„SAG’S MULTI!“-Finalist:innen-Serie (2): Telefoninterview mit Schülerin, die mit (Mandarin)-Chinesisch und Englisch aufgewachsen ist und für die Deutsch die Drittsprache ist.
„Liebe Zuhörer, dieser Planet ist jetzt schon keine friedliche Spielwiese und keine klimatische Komfortzone mehr. Wenden wir uns daher ab von der Gleichgültigkeit und brechen wir auf in ein Zeitalter vielsprachiger global gelebter Verantwortung. Füllen wir unser Lebenszeitbudget daher mit vielen kleinen Momenten, von denen wir im Rückblick stolz sagen können, nicht gleichgültig gegenüber unserer eigenen Zukunft gewesen zu sein. Gleichgültig… gleichgültig sollte nur sein, in welcher Sprache und wo diese couragierten Momente auf unserem Planeten stattfinden, um diesen intakt und friedlich für eine gemeinsame Zukunft zu erhalten.“
Die ist eine, vielleicht die zentrale Schlussfolgerung der 13-jährigen Ivy Stadler, die sie in ihrer Finalrede des mehrsprachigen Redewettbewerbs „SAG’S MULTI!“ mit ihrem Publikum teilt – auf Deutsch und Mandarin-Chinesisch. Eine Erkenntnis, zu der sie keinen einfachen, leichten Weg hatte, wie sie in ihren Reden beschreibt. Geboren und die ersten Jahre – bis Mitte der 2. Grundschulklasse – in China bilingual (Chinesisch und Englisch) aufgewachsen, oft bestaunt und bewundert und privilegiert als Europäerin, erlebte sie in Österreich zunächst das genaue Gegenteil. Obwohl die Schule leichter war. „In China hatten wir viel mehr Hausübungen und Testes. Sogar im Kindergarten haben wir schon Tests gehabt.“
„Zwar fanden andere meine zweite Sprache interessant, aber ich wurde mit vielen Stereotypen und Vorurteilen über China und Chines:innen konfrontiert“, erzählt sie im Telefoninterview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … „In China, wo ich eine internationale Schule besucht habe, waren alle nett zu mir, ich hatte deswegen ein gutes Ego. Hier in Österreich bin ich sozusagen vom Thron gefallen wegen der Ausgrenzung und Diskriminierung. Trotzdem hab ich immer versucht, Klassenkameradinnen und -kameraden zu sagen, dass ihre Vorurteile falsch sind.“
Besser wurde es erst mit dem Wechsel ins Klosterneuburger Realgymnasium. „Ich hatte zwar nicht sehr viel erwartet, aber schon am ersten Tag war es anders, die Atmosphäre viel offener, ich konnte ich sein.“ Damit stieg auch ihr Selbstbewusstsein.
Nach den ersten beiden Gym-Jahren mit guten Erfahrungen erlebte Ivy Stadler mit der Wahl des Zweigs mit einer weiteren Fremdsprache – neben Englisch nun auch Französisch – eher Rückschritte. Ausgerechnet in diesem Zweig „haben wieder Vorurteile mir gegenüber ein bisschen angefangen. Aber jetzt hab ich schon mehr Erfahrungen damit und kann versuchen, nicht alles so nah an mich heran zu lassen.“
Ihr Lieblingsfach ist „auf jeden Fall Englisch, nicht nur weil’s mir leichter fällt; es ist meine Zweitsprache. Deutsch ist meine dritte Sprache, die hab ich zu lernen begonnen als ich noch in China war, aber in den Sommerferien bei Opa und Oma in Österreich. Französisch als meine vierte Sprache finde ich sehr schön und interessant.“ Ihr Chinesisch – sowohl in Sprache, Schrift und Kultur – pflegt die 13-Jährige seit sie in Österreich lebt „immer samstags in der chinesischen Schule“.
In ihrer Freizeit beschäftigt sich die Redewettbewerbs-Finalistin „öfter mit Kunst, ich mach mir öfter auch Notizen vom Tag mit Zeichnungen und schön gestalteten Überschriften – auch bei meinen Lernunterlagen, das motiviert mich oft auch mehr zum Lernen“. Außerdem liest sie gern Geschichten und mag Videospiele.
Als „Traumjob“ nennt sie „Rechtsanwältin – ich mag es vor Menschen zu sprechen und andere zu überzeugen“. Da Ivy Stadler aber auch findet, „man muss in politische Probleme eingreifen, könnte ich vielleicht auch Politikerin werden wollen“.
Die Entscheidung, an „SAG’S MULTI!“ teilzunehmen, „war eher impulsiv. Eine Lehrerin ist an einem Donnerstag in der zweiten Schulstunde gekommen und hat von dem mehrsprachigen Redebewerb erzählt und ich hab mir gedacht, das ist etwas wo ich mich gut auskenne, weil ich ja bilingual aufgewachsen bin. Vor anderen Menschen zu reden, die eigene Meinung vor Publikum zu sagen, war aber dann schon etwas sehr Neues für mich.“ Das ihr anfangs sogar ein wenig Angst gemacht hat, wie sie gesteht, „weil die Rede in der Vorrunde war ja nur ein Video, das wir alle jeweils zu Hause aufgenommen haben“ (aus herbstlichen Lockdown-Gründen).
Der mehrsprachige Redebewerb „SAG’S MULTI!“ will seit Beginn Mehrsprachigkeit fördern – bei Gleichwertigkeit aller Sprachen. Und Schüler:innen eine Plattform und Forum geben, ihre Gedanken in Deutsch und jeweils einer anderen Sprache zu Gehör zu bringen.
Im 13. Jahr des Bewerbs, dem zweiten in dem der ORF „SAG’S MULTI!“ hostet, starteten im Herbst 410 Jugendliche aus 160 österreichischen Schulen – mit insgesamt 39 verschiedenen Sprachen. 161 redeten sich ins Bundesfinale – sie alle sind Sieger:innen. Dennoch werden bei der Schluss-Gala im Wiener Rathaus am 26. Juni Preise vergeben.
Vorgestellt werden die Preisträger:innen von Alumni, vormaligen Preisträger:innen, deren erfolgreiche weitere Wege ebenfalls präsentiert werden.
sagsmulti
In der ORF-TVthek können die Finalrunden nachgeschaut werden