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Szenenfoto aus "Ein bescheidenerer Vorschlag"

Bitterböse zynische Satire auf herr-schende Verhältnisse

Gewöhnungsbedürftig ist das Setting anfangs schon. Eine Truppe auf sogenannte Freaks hergerichtet, ausgestopfte, überdimensionale Körperteile, honten, vorne, an Schultern und so weiter, aufgesteckte schräge Zähne bzw. bemalte, so dass die Münder voller Zahnlücken wirken. Geht das, über solche Figuren zu lachen? Ist das nicht ein sich lustig machen über Behinderungen? Über Andersartigkeiten?

Erst mit den ersten Gags, dass sich die fünf Darsteller:innen über die Gegenseite – das Publikum – und so manche (sehr) aktuelle polit-mediale Verhältnisse lustig machen, ist einigen (unter anderem mir) das Lachen möglich. Anderen schon früher. Doch andere lachen auch, als gegen Ende die fünf Schauspieler:innen in „Ein bescheidenerer Vorschlag“ die Geschichte brechen, darauf bauen, dass hier das Lachen im Halse stecken bleiben und ersticken sollte.

Wirkt ein wenig kryptisch, oder?

Riesenerfolg

Nun, in dem genannten Stück des Herminentheaters – im Vorjahr mit dem Nestroy für die beste Off-Theater-produktion ausgezeichnet -, das fast 30 Mal quer durch Österreich und im Theater An der Gumpendorferstraße (TAG, Wien), mit dem es koproduziert wurde, ausverkauft die Hütte zum Toben brachte – zwei Mal noch im Sommer beim Festival „Hin & Weg“ in Litschau zu erleben -, spielen fünf Bouffons. Aus den ursprünglich der Lächerlichkeit preisgegebenen sogenannten Freaks wurden seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts von der Pariser Theater- und Clown-Schule von Jacques Lecoq diese zu Figuren, die sich über die Zuschauer:innen und die Gesellschaft lustig machen.

Geniales Schauspiel

Und wie diese spielen: Ambra Berger, Peter Bocek, Ida Golda, Kristóf Szimán und Thomas Toppler (der gemeinsam mit Hannelore Schmid das Stück geschrieben hat) bringen sozusagen die Verhältnisse zum Tanzen. Als „Legi“ (Peter Bocek), „Exi“ (Thomas Toppler), „Justy“ (Ambra Berger) und „Medi“ (Ida Golda) nehmen sie bekannte heimische Auswüchse der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart von Verhaberung und Korruptheit von legislativer, exekutiver Staaatsgewalt, Justiz und Medien aufs Korn. Fünfter im Bunde ist „der Ausländer“: Kristóf Szimán durchlebt, satrisich überhöht, das was so manchen bei der MA35 oder anderen heimischen Behörden widerfährt, wenn sie um Aufenthaltsgenehmigung ansuchen – sie werden abgekanzelt. Zwischenzeitlich dient er wiederum als Parade-Integrierter für nette Fotos eines Politikers in einem der bunten Medien.

Drei Mal Shakespeare

Aber nicht nur, sie bauen ihre Truppe auch ein in drei verschiedene Shakespeare-Szenen: Hamlet, Othello und Der Kaufmann von Venedig. Und sie nehmen – schon im Stücktitel – Anleihe beim irischen satirischen Schriftsteller Jonathan Swift. Der schlägt in seinem „A Modest Proposal“ – Ein bescheidener Vorschlag: Um zu verhindern, dass die Kinder der Armen ihren Eltern oder dem Staat zur Last fallen, und um sie nutzbringend für die Allgemeinheit zu verwenden; 1729) vor, Wohlhabende vor dem Anblick Armer zu schützen, indem Tausende arme Kinder kannibalisch verfüttert werden. Nicht die Armut, sondern die Armen bekämpfen sozusagen.

Diesen bitterbösen satirisch auf die Spitze gegriffenen zynischen „bescheidenen Vorschlag“ greift die Bouffon-Truppe auf und „opfert“ den „Migranten“, um hier auch den Spaß drastisch enden zu lassen.

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