Die Spielerin des Puppentheaters Maribor aus Slowenien, Lutkovno gledališče Maribor, steht zu Beginn auf der Bühne der Klagenfurter Kammerlichtspiele – im Rahmen des Stella-Festivals – ganz im Dunklen. Licht. Nun ist sie zu sehen. Bald danach auch ihr ziemlich alter Reisekoffer. Diesen verwandelt sich wenige Schritte entfernt zu einer Bühne. Mit Figuren aus Papier und Karton bzw. mitunter auch „nur“ mit ihren Fingern und Händen nimmt sie das Publikum mit auf eine halbe Weltreise. Viel mehr in die Gedankenreise der Erinnerungen der Alma Ida Wilibalda Maximiliana Karlin (1889 – 1950) an ihre große, mehrjährige Reise. Süd-, Mittel- und Nordamerika, Ostasien, Südsee waren die Stationen, die diese in „Einsame Weltreise“ (erschienen 1928) – wie alle ihre Bücher auf Deutsch – festgehalten hatte.
Trotz einer Ausstellung im Wiener Weltmuseum (2021/22) – in Kooperation mit dem regionalen Museum von Celje ist diese Reiseschriftstellerin heute viel weniger bekannt als ihre rund 100 Jahre früher aktive österreichische Kollegin Ida Pfeiffer (geborene Reyer; 1797 – 1858). Die im slowenischen Celje geborene Frau kam mit einer leichten, teilweisen Lähmung zur Welt, wurde von der Mutter, einer Lehrerin sehr, sehr überbefürsorgt wie die Spielerin gleich zu Beginn erzählt. Das alles hielt Alma nicht von ihrem Drang, die Welt oder weite Teile davon zu erkunden und darüber zu schreiben, nicht ab.
Und so führt Vesna Vončina, die gemeinsam mit Darka Erdelji den Stücktext verfasste, das Publikum zu elf Erinnerungen – Dampferfahrten mit beruhigenden langen Abschnitten auf dem weiten, offenen Meer samt plötzlicher heftiger überschwappender Wellen. Abenteuerliche Szenen mit gestohlenem Koffer samt Reisepass, zwangsweise längere Aufenthalte, Nicht-Wissen wie (fast) ohne Geld über die Runden kommen.
Vončina erzählt auf Slowenisch, eingeblendet werden auf der Bühne deutsche Untertitel (Übersetzung: Vesna Crček). In einigen Szenen in Südamerika kommt noch Spanisch ins Spiel. Gleichwertig zu den gesprochenen Erinnerungen lässt die Spielerin die jeweiligen Szenen mit ihren Händen und vor allem papierenen Material (Puppenbau und Bühnenbild: Darka Erdelji, Mojca Bernjak, Branko Caserman, Aleksander Andželović, Lucijan Jošt, Miljenko Knezoci, Urban Saletinger) lebendig werden. Häufig spielen Zündholzschachteln eine große Rolle, so beispielsweise wenn sie damit die Golden Gate Brücke von San Francisco baut; wenngleich die erst rund ein Jahrzehnt nach Almas rund neunjähriger Weltreise errichtet wurde.
Die Bücher von Alma Ida Wilibalda Maximiliana Karlin wurden 1941 von den Nazis verboten, sie wurde von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) verhaftet, kam aber frei, weil – laut Wikipedia – der Offizier, der sie verhörte, ihre Bücher mochte. Sie starb verarmt in ihrer Geburtsstadt Celje und wurde erst spät in Slowenien wieder entdeckt und als Slowenin anerkannt.
2010 wurde in Celje ein Denkmal für sie – mit Koffer in der Hand (Bronzeskulptur) errichtet – Alma auf dem Weg zum Bahnhof. „Die mit einem Nachwort von Amalija Maček versehene Neuauflage von „Im Banne der Südsee“ wurde gegenüber der Originalausgabe von einem Herausgeber an Stellen zensiert, wo Karlin über Menschen in rassistischer Weise schrieb.“
Compliance-Hinweis: Zur Berichterstattung vom Stella-Festival wurde KiJuKU.at von der ASSITEJ-Austria eingeladen.
In einer sehr dichten halben Stunde vermittelt die Schau- und Puppenspielerin Asja Kahrimanović Babnik – mit Unterstützung schlauer fast wie Zaubertricks funktionierender Videoprojektionen – in „Anderswo“ (Nekje drugje) tiefe Gefühle. Da ist zunächst einmal die Verwirrung als Neuankömmling in der Klasse, in einem anderen Land mit anderer Sprache. Wo sie auch nur mehr Mina heißt, weil alle ihren wirklichen Namen für zu schwierig halten und sich dabei sogar „die Zunge brechen“. Und doch ist es eine gewisse Erleichterung, die das Mädchen erlebt. Immerhin ist sie dem Krieg in ihrer Heimat entkommen.
Gleichzeitig lässt die Spielerin von Lutkovno Gledališče (Puppentheater) Ljubljana (Slowenien) derzeit bei einem Gastspiel im Dschungel Wien aber auch die Traurigkeit der Hauptfigur miterleben – ihr Vater musste im Krieg bleiben. Und ihr geliebter Hund Runo wurde von einer Bombe getötet. Das hat sie live noch selbst im Park miterlebt, bevor sie fliehen konnte.
Mit Hilfe einer in alle Richtungen drehbaren metallenen Doppel-Tafel (Ausstattung: Matija Medved) in einer Art Rost-Design, auf der sie mit echter Kreide malt, aber auch mit einer „Fake“-Kreide Strich für Strich die Projektionen von Zeichnungen (Video: Matija Medved, Lea Vučko) erscheinen lässt, „beamt“ sich Mina in ihre Erinnerungen an die glücklichen Jahre vor dem Krieg zurück – immer wieder vor allem die Spiele mit ihrem Hündchen.
Wie einfach es ist, mit wenigen Mitteln große Magie auf die Bühne zu zaubern, zeigt die Performerin etwa, als sie auf der zum Schultisch gewordenen Tafel zwei Stifte nimmt, sie senkrecht über das Heft trippeln lässt und damit das Herankommen der Lehrerin spielt. Dies und noch ein paar andere Kniffe gibt sie nach dem Stück im intensiven Publikumsgespräch mit Volksschulkindern diesen mit auf den Weg. Die hatten sich gut auf das Thema vorbereitet und eingestellt, durchlebten das Stück mit Weinen und Lachen, Trauer und Fröhlichkeit – immerhin hat Mina nun in der Klasse rasch eine Freundin gefunden – sogar eine, die lernt, ihren Namen auch ganz auszusprechen.
Der wirkliche Name aber auch danach nicht verraten wird – denn das Stück und der entsprechende Krieg soll gar nicht lokalisiert werden – er kann leider überall auf dieser Welt stattfinden, wie auch aktuelle Entwicklungen zeigen.
Inspiriert wurde das Theater, das viele harte Themen – von Tod, Trennung, Depression und eben auch Krieg zu Stücken macht, unter anderem von dem Kinderbuch „Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor“ von Joke van Leeuwen (Text und Illustration) in dem es unter anderem „Woanders“ heißt – Buchbesprechung unten verlinkt. Außerdem ließen sich die Erfinder:innen dieses Stücks – Zala Dobovšek, Nina Šorak, Tin Grabnar (führte auch Regie) sowie die Spielerin selbst Asja Kahrimanović Babnik von einem Bilderbuch über Hiroshima anregen. Dies ist die japanische Stadt, in der am 6. August 1945 die USA die erste Atombombe abwarfen – mit Zehntausenden Toten sofort und vielen Tausenden in den folgenden Jahren an den Folgekrankheiten. Die Gruppe spielt das Stück seit sechs Jahren, mittlerweile neben ihrem Slowenischen Original auch auf Deutsch, sowie Englisch, Serbisch/Kroatisch und beginnt es nun auch auf Französisch einzustudieren, wie die Künstler:innen Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… verrieten.
Wer braucht schon Kräne, wenn es einen – noch dazu – riesigen Vogel gibt? Und der noch dazu so hilfsbereit ist. Das ist die Botschaft des Stücks „Ferdo Veliki Ptič“ (Ferdo, der große Vogel), mit dem das Puppentheater Lutkovno Gledališče Maribor (Slowenien) im Dschungel Wien gastierte – nur ein einziges Mal. Das hatte sich offenbar vor allem in der slowenischen Comunity in Wien verbreitet. Und so verstanden auch die allermeisten Kinder den gesprochenen Text. Andere taten sich – ein bisschen – schwer, weil es im Stück doch weit mehr Text gab, als in der Ankündigung.
Obwohl es auch mit weniger bis keinem wohl funktioniert hätte. Tut es das gleichnamige Bilderbuch von Andreja Peklar, das vor acht Jahren auf der renommierten Kinderbuchmesse mit Schwerpunkt Illustration im italienischen Bologna zu den Top-Werken gekürt worden ist.
Ein Schauspielerin schiebt einen Eis-Wagen ins Zentrum der Bühne. Aus diesem holt sie Kulissen, wodurch die zunächst kahlen baumartigen hölzernen Ständer buntes Laub bekommen. Da fühlt sich das kleine rote Vögelchen, das Vesna Vončina an ihrer Hand durch die Gegend flattern lässt, gleich viel wohler. Und hinter diesem nun üppig bewachsenen Baum verwandelt sie sich in einen riesigen Vogel (veliki ptič) namens Ferdo (Kostüm: Andreja Peklar, Mjca Bernjak; Nina Šabeder). Jagt Ferdo zunächst angesichts seiner Größe der einen oder dem anderen ein wenig Angst ein, so entpuppt sich der Vogel sich als DER Helfer schlechthin. Will die Rauchfangkehrerin auf einen der Kräne (die drei – wieder entlaubten – nun umgedrehten kahlen Baumstämme), um zum hohen Kamin zu kommen, den die Spielerin aufgebaut hat, so steigt sie auf den Rücken des Vogels – und schwupp ist sie oben. Die Leiter ist eindeutig zu kurz 😉
Dieser veliki ptič (großer Vogel) verschafft auch den Kindern des Dorfes, die Vesna Vončina aus Laden und Klappen des Eis-Wagens hervorholt (Puppen: Darka Erdelji, Aleksander Andželović, Bühne: Lucijan Jošt, Nina Šabeder) so manche Höhenflüge – ob auf ihm selbst oder einer Schaukel, die sie herbei„zaubert“. Spielvergnügen erleben die Kinderfiguren, die sich sehr stark an den Bilderbuchillustrationen orientieren, vor allem auf einer Wiese sowie rund um einen Teich. Beide tauchen jeweils durch Umklappen riesiger Bilderbuchseiten auf dem Eiswagen auf (Regie: Katja Povše).
Da kann der alte Mann noch so viel über den Riesenvogel fluchen, den Kindern macht es gar nix aus, dass der halt anders ist als Vögelchen sonst üblicherweise…
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen