Fröhlich verlaufen sich zwei Kinder im Wald, wo sie bei einem Lebkuchenhaus landen … das Märchen von Hänsel und Gretel in einem Kinderlied mit Happy Sound. Dass die vom Vater im Wald ausgesetzt werden, weil angeblich die Stiefmutter das so will, spielt im bekannten Lied keine Rolle.
„Klingende Kostbarkeiten“ – fliegende Noten auf dem Screen, dazu ein pseudo-Steirisch eines Art Möchtegern-Moderators aus dem Lautsprecher kündigt die Show Kinderlieder an. Caroline Athanasiadis und Klaus Oppitz vollführen in den folgenden zwei Stunden (eine Pause) in „Kinderlieder aus der Hölle“ einen sehr witzigen Reflexions-Ritt, vom Tempo her meist Galopp, durch – noch immer – bekannte Lieder und TV-Serien durch, mit denen viele Kinder aufwachsen. Ihre (Groß-)Eltern jedenfalls taten dies – denn fast jedes Mal, wenn auf der Bühne eines angestimmt wird, fiel ein Gutteil des abendlichen Publikums bei der vielumjubelten Premiere in der „Kulisse“ als Chor mit ein. Demnächst gastieren sie beim Satirefestival im Theater Forum Schwechat (wenige Gehminuten von der S-Bahnstation entfernt) mit diesem Programm – Details dazu und zum nächsten Termin in der Kulisse in der Info-Box am Ende des Beitrages.
Die Sängerin, Tänzerin, Musicaldarstellerin und Kabarettistin hat sich den Kabarettisten und Autor (u.a. im Kollektiv der Tafelrunde) als vermeintlichen Sidekick und gespielten patscherten „Musiker“ zu dieser Show geholt, der sich im Laufe des Abends auch zur Figur auf Augenhöhe entwickeln darf. Manche der ohrwurmartigen Lieder dekunstrieren die beiden in knappen, punktgenauen Worten. Andere zerlegen sie in Szenen – so das hier eingangs genannte „Hänsel & Gretel“, verlegen es in die Jetztzeit. Caro verwandelt sich in die neue Partnerin des Vaters, die nur an Konsum interessiert ist. Konto (fast) leer, Sparen ist angesagt. Was ist das Teuerste: Kinder… Und so schwingt neben der Kritik an diesem jenseitigen Text auch noch – ohne es an- oder gar auszusprechen – auch noch mit, wie ganze Länder mit Budgets umgehen.
Ein Mann, der eine schlafende Frau „abschleckt“ (Dornröschen), ein Sohn, der nachdem er in die Welt hinausgezogen ist, wieder bei der Mutter einzieht (Hänschen klein), eine Krankheit, die mit Wein kuriert werden könnte und ein Wolf, der gar nicht merkt, dass ihm der Bauch aufgeschlitzt wird (Rotkäppchen)… in fast unzähligen Liedern und Märchen legen die beiden in ihrer rasanten Bühnenshow die Kernbotschaften frei und nehmen sie genussvoll und witzig auseinander. Manches Mal mit – erfundenen – Geschichten über eigene Traumatisierungen, etwa wenn Klaus von seiner Angst, anderntags nicht mehr aufzuwachen, sollte Gott es nicht wollen oder er vielleicht auf ihn vergesse. Immerhin wurde ihm in der Kindheit allabendlich das Schlaflied vorgesungen, in dem es heißt: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt“.
Wie schon kurz erwähnt, nehmen die beiden auch bekannte TV-Serien auseinander – und darüber hinaus auch noch Schlager – nicht nur für Kinder. Bei „gefesselt im Rollstuhl“ von den Kastelruther Spatzen betonen sie extra, dass der Text wirklich aus dem Original der Gruppe stammt. Übrigens eine Formulierung, die noch immer viel zu häufig auch in Medien vorkommt – entgegen dem Erleben der Betroffenen, denen der Rollstuhl die Möglichkeit zur Bewegung von A nach B eröffnet.
Als Höhe- und Schlusspunkt rocken die beiden ein Medley aus bekannten Schlagermelodien mit eigenen kritischen Textzeilen über die Bühne.
Einzig und allein wenigstens eine Nebenbemerkung, dass es durchaus auch andere Kinderlieder gibt gehen dem Abend ab: Etwa die rockigen von Suli Puschban (u.a. „ich hab die Schnauze voll von Rosa“) Kiri Rakete, Cocopelli, Matthäus Bär (auch wenn der als Kinderliedermacher und -sänger aufgehört hat), Bernhard Fibich, Rolf Zuchowski („ich schaff das schon“), die Songs aus den dramatisierten und vertonten Geschichte von Mira Lobe (u.a. „Die Geggis“) oder gar schon aus 1970 Dieter Süverkrüps „Baggerführer Willibald“, in dem die Bauarbeiter den Boss wegschicken und Häuser bauen, in denen sie sich auch selber Wohnungen leisten können.
Eine relativ kleine von Stoff umrandete Bühne auf der großen Bühne – das ist sozusagen die „Box“ der Puppenspielerin Bridge Markland (Idee / Sound-Collage / Co-Regie und nicht zuletzt mitreißende Performance). Derzeit gastiert sie mit „Nathan in the Box“ bei den internationalen Puppenspieltage im niederösterreichischen Mistelbach, übrigens bereits den 46. Der Titel legt nahe, dass sich das 1¼-stündige Stück an Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ orientiert – DEM Klassiker gegen die Bevorzugung einer der großen monotheistischen Religionen. Es geht ums Mensch-Sein, egal ob Christen-, Judentum oder Islam.
Eingebettet in dramatische Geschichten angesiedelt vor fast 1000 Jahren in der Zeit eines der Kreuzzüge der Christen zur Eroberung Jerusalems, dachte sich Lessing Szenen rund um ein brennendes Haus, die Rettung der vermeintlich jüdischen Recha, Pflegetochter des Juden Nathan, durch einen christlichen Tempelritter aus. Dieser wiederum verdankt sein Leben dem muslimischen Sultan Saladin.
Bekannt aus der doch komplizierten Geschichte ist vor allem die Ring-Parabel, die sich Lessing übrigens u.a. von Giovanni Boccaccios „Decamerone“ und anderen Erzählungen sozusagen ausgeborgt hat: Über Generationen hinweg vererben Väter einen wertvollen Ring jeweils an den Lieblingssohn. Dann kommt einmal ein Vater, der seine drei Söhne gleichermaßen liebt. Er lässt zwei perfekte Duplikate anfertigen, sodass niemand erkennen kann, welcher der drei Ringe das Original ist. Nach Vaters Tod und dem folgenden Rechtsstreit der Söhne, urteilt ein weiser Richter, sie sollten sich alle drei bemühen, Gutes zu tun, dann würden sie draufkommen, welcher Ring der ursprüngliche wäre. Natürlich stehen die drei Ringe symbolisch für die drei genannten Religionen.
Diese doch insgesamt komplexe Story verkörpert die Puppenspielerin in einem insgesamt rasanten, knackigen Solo mit leicht wechselnden Kostümen und Kopfbedeckungen im Wechselspiel mit neun Puppen (Puppen / Kostümdesign / Requisiten: Eva Garland) in, aber auch außerhalb der eingangs geschilderten Box – nicht selten auch ganz nahe ans Publikum gehend, laufend oder fast springend (Co-Regie / Dramaturgie: Nils Foerster). Alle Dialoge – ob die scheinbar aus den Mündern der Puppen oder der Performerin kommen aus dem Off – via Computer über Lautsprecher. Acht verschiedene Künstler:innen haben die Rollen- und Dialogtexte der schon genannten und weiterer Protagonist:innen eingesprochen. Der Ton läuft vom Start weg durchgängig ab – somit muss sich Bridge Markland – tritt nur unter diesem Künstlerinnen-Namen auf – voll an diesem orientieren, keine Sekunde Zeit zu verschnaufen oder sich mit der einen oder anderen Puppe zu verheddern.
Markenzeichen der Künstlerin, die ursprünglich vom modernen Tanz kommt, einige Klassiker aber auch Drag-Shows im Repertoire hat: Neben den gesprochenen Sätzen bringt sie viel Musik zu Gehör – kurz und kürzest angespielte Hits, Songs, Schlager aus unterschiedlichsten Generationen und die voll passend zur jeweiligen Situation von Talking Heads‘ „Burning down the House“ bis zu John Lennons „Imagine“, von „Die Ärzte“ bis zu „Schwesta Ewa“, von „Jesus Christ Superstar“ bis zu „Herr der Ringe“… (Sounddesign: Tom Hornig)
Ach ja, Funfact am Rande, passend zur Re- und Upcycling-installation im Foyer: Alles – Die Puppen, die Box und ihre eigenen Kostüme sind so dimensioniert, dass sie in einen großen Rollkoffer passen. „Ich fahr seit Jahrzehnten zu allen Auftritten mit der Bahn“, verrät die Künstlerin nach der Vorstellung.
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