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Szenenfoto aus "Entfalten", Theaterclub 4 im Burgtheater

„Jetzt beginnt die schambefreite Zeit!“

Vor einem Vorhang aus Stoffstreifen in verschiedenen pastellartigen Rot-Tönen performen 15 Frauen reiferen Alters in beigen Mänteln, jede mit einer Krawatte. „Entfalten“ nennt sich ihr Stück, das Ingeborg Apoloner, Ursula del Bello, Simona Edelman, Irene Edtmayer, Gabriele Fahrner, Margareta Gabriel, Sabine Gasper-Mautes, Elisabeth Hofbauer, Barbara Huemer, Caroline Koczan, Ingrid Porzner, Elisabeth Schmidauer, Michaela Storck, Ursula Vita, Eva-Maria Weingart-Jelinek unter der Leitung von Regie: Katrin Artl (Regie) sowie Alexandra Kurčíková (Assistenz und Dramaturgie) in den vergangenen Monaten im Theaterclub 4 des Burgtheaters gemeinsam entwickelt, erarbeitet und geprobt haben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Entfalten“, Theaterclub 4 im Burgtheater

Was mit den schüchternen, zurückhaltenden Sätzen wie „ich bin nicht bereit dazu. Nein, ich kann hier sicher nicht über Sex reden. Ich weiß ja nicht wie, habe keine Sprache dafür“… beginnt, entfaltet sich nach und nach zum doch zunehmende offenerem Reden und szenischen Spiel über alle möglichen Aspekte von Sexualität und nicht zuletzt jener im Alter.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Entfalten“, Theaterclub 4 im Burgtheater

Erinnerungen

Von Erinnerungen an die eigenen Jugend, klischeehaften, überkommenen Erziehungs- und Maßregeln, wie Mädchen sich zu verhalten hätten über machohafte Jungs und später Männer, in deren Rollen einige der Darstellerinnen schlüpfen, bis hin zu Puppenspiel mit Stoff-Plüsch-Vulven zwischen den Streifen des oben erwähnten Vorhanges. Diese Streifen (Bühnenbild und Kostüm: Jonas Rissbacher, Alexandra Kurčíková) werden vielfach verwendete Requisiten in so manchen der Szenen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Entfalten“, Theaterclub 4 im Burgtheater

Befreiung

Obwohl – in vielen westlichen Ländern – Sexualität in Wort und (bewegten) Bildern fast allgegenwärtig ist, wirkt sie im Zusammenhang mit Alter und da nochmals speziell bei Frauen noch immer wie ein Tabu. Dieses brechen diese 15 Frauen Szene für Szene, mal ernst, sehr oft aber auch mit viel (Spiel-)Witz auf, agieren letztlich mehr als „entfalten“, ja eher entfesselt. Ein aufatmender Spruch gegen Ende: „Jetzt beginnt die schambefreite Zeit!“

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Szenenfoto aus „Entfalten“, Theaterclub 4 im Burgtheater

Mit ihrer Performance stießen die Plus 60-Darstellerinnen beim Publikum jeden Alters auf seeeehr viel erleichterte, befreite und befreiende Zustimmung und den Wunsch so mancher: Das sollten noch viel mehr (ältere) Menschen sehen können.

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Szenenfoto aus "Da te ni sram" (schäm dich)

Tollpatschiger Oktopus, Klau-Schildkröte oder Zwergesel

Scham bzw. Schamlosigkeit war nicht nur das Thema der Performance „Da te ni sram“
(Schäm dich) eines internationalen Gastspiels mit drei Aufführungen im Rahmen des Puls Festivals im Dschungel Wien. Auch die Form, der Auftritt selber, pendelte zwischen den beiden Polen – zumindest jene, die Kinder I Jugend I Und mehr… sah. Denn hier mussten sich die Zuschauer:innen zu Beginn via QR-Code in einer App gelandet, für eines von drei Fantansie-Tieren entscheiden: Tollpatschigem Oktopus, kleptomanische (zwanghaft stehlende) Schildkröte, Zwergesel.

Tanz, Monolog, Emojis, Musikvideos

Die Wahl führte zu einer Farbe und damit zu einer von drei verschiedenen Bühnen mit unterschiedlichen Performances. Gleich – so ergaben die Gespräche danach – waren die klobigen und doch irgendwie eleganten Stiefel, die ein wenig an Skischuhe erinnerten in denen sich die Performer:innen dennoch gekonnt, tänzerisch bewegten. Gleich auch die Struktur aus Bewegung, projizierten Emojis, Musik-(Videos), Erzählungen, die teils wirkten, als wären sie aus dem echten Leben gegriffen und dann wieder eigener heldenhafter Vorstellungen entsprungen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Da te ni sram“ (schäm dich)

Gruppe „Zwergesel“ mit Farbe Pink ließ einen Mann erleben, der sich an seine Pubertät erinnert und vor allem durch Zurschau-Stellung überspitzten Macho-Gehabes dieses der Lächerlichkeit preisgab. Nejc Jezernik ließ aber auch Einblicke in so manch peinliche Momente zu, die dennoch über eine Spur Humor, Distanz zwischen sich und das Publikum legte.

Zu schnell

Die gesprochenen Passagen auf Slowenisch wurden von englischen Untertiteln begleitet. Die liefen allerdings zu schnell ab, um sie alle jeweils ganz lesen zu können. Sprechen/hören geht in der Regel eben schneller als lesen! Was übrigens dazu führte, dass manche der Besucher:innen, wie sie danach berichten, bald ganz aufhörten mitzulesen. Schade.

In der letzten Phase konnten alle via SmartPhones live in der App chatten und posten, was allerdings ein wenig bemüht wirkte.

Wie auch immer, vor fast eineinhalb Jahren hatte „The Pleasure of Shame“, die Abschlussperformance eines der Theater:Klubs im Dschungel Wien (die kürzlich bei der Stella-Preisverleihung nominiert war) zum Thema Scham das (junge) Publikum sicher mehr angesprochen.

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