Internet gesehen und gesagt, das wäre was für mich. Das ist ganz unkompliziert gegangen.
KiJuKU: Das heißt, dass du dich auch schon vorher in diversen oder unterschiedlichsten Initiativen engagiert hast?
Aeron: Als Fridays for Future 2019 angefangen hat, war ich bei ein paar wenigen Streiks dabei. Dann war Corona und während meinem Maturajahr bin ich durch Zufallslosung zum Klima-Rat (rund 100 zufällig ausgeloste Bürger:innen hatten in mehreren Monaten an Wochenenden sich auf gemeinsam Forderungen für mehr Klimaschutz geeinigt und dies der Politik übergeben) gekommen. Aus dem Klimatrat der BürgerInnen hat sich der Verein des Klimarats der BürgerInnen gebildet, der versucht mit Veranstaltungen Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung zu schaffen. Im Rahmen dessen bin auch weiterhin im Klimabereich aktiv.
KiJuKU: Klima ist sozusagen dein Schwerpunktthema?
Aeron: Eigentlich schon. Ich gehe als Klimarat in Schulen und halte Vorträge. Nebenbei engagiere ich mich auch für Feminismus und gegen Sexismus, zum Beispiel in der Verwandtschaft oder am Dorfstammtisch, aber das weniger in einem größeren Ausmaß, sondern nur im Privatbereich.
KiJuKU: Aus welchem Dorf bist du?
Aeron: Ich bin aus Oberösterreich, dem Innviertel, aus dem Bezirk Ried im Innkreis. Die Gemeinde ist Kirchdorf am Inn.
KiJuKU: Du hast gesagt, du engagierst dich auch im privaten Bereich. Geht es darum, mit den Leuten zu diskutieren und sie zu überzeugen?
Aeron: Genau, alte Sichtweisen aufzubrechen, Verständnis dafür zu schaffen, dass sich das Denken geändert hat und Gedanken challengen. Dass ich ihnen einfach ein anderes Beispiel vorzeige, wo es ihnen dann wie Schuppen von den Augen fällt. Natürlich bin ich oft konfrontiert, dass jemand sagt: „Dann derf ma ja überhaupt nix mehr sogn!“
Darum geht es ja. Wenn man sein Leben lang eingetrichtert bekommt, das passt schon, und dann kommt ein Junger und sagt: Das passt nicht
KiJuKU: Ist das in einem kleinen Dorf nicht schwieriger als in der Großstadt?
Aeron: Durchaus. Ich bin am Dorf geboren und aufgewachsen, ich bin ein Dorfkind mit Leib und Seele. Mit allen negativen Seiten, die das Dorfleben mit sich bringt, zum Beispiel die Verbreitung von Nachrichten und Gerüchten wie ein Lauffeuer und dass dich alte Leute am Stammtisch nicht verstehen oder sagen: „Mei du liabs Mädel, du Schatzi.“ Was man dann auf der anderen Seite doch aber hinnimmt, weil man es nur so gekannt hat. Das ist eine kleine Gratwanderung.
KiJuKU: Du fühlst dich im Dorf aber trotzdem wohl, auch wenn du wahrscheinlich eine Minderheitenmeinung hast.
Aeron: Ja absolut. Als ich mir meine Haare abgeschnitten habe oder auf einmal ein Regenbogenband getragen habe, habe ich über Umwege mitbekommen, dass die Leute eine Freundin von mir angeredet und gefragt haben, was mit mir los sei. Ob ich nicht weiß, was ich bin oder was ich tue.
Ich finde so etwas einfach nur lächerlich, kann aber zum Glück darüber lachen. Ich habe meiner Freundin gesagt, sie soll ihnen einen schönen Gruß ausrichten und nächstes Mal sollen sie einfach zu mir kommen, dann kann ich es ihnen erklären. Ich nehme so etwas recht unkompliziert und habe auch das große Glück, dass mein Familienumfeld, was meine Identität betrifft, sehr offen ist.
KiJuKU: Du hast dir deinen Namen selber ausgesucht, wie kamst du auf „Aeron“?
Aeron: Ich hab gefragt, „Hey du Spezl, was sind deine top zehn geschlechtsneutralen Namen. Er schickt mir eine Liste. Der wird’s. Es hört sich komisch an, aber so war es.
KiJuKU: Deine Tattoos stellen chemische Verbindungen dar?
Aeron: Das sind Dopamin und Serotonin, die Glückshormone. Das ist die einzige Chemie, die ich in meinem Körper haben will und von der ich glaube leider zu wenig zu haben.
KiJuKU: Was nimmst du jetzt von den zwei Tagen mit?
Aeron: Dass man Forderungen auch kreativ verarbeiten kann und dass es da Möglichkeiten gibt, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Ich habe mich für Comics entschieden. Es muss nichts Aufwendiges sein, es reichen so simple Sachen, wie ein Strichmanderl.
Stefanie Kadlec, 17 und
Follow@kiJuKUheinz
Zum Interview mit Nicola geht es hier unten
Und zu einem Überblicks-Bitrag über dieses „Rebels-of-Change“-Wochenende samt vielen Fotos, den Forderungen und dem dabei erarbeiteten Manifest geht es hier unten.