Über die Texte zweier der Autorinnen bei den diesjährigen – am ersten Dezemberwochenende verliehenen – Preise der edition exil; Teil 3.
„Ich habe mir eure Sprache geliehen,
diese fremde Sprache, die in meinem Mund kitzelt,
krabbelt, kratzt,
ich beiße auf Buchstaben, kaue sie, versuche sie zu
schlucken, aber meine Zunge wehrt sich,
unbekannte Silben, Umlaute, Präpositionen, Artikel
strömen auf mich ein – ich kann es nicht.
Und es geht mir besser.
Nach dieser Schwimmleistung geht es mir immer besser.
Jetzt kann ich sie euch also zurückgeben“
So steigt Ludmila Doležalová in ihren Text „Wir Ausländer“ ein. Dafür wurde ihr Freitagabend im Wiener Literaturhaus der dritte Preis in der 29. Ausgabe der exil-Literaturpreise verliehen; initiiert und vergeben von der edition Exil, die im – „dank“ der enormen Subventionskürzungen der Stadt Wien bedrohten Kulturzentrum Amerlinghaus in Wien-Neubau – wie Dutzenden andere Initiativen – ihren Sitz hat.
Die kleine, feine Edition fördert seit Jahrzehnten die Veröffentlichung von Texten in deutscher Sprache, geschrieben vor allem von Autor:innen, die mehrere Sprachen und Kulturen mit- und einbringen. So manche, die vor Jahr(zehnt)en hier ihre ersten Texte veröffentlichten, sind heute namhafte Teile des österreichischen Literaturbetriebes wie Julya Rabinowich, Dimitré Dinev, Didi Drobna oder Thomas Perle, der in den vergangenen Jahren vor allem für seine Theaterstücke bekannt ist. Er war auch Teil der Jury für die Preise 2025 – und las bei der Preisverleihung Auszüge aus allen ausgezeichneten Texten.
Übrigens die eingangs genannte Autorin bekam ihren Preis in der Kategorie Prosa – nach der lyrischen Einstimmung schildert sie in Abschnitten einerseits – und das humorvoll – Die Arbeit bei der Essenszubereitung in einer selbstverwalteten Kindergruppe mit vielfachen Hinweisen auf die so wichtigen Hygienevorschriften und andererseits von ihrem Wunsch einer ziel- und damit wohl auch irgendwie grenzenlosen, nie enden sollenden Zugreise mit Gedanken und Reflexionen über Ungerechtigkeiten auf der Welt.
In diesem Jahr wurde auch – wieder, nicht immer – ein eigener Lyrik-Preis vergeben. Dieser ging an Olja Alvir, die lange Zeit Prosa, darunter auch vielfach journalistische Texte – für biber und Der Standard – verfasst hatte. In mehreren – sprachspielerischen Gedichten verbindet sie mitunter höchstpersönliche Gefühle mit fast schwebend daherkommenden gesellschaftspolitischen Kommentaren auch und gerade in Sachen Migrationsdebatte. „irgendwo herzukommen / ist völlig passeé“ lauten etwa zwei Zeilen in „das Ich Ist eine falltür“.
In „literhin immeratur“ beginnt sie mit „zumindest kann man drüber gedichte schreiben! / zumindest lässt sich das in strophen gießen / zumindest kann ich das in verse wursteln“… um später die Zeile „wenigstens textdingseln“ zu erfinden und mit „immerhin“ zu spielen, es in „immer hin“ zu zerlegen.
„Den Alltag in die Lyrik zu bringen, alltägliche Ausdrücke in der Lyrik zu verwenden, das mochte ich schon immer. Ich verwende gern alltägliche Sprache, um die vermeintliche Abgehobenheit der Lyrik zu konterkarieren“, schreibt sie im an ihre Texte anschließenden Beitrag über sich und ihr literarisches Schreiben.
1 Preis für Prosa (3.000 € gefördert von der Kulturabteilung der Stadt Wien): Lali Gamrekelashvili für „Ein anderes Neujahr“
2. Preis für Prosa (2.000 € gefördert von der Kulturkommission Neubau): Nastasja Penzar für „Der erste Sommer“
3. Preis für Prosa (1.500 € gefördert von der Kulturabteilung der Stadt Wien): Ludmila Doležalová für „Wir Ausländer“
* Exil-Lyrikpreis 2025 (1.500 € gefördert von der Kulturkommission Neubau): Olja Alvir für ihren Gedichtzyklus „fernblau“
* Preis für Autor*innen mit Deutsch als Erstsprache (1.000 € gefördert von der Litera-turabteilung des BMWKMS – Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport): Felicia Schätzer für „Was, wenn ich am Ende genauso bin, wie ich immer schon war?“
Jury: Jessica Beer (Residenz Verlag), Paula Pfoser (ORF) und Thomas Perle (Autor)
* Exil-Jugendliteraturpreis 2025 (1.000 € gefördert von der Literaturabteilung des BMWKMS) wird auf Wunsch der Jury heuer geteilt je 500 €): Paula Dorten für „Das Zweifell“ und Selina Le für „Kinder der Zukunft“
Exil-Literaturpreis für Teams und Schulklassen (1.000 € gefördert von der Literaturabteilung des BMWKMS): Schüler:innen des Jugendcollege Wien #advanced OST – Bita, Hussein, Huzaifa, Mouhanad, Ozlo, Saleh, Samira, Shalali, Yahya und zwei Teilnehmer:innen mit den Pseudonymen Abenteuer und Auswanderung betreut von Ganna Gnedkova-Huemer für „Fremd in Österreich“
Jury für die Jugendpreise: Grzegorz Kielawski (Autor) und Christa Stippinger (edition exil).
Exil literaturpreise 25
Preistexte
ca. 160 Seiten
edition exil
isbn 978-3-901899-99-7
Seit 1997 vergibt der Verein Exil die gleichnamigen Literaturpreise unter dem Motto „Schreiben zwischen den Kulturen“. Längst große Namen der österreichischen Literaturszene wurden dabei entdeckt, genannt seien etwa Julya Rabinowich, Dimitré Dinev, Thomas Perle, Didi Drobna, Susanne Gregor, Samuel Mago, Seher Çakir und viele andere.
Neben dem jährlichen Sammelband mit den von den jeweiligen Jurys ausgezeichneten Texten sowie den Begründungen für die Preiswürdigkeit und Abschnitten der Autor:innen über ihr Schreiben, gibt die Edition Exil auch Erstlingswerke – nicht nur der Preisträger:innen heraus. Dabei begleitet die Edition die Erstveröffentlicher:innen auch vom Manuskript bis zur Fertigstellung; und stellt auch danach oft Verbindungen zu größeren, namhafteren Verlagen her, in denen beispielsweise die oben Genannten längst veröffentlichen.
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