Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Bildmontage aus einem Foto von Preisbüchern und einem von Jurorin Katherina Braschel

„Ich mag politische Texte, die sich etwas trauen“

Katherina Braschel arbeitet als freie Schriftstellerin und Kulturveranstalterin. Sie schreibt darüber hinaus für die Literaturmagazine „Radieschen“ und „Morgenstern“ und gibt Schreib-Workshops, unter anderem im Literaturhaus Wien. Dieses Jahr war sie Teil der Jury für die Exil-Literaturpreise – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat darüber bereits zwei Teile veröffentlicht – Links dazu am Ende dieses Beitrages.
Mit KiJuKU spricht in Braschel über ihr Leben als Autorin, was einen guten Text ausmacht und wieso Tagebuchschreiben nichts für sie ist. Das Interview führte Stefanie Kadlec, Schülerin im Maturajahr, die hier seit einigen Monaten Journalismus-Luft schnuppert.

KiJuKu: Wie bist du zum Schreiben gekommen, war das schon sehr früh?
Katherina Braschel: Meine Mutter hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass ich viel lese und deswegen waren wir auch viel in Bibliotheken, wo ich dann sehr viel Zugang zu Büchern bekommen habe. In der Schule hatte ich Glück mit meinen Lehrpersonen, die mich immer unterstützt haben und auch schon in der Volksschule gesagt haben: Das ist eine tolle Kurzgeschichte. Schreib noch eine. Ich habe in der Schule auch Schreibworkshops besucht und das Schreiben ist mir immer geblieben. Eine Zeit lang war ich mehr im Theaterbereich, also in der Off-Szene, aber das Schreiben war immer da. Ich habe 2019 beschlossen, es auch hauptberuflich zu machen. Ich glaube, es war schon immer da, dadurch weil es auch immer schon meine Ausdrucksform war.

KiJuKu: Du bist in der Jury der Exil-Literaturpreise, wo du Texte lesen und aussuchen musst. Wie sucht man einen Text aus und wann ist ein Text gut?
Katherina Braschel: Eine Jury wird nach verschiedenen Qualifikationen zusammengestellt, aber man kann versuchen, es nach objektiven Kriterien zu machen. Das haben wir auch versucht und hoffentlich gut hinbekommen, aber letztlich sind es auch subjektive Kriterien. Ich fand es total spannend, so viele Texte zu lesen und unterschiedliche Zugänge zu bekommen. Wir hatten auch Texte, wo wir uns in der Jury gar nicht einig waren. Für mich ist ein Text gut, wenn er mich noch länger beschäftigt. Er muss mich irgendwie berühren, er kann mich auch wütend machen und er kann mich auch angreifen. Ich mag es auch, wenn Leute sich in ihren Texten etwas trauen, die Formen sprengen oder erweitern. Bei diesem Preis ist es ein bisschen selbstverständlich, aber ich mag auch politische Texte, die sich etwas trauen.

KiJuKu: Was hast du als Autorin schon veröffentlicht?
Katherina Braschel: Ich habe 2020 das Buch „Es fehlt viel“ in der Edition Mosaik veröffentlicht. Das war ein experimenteller Band, also die Buchhandlungen tun sich schwer es irgendwo hinzustellen und es lag meistens bei Lyrik. Es ist vielleicht auch ein bisschen eine Hilflosigkeit, ich finde es ist keine Lyrik. In dem Buch ging’s um Dokumentieren, da habe ich experimentell gearbeitet und Zitate, Mitgehörtes auf der einen Seite in den Text eingeflochten und auf der anderen Seite Beobachtungen und Reflexionen. Das klingt jetzt ein bisschen trocken, aber es ist auch schwer zu erklären. Es ist ein Text, der sich ums Dokumentieren dreht und um die Frage, wozu man eigentlich das Recht hat zu dokumentieren.

KiJuKu: Schreibst du auch Tagebuch?
Katherina Braschel: Nein, ich habe oft versucht damit anzufangen, aber ich glaube ich bin dazu nicht genug gnädig mit mir selbst. Ich habe dann permanent ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen oder mehrere Tage auslasse. Eine Zeit lang habe ich jeden Tag in ein Notizbuch einen Satz geschrieben. Das hat gut funktioniert und das lese ich auch jetzt manchmal noch gerne durch, weil’s auch ein Satz ist und es macht Freude und das ist auch etwas, was man leicht einhalten kann.

KiJuKu: Hast du irgendeinen Lieblingssatz?
Katherina Braschel: Ein Satz, der nie unwichtig sein wird: Kein Mensch ist illegal.

Stefanie Kadlec, 18

Großgruppenfoto von Preisträgerinnen, Juror:innen...

Gewinne – für die österreichische Literatur

Eine dreisprachige Familie steht im Zentrum des Textes der Siegerin, in anderen Texten kommen mehrere Sprachen vor, die Jugendlichen des prämierten Schulprojektes versetzten sich in Altersgenoss:innen in verschiedensten Teilen der Welt… Über die Texte der Schülerinnen samt kurzen Interviews mit jenen sechs der sieben die zur Preisverleihung gekommen waren, gibt es einen eigenen Beitrag, der schon früher erschienen ist – Link dazu am Ende dieses Beitrages: „Wenn ich bei der Geburtslotterie nicht gewonnen hätte…“

„Schreiben zwischen den Kulturen“ ist das Motto der heuer (2023) zum 27. Mal vergebenen Exil-Literaturpreise. Nach vielen Jahren auf der Buch Wien – wo der zeitliche Rahmen immer sehr begrenzt war – fand die Preisverleihung nun auch schon zum wiederholten Mal im Literaturhaus Wien statt. Heuer mit leider nur recht kurzen Auszügen aus den ausgezeichneten Texten.

Einige der Covers von Preis- und anderen Büchern der Edition Exil
Einige der Covers von Preis- und anderen Büchern der Edition Exil

Der Bewerb, die Preise und vor allem die Edition Exil, bei der nicht nur die gesammelten vollständigen Preistexte erscheinen – siehe Info-Box -, sondern immer wieder auch Einzelbände vormaliger Preisträger:innen, wirkt damit seit mehr als einem ¼-Jahrhundert befruchtend für die österreichische Literatur. „Heute so bekannte Autor*innen wie Julya Rabinowich und Thomas Perle, Susanne Gregor und Didi Drobna, Marko Dinić, Ljuba Arnautović, Dimitré Dinev und Samuel Mago und viele andere wurden durch die Exil-Literaturpreise entdeckt und zu Beginn ihrer Karrieren im Autor*innen-Coaching im Rahmen der Exil-Autor*innenwerkstatt und meist auch mit Erstpublikationen in der edition exil entscheidend gefördert“, schreibt und sagt Christa Stippinger, Herz, Seele und Motor des Bewerbs und der Edition.

Alle drei Sprachen wohnen in meinen Eltern

„Ich weiß, dass in jeder Sprache ein anderer Mensch steckt. Mein Vater ist sanft, wenn er Ukrainisch spricht“, heißt es an einer Stelle von „Platz für Enge“, dem Text, mit dem Anastasiya Savran den Exil-Literaturpreis 2023 – von 1999 Einreichungen) gewonnen hat. „Mutter hingegen ist geradlinig, gerecht und streng. Ihre russische Sprache und den Tonfall nehme ich an, wenn ich überzeugen will. Wenn wir diskutieren und jeder den eigenen Standpunkt durchzusetzen versucht.
Und Deutsch? Das ist die Sprache, die ich verwende, um zu erklären. Es ist die Sprache, um sich Neuem anzunähern. Wir reden deutsch, wenn etwas noch fremd für uns ist.
Ich weiß auch, dass alle drei Sprachen in meinen Eltern wohnen. Aber seit einem Jahr hat sich etwas verändert…“

Die Autorin ist als sehr junges Kind (eineinhalb Jahre) nach Österreich gekommen. „Als meine Familiensprache bezeichne ich Ukrainisch, weil es für mich eine starke Bedeutung hat, in Bezug auf Emotionen und den Wortschatz. … Mit meinen Brüdern oder Schwestern rede ich Deutsch, und obwohl wir die Sprache beherrschen, ist es anders, als wenn wir Ukrainisch sprechen“, wird sie im Preistexte-Band zitiert. „Für mich persönlich ist Heimat kein Ort, den man mit einer Pin-Nadel auf einer Karte festlegt, sondern ein Wert, und der kann in zwei, drei oder vier Ländern liegen.“

Savran, die am Gymnasium im Wiener Theresianum naturwissenschaftliche Fächer unterrichtete, ist nunmehr Lehrende und Forscherin an der Pädagogischen Hochschule Wien 10 – Schwerpunkt Naturwissenschaften, IT in Verbindung mit Kunst (STEAM – Science, Technology, Engineering, Arts, Mathematics) – womit sie noch ganz andere Sprachen in ihr Leben integriert – und obendrein vermittelt;)

Zwischen Sprachen switchen

„In meiner Sprache kann ich nicht schlafen, dormire, il sonno heißt aber der Schlaf. Insonne werde ich, als er mir ausweicht. Sogar manche Pflanzen nehmen nachts eine Schlafposition ein, lese ich, die Blätter nach unten. Blüten schließen sich meistens. Ob sie auch wirklich schlafen, weiß ich nicht“, schreibt Wania Laila Castronovo in „Insonne. Berichte aus einer anderen Landschaft“. Damit gewann sie den zweiten Preis. Immer wieder switcht sie zwischen Deutsch und Italienisch (manches Mal in Fußnoten im Buch übersetzt) und bringt das in zwei kurzen Sätzen auf den Punkt: „Am liebsten die Sprache vermischt. Am genauesten spreche ich gemischt.“

Hierarchie von Sprachen

„Das Ungleichgewicht der Grenzen“ betitelte Sára Köhnlein ihren Text, mit dem sie auf Platz drei des aktuellen Bewerbs kam. Und in dem sie unter anderem die „herrschende“ Hierarchie von Sprachen thematisiert. Aus dieser Passage sei hier zitiert:

„Doch es ist mehr als der Inhalt, es ist die Sprache selbst. Er ist der, der alle Sprachen sprechen darf; wenn er Deutsch redet, antworten die Menschen auf Deutsch, um die Sprache zu üben. Wenn er Tschechisch spricht, wird er für seine Kenntnisse gelobt. Wenn er Englisch spricht, sagt man, er beherrsche so viele Sprachen.
Auch in der Familie bemerkt Ludvika das subtile Ungleichgewicht, das in allen Aspekten des Lebens vorhanden ist. Wenn sie in Deutschland sind und Mutter auf Deutsch spricht, wird sie korrigiert, während Vater in Tschechien viel häufiger gelobt wird. … eine Sprache ist immer mächtiger als die andere, eine Sprache hat mehr Geld als die andere, … In Ludvika wohnen beide Sprachen und in ihrem Haus wohnen beide Elternteile.“
Auch in der Familie bemerkt Ludvika das subtile Ungleichgewicht, das in allen Aspekten des Lebens vorhanden ist. Wenn sie in Deutschland sind und Mutter auf Deutsch spricht, wird sie korrigiert, während Vater in Tschechien viel häufiger gelobt wird. … eine Sprache ist immer mächtiger als die andere, eine Sprache hat mehr Geld als die andere, … In Ludvika wohnen beide Sprachen und in ihrem Haus wohnen beide Elternteile.“

Lyrikpreis

In diesem Jahr wurde auch ein Lyrikpreis vergeben. Dieser ging an Lorena Pircher für ihren gedichteten Text „Neujahr“ über zerrissene Gefühle einer Familie im Exil. Daraus sei der  Abschnitt V (von sechs -in römischen Ziffern) zitiert: (alles in Kleinschreibung im Original) „geruch von schafwolle und essig duft der geborgenheit heu orecchiette geschälte tomaten wir inhalieren einen schluck wein und / die scalda ’nduja zischt leise das fleisch köchelt / spalmare ein wort das meinen gaumen füllt meine augen folgen der hand meiner schwester / sie liest matilde serao nach dem essen obwohl die worte ihr wie geröll im mund lasten einzeln gegen die zähne schlagen fremdkörper in ihr / wir kinder sprechen die madrelingua nur mehr selten rauchschwalben pendelnd zwischen dem was wir nicht loslassen wollen und dem was wir noch nicht erfassen können / niemals vergessen wollen was wir erinnern können niemals vergessen woher wir kommen.“

Deutsch als Erstsprache

Seit vielen Jahren vergeben die Exil-Literaturpreise auch einen für Autor:inen mit Deutsch als Erstsprache. Dieser ging 2023 an Lisa-Viktoria Niederberger für „Gittka“. Ihre Protagonistin lebt im Altersheim – und die Autorin verwebt ihr dortiges Dasein mit Erinnerungen an deren eigene Geschichte. Darin heißt es unter anderem:
„Gittka und ihre Eltern.. gehören zur Gruppe der Vertriebenen, sind Displaced Persons. Ein Drittel der Menschen in Linz nach dem Krieg waren KZ-Überlebende, Flüchtlinge, Vertriebene. Ich habe in der Schule nicht viel über diese Stadt in jener Zeit gelernt. Auch die Volksdeutschen, die Karpatendeutschen, waren lange Zeit nur eine Fußnote in meinem Wissen über Zeitgeschichte. Irgendwann ändert sich das, will ich diese Lücken füllen, mit Büchern, Dissertationen, Besuchen in Archiven. Meine Primärquellen sind tot.“

Jugendpreis

„Vom Vergessen. Vom Kritzeln.“ Nannte Estera Calin ihren poetisch, phasenweise fast mystischen-Mythischen Text. Mit dem gewann sie die Jugendkategorie bei den Exil-Literaturpreisen 2023. In diesem Jahr hatte sie in Linz maturiert, wohin sie erst wenige Jahre zuvor aus Chișinău (Hauptstadt der Republik Moldau) mit ihrer Familie gekommen war. Die ersten zwei Lebensjahre verbrachte sie in Gagausien, einem autonomen Gebiet in diesem kleinen Land.

Zitat aus dem ausgezeichneten Text: „Vielleicht waren ihre Worte im Innersten faul, bereits verrottet.
Vielleicht hatte sie nicht die richtige Sprache gesprochen.
Vielleicht war sie einfach nur wahnsinnig verliebt in Worte, die niemand verstand.
Folclor. Бабушкин суп. Criză economică. Клянусь, я пришла сюда не для того, чтобы есть ваши деньги. Ihre Worte, ihre Kinder. Ihre unschuldigen, süßen Kinder. Die sie sprechen würde. Die sie singen würde. Die sie fürchtete, durch den bloßen Akt des Vergessens getötet zu haben.
Die sie jetzt so verzweifelt wiederbeleben wollte, aber sie wollten nicht kommen.
Vielleicht haben sie sie vergessen.“

Jurorin und Moderatorin Jessica Beer
Jurorin und Moderatorin Jessica Beer

Jurorin und Moderatorin

„Nur eine Literatur, die Mehrsprachigkeit nicht nur zum Thema macht, sondern aus der Mehrsprachigkeit kommt und sie in vieler, oftmals erstaunlicher Weise selbst praktiziert, kann uns Leser*innen all das zeigen. Und darum, so denke ich, sollten vielleicht gerade Autor*innen, die mit großer Souveränität ihre einzige eigene Sprache handhaben, sich diesen mehrsprachigen Texten aussetzen…“, schreibt Jessica Beer, Mitglied der Jury und Moderatorin der Preisverleihung im Vorwort zum aktuellen „preistexte“-Band.

Follow@kiJuKUheinz

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Fotos von der Lesung und der Musik

Weitere Fotos von der Preisverleihung

Alle - anwesenden - Finalist:innen des Schreibbwerbs Texte 2023 - mit den Schauspieler:innen, die aus diesen szenisch lasen

And the winner is: Kreative Texte Jugendlicher

„Er stammt aus der Imagi-Nation, dort sind alle eingebildet“, tröstete mich die Frage. Eine Weile gingen wir dahin, bis sich uns eine Wand, unüberwindbar, in den Weg schob. „Sehr unangenehm. Darf ich vorstellen. Die Schreibblockade“, sagte die Frage und trat mit voller Wucht gegen das Urgestein. Das Mauerwerk blieb schwer unbeeindruckt. „Jenseits von ihr liegen der magische Schreib-Fluss und die große weite Geschichtenwelt. Ach, wie gerne ich sie überwinden würde, aber dazu brauche ich eine Antwort.“

Diese Sätze stammen aus „Graue Zellen – geschüttelt, nicht gerührt“ von Eleftheria Walzer. Es ist einer der fantasievollen, tiefgründigen, sprach- und gedanken-verspielten Final-Beiträge zum Thema „Kein Ende“ aus jungen Köpfen und Händen des Schreibbewerbs „Texte. Preis für junge Literatur“. Zum 13. Mal ging – mit Ausnahme der Corona-Jahre mit ihren digitalen Lesungen – dieses Finale in einer Gala in der Burgtheater-Spielstätte Kasino am Schwarzenbergplatz über die (dieses Mal unterbeheizte und damit ziemlich kühle) Bühne.

Dietmar König, Sarah Zaharanski, Dorothee Hartinger und Markus Meyer lasen aus den 25 Finaltexten - jeweils zwei Minuten
Dietmar König, Sarah Zaharanski, Dorothee Hartinger und Markus Meyer lasen aus den 25 Finaltexten – jeweils zwei Minuten

Schauspielerinnen und Schauspieler des Burgtheaters – diesmal mit einer Gästin des Salzburger Landestheaters – lasen Auszüge aus den 25 Final-Beiträgen. Und zwar alle gleichwertig. Jeweils zwei Minuten – dann gab’s eine „akustische Intervention“ in Form einiger Gitarrenklänge des Jugendlichen Wenzel Beck, der dieses Mal für die musikalische Umrahmung sorgte. Bei einigen wenigen Texten musste er auf seine „Intervention“ hingewiesen werden, weil diese knappen Texte kürzer waren als das einheitliche Format.

Best 25 out of 510

Obwohl Wettbewerb samt Jury – neben dem Online-Voting – und einer Rangfolge der drei Erstplatzierten, strahlt dieser Bewerb eine große Gemeinsamkeit aus: Leidenschaft und Lust Jugendlicher, Gedanken in Worte, Sätze zu fassen, und zwar in literarisch ausgetüftelter Sprache. Und die Würdigung dieser kreativen Leistungen durch die große Bühne – samt der oben schon erwähnten – gleichwertigen Präsentation von Auszügen aller Finaltexte – übrigens 25 von 510 Einsendungen für diese 13. Ausgabe, die siebente des Vereines „Literarische Bühnen Wien“. Außerdem organisiert der Bewerb Workshops mit Schriftsteller:innen, in denen die Final-Teilnehmer:innen sich mit den Fachleuten austauschen und so manches dazulernen konnten.

Trotzdem 1, 2 und 3

Und dennoch gab/gibt es Texte, die – aus Online-Voting und Jury – nochmals hervorgehoben wurden. Und so gewann Yiannis Pagger aus Graz von der künstlerischen HTL Ortweinschule mit „Bär ist gleich Bär“ vor Lisa-Marie Wallner vom wirtschaftskundlichen Gymnasium Graz, die „Generation Schneeflocke“ geschrieben hatte und dem Schüler der Sir Karl Popper Schule im Wiedner Gymnasium Philip Pecoraro und dessen Texte „Hurghada“.

Mit allen dreien konnte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… kurze Interviews führen – die als eigene Beiträge hier weiter unten verlinkt sind.

Dietmar König, Cornelius Obonya und Dorothee Hartinger lesen den Siegertext von Yiannis Pagger
Dietmar König, Cornelius Obonya und Dorothee Hartinger lesen den Siegertext von Yiannis Pagger

Große Lese-Empfehlung

Empfohlen sei aber vor allem zumindest hineinzulesen in den einen oder anderen – am besten durchaus in alle 25 Texte – auf der (ganz unten verlinkten) Homepage des Bewerbs. Vielleicht als Anreiz nur auch noch kurze Zitate aus einem Text aus dem einige der Sprachspiele durchs Schriftbild besser zur Geltung kommen als beim Hören der wunderbaren fast szenischen Lesung – Dorothee Hartinger, Dietmar König, Markus Meyer, Sarah Zaharanski: „G. Dan-Ken“ steht auf dem kleinen Schild am Holztisch…“ beginnt Sophie Schuster aus dem Bernoulligymnasium ihren Text „Gelöscht“. In dem lässt sie „Text I. Dee“ nach einem Ende suchen lässt 😉

Cornelius Obonya, Schauspieler und bislang Obmann des Vereins
Cornelius Obonya, Schauspieler und bislang Obmann des Vereins „Literarische Bühnen Wien“ gratuliert dem Sieger des Bewerbs 2023, Yiannis Pagger

Surreal und skurril

Traditionsgemäß wurde der Text von Platz 1 – wie schon erwähnt von Yiannis Pagger – nach der Verleihung der Preise in voller Länge gelesen, dieses Mal von Cornelius Obonya, der damit auch das Ehrenamt des Obmanns des Vereins übergab – an Markus Meyer. Intendant und das Gesicht des Bewerbs bleibt sein Erfinder Christoph Braendle, Seele und Motor im Hintergrund Margit Riepl.

„Der Text ist wunderbar surrealistisch und skurril und steht dabei dazu. Man fragt sich ständig wie es als nächstes weitergeht und was diese wundersame Fahrt im Transporter zu bedeuten hat. Der*die Autor*in (die Jury bekam die Texte anonymisiert, wusste also gar nicht, wer sie geschrieben hatte) hat eindeutiges sprachliches Geschick, was sich für uns vor allem in den unterschiedlichen Stimmen der Charaktere wiedergespiegelt hat – alle haben sie ihre eigene Ausdrucksweise und Charakterisierung – in einem kürzeren Text ist das, unserer Meinung nach, nicht einfach zu bewältigen und zeugt von Kreativität und handwerklicher/ sprachlicher Gabe. … er war spannend, lustig und interessant zu lesen zugleich.“

Top-Trio: Lisa-Marie Wallner (2., ganz links, Yiannis Pagger (1., Mitte) und Philip Pecoraro (3., rechts)
Top-Trio: Lisa-Marie Wallner (2., ganz links, Yiannis Pagger (1., Mitte) und Philip Pecoraro (3., rechts)

Lebenssituationen einer ganzen Generation

Zu Platz 2 begründete die Jury unter anderem: „Die Lebenssituationen von sechs jungen Menschen werden hier geschickt miteinander verwoben und so entsteht in einem relativ kurzen Text ein sehr anschauliches Bild einer ganzen Generation.“

Top-Trio: Lisa-Marie Wallner (2., 2. von links, Yiannis Pagger (1., Mitte) und Philip Pecoraro (3., rechts) mit Corenlias Obonya, ganz links)
Top-Trio: Lisa-Marie Wallner (2., 2. von links, Yiannis Pagger (1., Mitte) und Philip Pecoraro (3., rechts) mit Corenlias Obonya, ganz links)

Generationen-übergreifend

Aus der Jury-Begründung zu Platz 3: „Beeindruckend war für uns, wie gut es einem jungen Menschen gelingt, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt einer 80jährigen Frau einzufühlen und wie kompetent das dann sprachlich und erzählerisch umgesetzt wird.“

Demnächst

In einer Woche werden andere Nachwuchs-Literaturpreise vergeben – die exil-Literaturpreise „Schreiben zwischen den Kulturen“. Dabei gibt es jedes Jahr auch einen Jugendliteraturpreis sowie einen für Schulprojekte. KiJuKU wird – wie jedes Jahr – auch darüber berichten.

Follow@kiJuKUheinz

„In Hurghada fallen Schneeflocken auf Bären“… – aus der Jurybegründung

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Zu Interviews mit Preisträger:innen geht es hier unten

Verwandte Beiträge über junge Literat:innen

Bericht über den Texte-Bewerb des Vorjahres

texte.wien -> Finalttexte

Texte 2023-Zweite Lisa-Marie Allner mit "Generation Schneeflocke"

Schreib gern und viel auch auf einer Online-Plattform

In „Generation Schneeflocke“ beschreibt Lisa-Marie Wallner die Lebenssituation von sechs Jugendlichen als „anschauliches Bild einer ganzen Generation“ (aus der Jurybegründung). Sie belegte damit Platz zwei im aktuellen Schreibbewerb „Texte. Preis für junge Literatur“. Stefanie Kadlec, Schülerin im Maturajahr und Praktikantin bei Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, bat sie nach der Preisverleihung zum Interview.

KiJuKU: Wieso hast du angefangen zu schreiben?
Lisa-Marie Wallner: Ich habe immer schon gerne gelesen und irgendwann angefangen, selbst Geschichten zu schreiben. Bei mir waren es früher Pferdegeschichten. Mit meiner lieben Freundin Kathi habe ich einen Wattpad-Account gestartet und über diese online Schreibplattform bin ich mehr in das ganze Geschichtenschreiben hineingekommen. Ich habe über die Schule zum Wettbewerb gefunden und bin dann hier als Zweite gelandet.

KiJuKU: Wie bist du zu dem Titel „Generation Schneeflocke“ deines Textes gekommen? Was hat dich zu der Geschichte inspiriert?
Lisa-Marie Wallner: Mein Vater hat von einem Zeitungsartikel erzählt, in dem er gelesen hat, dass unsere Generation schon im Burn-out ist und deswegen wurde sie im Artikel als „Generation Schneeflocke“ bezeichnet. Das hat mich dann auf die gesamte Geschichte gebracht mit Vorurteilen und so weiter. Sie hat sich irgendwie so entwickelt im Kopf.

KiJuKU: Ich habe nur den Anfang gehört, aber mir ist aufgefallen, dass der Text genaue Beobachtungen enthält…
Lisa-Marie Wallner: Ich habe versucht, das Leben der heutigen Jugendlichen und – ich kann nicht für alle sprechen – was ich so fühle einzubauen; das, was die Jugendlichen heute beschäftigt, zusammen zu weben.

KiJuKU: Überlegst du, auch beruflich in diese Richtung gehen?
Lisa-Marie Wallner: Ehrlich gesagt bis jetzt nicht. Ich schreibe freizeitmäßig, wenn ich Lust darauf habe und mich was inspiriert. Aber ich habe noch keinen wirklichen Berufswunsch, also kann sein.

KiJuKU: Schreibst du Kurzgeschichten oder auch andere Textarten?
Lisa-Marie Wallner: Meine Freundin und ich haben im vorigen Jahr auf einer Onlineplattform aktiv viel geschrieben, jetzt leider nicht mehr. Wir haben verschiedene Geschichten geschrieben: Geschichtliches, eine Fan Fiction und eine Art Adventkalender mit einer Kriminalgeschichte. Es hat sich erübrigt mit diesem Schreiben und mittlerweile sind es nur noch Kurzgeschichten.

KiJuKU: Hast du irgendwelche AutorInnen, von denen du dir Inspiration holst?
Lisa-Marie Wallner: Die Geschichte, die ich geschrieben habe, war ein bisschen von Anne Freytag inspiriert. Sie schreibt auch von Jugendlichen aus und obwohl sie erwachsen ist, kann man sich so gut in ihre Geschichten hineinversetzen. Mein Text ist ein bisschen an die Bücher angelehnt, die ich toll finde.

Stefanie Kadlec, 18

Zum Bericht über den Bewerb Texte 2023 geht es hier unten

Zu Interviews mit weiteren Preisträger:innen geht es hier unten

Texte 2023-Dritter Philip Pecoraro mit "Hurghada"

Die Texte kommen meistens einfach so

Mit „Hurghada“, einem Text, in dem sich der Jugendliche beeindruckend in die Gefühls- und Gedankenwelt einer 80-jährigen Frau einfühlt, gewann Philip Pecoraro den dritten Platz im aktuellen Schreibbewerb „Texte. Preis für junge Literatur“. Stefanie Kadlec, Schülerin im Maturajahr und Praktikantin bei Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, bat ihn nach der Preisverleihung zum Interview.

KiJuKU: Was hat dich zu deinem Text außer dem Motto inspiriert?
Philip Pecoraro: Das kam eigentlich einfach so. Ich fange an und meistens wird es dann fertig. Es war in dem Fall auch so. In Workshops haben wir auch ein bisschen was geschrieben und da habe ich ein paar Einflüsse hergenommen.

KiJuKU: Ich habe gelesen, du bist im Karl-Popper-Gymnasium, was keine gewöhnliche Schule ist. Wie ist es dort?
Philip Pecoraro: Es ist ein spezieller Schulzweig des Wiedner Gymnasiums und ist eine sehr freie Schulform mit viel Wahlmöglichkeiten. Das ist sehr angenehm.

KiJuKU: Gibt es auch einen Fokus auf Sprachen?
Philip Pecoraro: Den Fokus kann man selbst legen. Man kann ansetzen, wo man ansetzen möchte.

KiJuKU: Welchen Fokus hast du gewählt?
Philip Pecoraro: Eher die Sprachen.

KiJuKU: Welche Sprachen sprichst du noch?
Philip Pecoraro: Spanisch, Französisch, Englisch und Latein.

KiJuKU: Schreibst nur auf Deutsch?
Philip Pecoraro: Hauptsächlich. Ich finde es auf Deutsch am einfachsten und weiß es auch am besten.

KiJuKU: Hast du irgendwelche AutorInnen, von denen du dich inspirieren lässt?
Philip Pecoraro: Ich finde Robert Gernhardt ganz gut. Weiß nicht, ob man den kennt. Das ist ein deutscher Humorist. Uwe Timm lese ich in letzter Zeit ganz gern. Ich finde, die haben einen lustigen lockeren Stil. Sehr angenehm zum Lesen.

Stefanie Kadlec, 18

Zum Bericht über den Bewerb Texte 2023 geht es hier unten

Zu Interviews mit weiteren Preisträger:innen geht es hier unten

Ash Ogg bekam von Alex, Teilnehmer:in der ersten Runde, einen aufwändig gebastelten Blumenstrauß aus bedruckten Papier-Seiten

Schreib schon immer, in letzter Zeit mehr

Ash Ogg sprach nach der Preisverleihung KiJuKU-heinz an und erinnert den Journalisten an eine Begegnung vor zehn Jahren. „Da war ich ungefähr sechs, du kannst dich sicher nicht mehr erinnern, das ist zehn Jahre her!“ Diese wurde aber durch die Schilderung der Mutter lebendig, die darauf hinwies, dass Mia damals beim Projekt „Theaterhotel“ zwischen den fein gedeckten Tischen Räder schlug. Da kamen die Bilder wieder. Aber darum geht’s hier nicht. Seit einem Jahr nennt Mia sich Ash und hat den Text „Du oder ich?“ kurz und bündig geschrieben – einen der wenigen Texte, der von den Schauspieler:innen innerhalb des jeweils 2-Minuten-Slots zur Gänze gelesen werden konnte. Ein innerer Monolog mit der eigenen Angst, Sehnsucht…

KiJuKU: Seit wann schreiben Sie?
Ash Ogg: Seit ich schreiben kann, immer wieder mal, in letzter Zeit aber immer öfter.

KiJuKU: Eigene (Fantasie-)Geschichten oder ausgehend von eigenen Erlebnissen?
Ash Ogg: Meist sehr kurze Texte, oft innere Monologe und teilweise komplett erfundene Sachen, die aber oft einen Kern in der Realität haben.

KiJuKU: Und schreiben Sie meist für sich oder – so wie jetzt hier – auch für die Öffentlichkeit?
Ash Ogg: Meist für mich, erst seit Kurzem hab ich Texte eingereicht.

KiJuKU: War dies der erste Bewerb, wo Sie Texte eingereicht haben?
Ash Ogg: Ja, das war der erste Bewerb, wo ich was eingeschickt habe.

KiJuKU: Und wie kam es dazu?
Ash Ogg: Wir haben eine neue Deutschlehrerin. Damit sie uns besser kennenlernen kann, hat sie uns Texte schreiben lassen und dann gesagt, wenn ihr wollt, könnte ihr euren Text dann bei diesem Bewerb einreichen. Ja, und ich dachte, kann nicht schaden.

KiJuKU: War es dann für Sie eine Überraschung, dass Sie damit gleich ins Finale gekommen sind?
Ash Ogg: Ich hab ihn eingereicht, weil ich Lust dazu hatte, ich hab nicht gedacht, dass ich damit weiterkomme.

KiJuKU: Wie war es hier heute Abend, den eigenen Text – von Profi-Schauspieler:innen gelesen – gehört zu haben?
Ash Ogg: Also ich hätte ihn anders gelesen. Aber es war nicht schlecht.

KiJuKU: Schreiben Sie jetzt weiter?
Ash Ogg: Ziemlich sicher, ja. Ich war jetzt auch ein, zwei Mal bei Poetry Slams.

KiJuKU: Würde Sie das mehr reizen in diesem Stil zu schreiben?
Ash Ogg: Schon, ja.

Follow@kiJuKUheinz

Zum Bericht über den Bewerb Texte 2023 geht es hier unten

Zu Interviews mit weiteren Preisträger:innen geht es hier unten

KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer

Mag gern verschiedene Schreibstile und Perspektiven

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… traf Hannah Oppolzer (23), deren erster Roman kürzlich in einem renommierten Verlag erschienen ist (Link zur Buchbesprechung am Ende des Beitrages) zum Interview. Anmerkung vorweg: Hannah hat schon als Kind und Jugendliche für den Kinder-KURIER, Vorläufer von KiJuKU.at bei Zeitungs-Workshops Artikel verfasst und kam bisher gut ein Dutzend Mal erst im KiKu, später auf KiJuKU.at vor – als erfolgreiche Teilnehmerin beim Jugend-Schreibbewerb texte.wien und mit weiteren berührenden literarischen Texten etwa zum Gedenken an das faschistische Konzentrationslager Mauthausen.

KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer
KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer

KiJuKU: Erstens Gratulation zu deinem Roman. Erste Frage: Wie bist du auf diese Mutter-Tochter-Geschichte gekommen; deiner Danksagung am Ende des Buches entnehme ich ja, dass dieses „verpasst“ weder auf dich noch deine Mutter oder gar euer Verhältnis zutrifft?
Hannah Oppolzer: Es ist immer schwierig zu sagen, wie ich auf eine Idee komme, die Geschichten kommen oft unbewusst zu mir. Mit 17 hab ich sicher als Jugendliche über die Zukunft nachgedacht, wie und was die Zukunft bringen wird oder könnte. Wie schaut mein Leben mit Ende 40 aus? Und was erwartet die Gesellschaft von dir.

KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer
KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer

KiJuKU: Wie schafft es eine 17- und später für den ganzen Roman dann ungefähr 22-Jährige, sich so in eine fast 50-jährige Frau hineinzuversetzen?
Hannah Oppolzer: Das Mysterium der Kreativität ist die große Vorstellungskraft, sich in Figuren reinversetzen zu können, die nichts mit mir zu tun haben. Viele Bücher über verschiedene Frauenfiguren unterschiedlichen Alters kann eigene Erfahrung ersetzen. Mein Text damals als Jugendliche hat irgendwie einen Nerv der Zeit getroffen war das Feedback und das hat mich ermuntert, später daran weiter zu schreiben. Und dazu brauchte es weitre Perspektiven, vor allem jene der Tochter, knapp älter als ich selbst.

Mit ungefähr 19 Jahren hab ich dann eine Urversion des jetzigen Romans geschrieben. Die war doppelt si dich mit vielen Nebensträngen, in die ich viel Persönliches einfließen habe lassen, sozusagen ein erweitertes Tagebuch.

Hannah Oppolzer mti dem druckfrischn Buch
Hannah Oppolzer mti dem druckfrischn Buch

Sprachmüll ausgeräumt

KiJuKU: Von dem jetzt nichts mehr in „Verpasst“ ist, oder?
Hannah Oppolzer: Ich hab den Text dann liegen gelassen. Beim Lesen drei Jahre später hat mich dann vieles gestört, es hat sich veraltet angefühlt, ich hab 2022 die Hälfte weggestrichen – den ganzen unnötigen Sprachmüll.

KiJuKU: Die Mutter blieb aber ohne Namen.
Hannah Oppolzer: Eigentlich wollte ich gar keine der Figuren benennen, das wäre aber beim Lesen zu kompliziert geworden, alle Personen nur mit Pronomen vorkommen zu lassen, so hab ich Allerweltsnamen genommen wie Emma, Georg und so weiter, aber die Mutter sollte namenlos bleiben.

KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer
KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer

KiJuKU: Hattest du den großen Plot schon von Anfang an im Kopf mit dem Wendepunkt, der hier nicht verraten wird. Oder hat sich alles erst beim Schreiben ergeben?
Hannah Oppolzer: Die erste Schwierigkeit war die Frage, komm ich überhaupt wieder rein in die Sprache dieser Geschichte. Ich hab dann zwei, drei Kapitel über die literarische Tochter probiert und es hat atmosphärisch funktioniert. Dann hab ich zu plotten begonnen, mir eine riesige Mind-Map gemacht, jeden Handlungs- und Entwicklungsstrang aufgezeichnet und geschrieben, vor allem auch um mit der doppelten Zeitebene nicht durcheinander zu kommen. Und zum Ende hat der Verlag gesagt: Darüber müssen wir reden, du darfst es dir nicht zu einfach machen.

KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer
KiJuKU-Interview mit Hannah Oppolzer

Mit 12 begonnen

KiJuKU: Ich kenn dein Schreiben ja schon lange von den Beiträgen und Artikeln im Kinder-KURIER bzw. für die Zeitungen bei Workshops, das waren eher Sachthemen. Du hast daneben auch schon literarisch geschrieben?
Hannah Oppolzer: Sobald ich schreiben konnte, habe ich eigene Bücher gebastelt und illustriert. Mit 12 Jahren hab ich beschlossen, einen Bestsellerroman zu schreiben, einige Stunden am Design des Titelbildes und am Klappentext gearbeitet, aber den Text selber nie geschrieben.

KiJuKU: Als du mit Sibirien den Jugendbewerb texte.wien gewonnen hast, hast du mir erzählt, dies werde dein großes Roman-Projekt. Wie kam’s dazu?
Hannah Oppolzer: Da war ich ungefähr 12 ½. Meine Großeltern hatten viele Bildbände über Sibirien, mein Urgroßvater war nach dem 2. Weltkrieg aus einem Lager in Sibirien zurückgekommen, mein Opa hat darüber erzählt. Für mich war das der Ausgangspunkt, an einer Dystopie zu schreiben, die in der Zukunft spielt. Jetzt bin ich ungefähr in der Mitte des dritten Bandes. Und ein Extraband zur Trilogie ist auch schon halbfertig.

KiJuKU: Diese Dystopie ist vom Stil her sicher ganz anders als „Verpasst“, oder?
Hannah Oppolzer: An „Sibirien“ hängt mein Herz, aber ich schreibe gern in verschiedenen Stilen, will mich auch gar nicht auf einen festlegen oder gar festgelegt werden. Ich hab daneben so drei bis fünf Ideen mit bis zu zehn Seiten Plot. Es ist so reizvoll, immer wieder andere Spannungsbögen zu bauen, in anderen Stilen zu schreiben. Deshalb freu ich mich auch auf das Studium in Hildesheim, wo wir die unterschiedlichsten Techniken lernen können.

Hannah Oppolzer mti dem druckfrischn Buch
Hannah Oppolzer mti dem druckfrischn Buch

Autorin und Lektorin

KiJuKU: Zurück zu verpasst – hast du selber Momente/Phasen in deinem bisherigen Leben, wo du etwas verpasst hast? Bzw. Hast du Bilder von dir im Kopf, wo und wie du dich mit 48 Jahren siehst wie „sie“, die Mutter Emmas?
Hannah Oppolzer: Ich bin nicht so der Risikotyp und habe nicht den Anspruch von meinem Schreiben leben zu können. Auch weil ich unter richtigem Druck die Angst hätte, schlecht zu schreiben. Manches brauch viel Zeit – wie eben zum Beispiel „Verpasst“. Meine Wunschvorstellung wäre, zur Hälfte Autorin zur Hälfte etwa als Lektorin in einem Verlag zu arbeiten. Aber seit Kurzem bin ich offiziell selbstständige Künstlerin. Und mit 48 Jahren wie „sie“, also Emmas Mutter seh ich mich Bücher schreiben und mit zwei gut trainierten Hunden.

Follow@kiJuKUheinz

sibirien-demenz-mut-und-zarte-spitze-falter <- im Kinder-KURIER

Vielleicht-muessen-wir-gedenken-weil-zu-wenig-gedacht-wurde <- im Kinder-KURIER

gedenken-weil-damals-zu-wenig-gedacht-wurde <- im Kinder-KURIER

hier-hat-der-tod-gewohnt-geliebt-gelacht-gespeist <- im Kinder-KURIER

denkanstoesse-einer-18-jaehrigen <- im Kinder-KURIER