Finalrunden des 13. mehrsprachigen Redewettbewerbs „SAG’S MULTI!“ derzeit in den ORF-Landesstudios. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … war bei einer dabei. Alle 38 Redner:innen in Bildern und Kürzest-Zusammenfassungen.
410 Jugendliche aus 160 österreichischen Schulen waren im Herbst mit insgesamt 39 verschiedenen Sprachen – jeweils in Kombination mit Deutsch – in die 13. Runde des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“ gestartet. 161 redeten sich ins Bundesfinale, das derzeit verteilt über mehrere Wochen in den Landesstudios des ORF, der den Bewerb nun zum zweiten Mal hostet, stattfinden. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … war bisher bei einem der Finaltage – im großen Sendesaal des Wiener Funkhauses in der Argentinier Straße. 38 Reden, jede für sich genommen inhaltsreich, sprachlich versiert, so manche Gänsehaut erzeugend; keine einzige, die nur „naja“, oberflächlich oder gar schlecht war. Schwierig für die „ersten Fans“ der Redner:innen, die Mitglieder der Jury. Mehrmals betonte auch deren Vorsitzender, der Erfinder des Bewerbs, Peter Wesely, dass alle Sieger:innen sind, aber leider nur wenige Preisträger:innen werden können. Deren Vorstellung und Ehrung erfolgt Ende Juni im Festsaal des Wiener Rathauses. Moderiert werden alle Finaltage von Eser Akbaba, lanjährige ORF-Moderatorin und selber mehrsprachig aufgewachsen.
Den Auftakt machte Vera Kostić aus der Wiener Mittelschule Kauergasse – mit Serbisch – und natürlich, das müssen sowieso alle auch Deutsch (das wird jetzt in diesen Kürzest-Summarys nicht bei jeder Rednerin/jedem Redner extra hinzugefügt). Sie sprach über – auch eigenen miterlebten Rassismus und zitierte Nelson Mandela, dass dieser oder auch Mobbing nur gemeinsam überwunden werden könne.
Zehra Basdoğan aus der selben Schule – mit Türkisch – fragte, weshalb Erwachsene so eine Welt zulassen, wie wir sie vorfinden unter anderem mit dem aktuell allgegenwärtigen angeblich von niemandem vorausgesehenen Krieg in der Ukraine. Aber auch über Abwertung, die Kinder und Jugendliche wie sie erfahren, nur weil sie mit mehreren Sprachen aufwachsen.
Ebenfalls aus der Mittelschule in der Wiener Kauergasse kommend sprach Hafso Mohamud auf Somali über Frauenrechte und dankte ihrer Mutter, dass diese sie in dieser Richtung immer gestärkt habe. Sie hofft auf Gleichberechtigung von Mädchen und Jungs, Frauen und Männern.
Belinay Can (Informatik-Mittelschule Feuerbachstraße, Wien) hatte ebenfalls Türkisch für ihre Rede gewählt – in der sie ein flammendes Plädoyer gegen Femizide, Zwangsheirat und „gläserne Decken“, die Karrieren von Frauen blockieren, hielt.
Englisch – als erlernte Fremdsprache (nur in den Anfangsjahren von „SAG’S MULTI!“ waren ausschließlich andere Familiensprachen erlaubt) war die Sprache von Peace Stuppöck aus der Floridsdorfer Mittelschule Roda-Roda-Gasse. Ihr Thema: Rassismus in teils extrem Ausprägung, etwa der Todesstrafe für einen 14-jährigen Afroamerikaner am elektrischen Stuhl. Auch wenn dies Jahrzehnte zurückliege, so erinnerte sie mit dem Namen George Floyd an gar nicht so lange zurückliegenden tödlichen Rassismus.
Iris Brüll – ebenfalls aus dieser Mittelschule und auch mit erlernter Fremdsprache Englisch wählte den Klimawandel und den Kampf dagegen zu ihrem Thema. „Wir alle hätten gern eine Zukunft!“
Auf Arabisch als Erst- bzw. Muttersprache setzte sich Ahmad Alshaarawi aus der Sir-Karl-Popper Mittelschule (Wien 15) mit Rassismus aber auch anderen Diskriminierungen auseinander.
Jermel Maimona (MS Roda Roda Gasse) griff zu Portugiesisch, erzählte von der Herkunft der Eltern aus Angola (Afrika, einst portugiesische Kolonie), dass er als oft einziger Schwarzer in seinem Umfeld recht früh im Ich-Sein, zu sich stehen, gestärkt wurde und sich leichter Gruppenzwang entzieht. Würden alle gleich aussehen, wäre die Welt langweilig, allerdings hofft er sehr wohl auf Gleichberechtigung und -Wertigkeit.
Aus der privaten Mittelschule St. Elisabeth in Wien-Leopoldstadt kommend sprach Nishelle Fernando auf Singalesisch über wichtige, zeitgemäße Vorbilder wie Influencer:innen in Sachen Nachhaltigkeit, aber dass sich die Welt in Sachen Klima nur dann zum Besseren verändern könne, wenn jede und jeder auch noch so klein wirkende Beiträge leistet.
Russisch, so die Erste-/Muttersprache von Elias Raff aus dem Phoenix-Realgymnasium in Wien-Favoriten, in der er nicht zuletzt vom Krieg in der Ukraine sprach und gegen das Auseinanderdividieren von Wir und die anderen.
Aus der selben Schule sprach Fatma Nimet Küccük auf Türkisch über ihre Wissbegierde, die ihr die Erkenntnis einbrachte, dass das bekannte Amalienbad am Wiener Reumannplatz nach einer der ersten Abgeordneten im Wiener Gemeinderat sowie im österreichischen Nationalrat, Amalie Pölzer benannt ist. Die sei ihr nicht zuletzt in den Sinn gekommen, als sei eine Obdachlose im Schlafsack an besagtem Platz wahrgenommen hatte. Gegen Armut hatte sich die besagte sozialdemokratische Politikerin schon vor mehr als 100 Jahren eingesetzt.
Alis Nirschl (MS Maria Trapp Platz/Simonsgasse, Wien 22) appellierte auf Englisch – bei ihr Erst- bzw. Muttersprache – daran, „du selbst zu sein, auch wenn viele gern hätten, dass du anders bist“.
Englisch – diesmal als erlernte Fremdsprache – wählte Sophia Schönauer aus der selben Schule und forderte, dass jedwede Diskriminierung auch aufgrund sexueller Orientierung aufhören müsse, denn „alle Menschen haben das Recht auf ein glückliches Leben“.
Behiye Kaplan aus der Modularen Mittelstufe Aspern/ Eibengasse erzählte auf Englisch als erlernter Fremdsprache von erlebten Diskriminierungen aufgrund der familiären Herkunft aus der Türkei. Zurückschlagen sei aber ebenso falsch wie Rückzug, sie verstehe sich als „lebendige Brücke“ zur Mehrheitsgesellschaft, „es gibt kein uns ohne du“.
Lilian Kern vom BRG Schopenhauer Straße (Wien-Währing) stellte – auf Englisch als erlernter Fremdsprache – in Kino- und TV-Filmen teilweise Rückschritte im 21. Jahrhundert in Sachen Frauen-Rollen und alte Klischees fest. So sei etwa Mulan in der Version von 1998 viel kreativer, eigenständiger und als Persönlichkeit stärker ausgeprägt gewesen als in der Fassung von 2020.
Ebenfalls Englisch als Fremdsprache nutzte Abigail Tegegne (MS Maria Trapp Platz/Simonsgasse, Wien 22) ermutigte Jugendliche, zu sich zu stehen und nicht zu versuchen, ständig anderen zu gefallen.
Julia Schoppmeier aus dem Döblinger Gymnasium sprach auf Ungarisch so manch große Themen wie Freiheit, Fremdenfeindlichkeit und Wahrheit(en) an, forderte vor allem im Zusammenhang mit dem zuletzt genannten Begriff auf, auch Blickwinkel zu wechseln, andere Gesichtspunkte anzuschauen und hofft auf eine Zukunft, in der niemand mehr auf der Straße liegen muss.
Aus der Mittelschule Koppstraße I kam Boglarka Emiia Horvath und thematisierte – ebenfalls auf Ungarisch und natürlich Deutsch, um es einmal zu wiederholen – Klimawandel, Plastikmüll aber nicht nur den Schutz der Umwelt, sondern auch der Menschen, indem sie aufforderte beim einkauf auch auf Fairtrade zu achten.
Italienisch wählte Elisa Rodia (AHS St. Ursula, Wien 23) um über Mut, Zivilcourage und Einsatz für geflüchtete Menschen zu sprechen, aber auch nicht die Augen etwa vor Obdachlosigkeit zu verschließen.
Mia Hirbawi, ebenfalls aus der AHS St. Ursula, (Englisch als erlernte Fremdsprache) kritisierte, dass – nicht zuletzt in Pandemiezeiten – Kinder und Jugendliche und ihre Bedürfnisse viel zu wenige berücksichtigt worden seien. Sie müssten ernst genommen, auf sie gehört werden.
Aus der Offenen Mittelschule Dietmayrgasse (Wien-Brigttenau) kam Rayan Alhasan Alhussein und hielt auf Arabisch – unterstützt durch Transparente ihrer Mitschüler:innen im Publikum – ein Plädoyer gegen Diskriminierung von Frauen und dafür, das sie genauso stark sind und sein dürfen.
Maria Youleva (AHS St. Ursula) brachte Bulgarisch in den Finaltag ein und sprach vor allem über soziales Klima und forderte auf zum Mut, Gleichgültigkeit zu überwinden.
Vom Wiedner Gymnasium, der Sir-Karl-Popper-Schule kamen die nächsten drei Redner:innen, die ersten beiden mit Englisch als erlernter Fremdsprache. Jessye Chukwudum forderte ein gemeinsames Aufstehen gegen Rassismus. People of Color erleben noch immer Ausgrenzung bis hin zu Gewalt , aber Diskriminierung durch scheinbar positive Sager wie „du kannst aber gut Deutsch“, ignorierend, dass viele wie sie hier aufgewachsen sind.
Johanna Windbichler widmete ihre Rede den Diskriminierungen vieler Bevölkerungsgruppen – von Frauen über LGBTIQ, Indigenen, Nicht-Weißen usw., die alle in Medien unterrepräsentiert bis kaum vorkommen. Auch wenn es gut sei, dass andere, die nicht diesen Communities angehören diese unterstützen, sozusagen Allys (Verbündete) seien, gehe es doch im Wesentlichen darum, Menschen aus diesen Gruppen selber zu Wort kommen zu lassen.
Auch aus der Sir-Karl-Popper-Schule, dem Wiedner Gymnasium sprach Nora Popescu – auf Rumänisch. In ihrer Rede wandte sie sich gegen jede Form von Hass, aber auch Gleichgültigkeit etwa von Passant:innen, wenn sie (verbale) Angriffe erleben.
Kyra Moisa (Lycée Français de Vienne) wählte Französisch als ihre Erstsprache und fand es traurig, dass es Hass gebe, der dazu führt, dass schon Kinder Angst entwickeln, anders zu sein. Mit Goethe sprach sie sich für den Mut aus, „der zu werden, der du bist“.
Ungarisch sprach Ferdinand Eschlböck aus dem Wiener Schottengymnasium, „vom Herzen her zu handeln“, Mut und Hilfsbereitschaft zu praktizieren und helfen um des Helfen willens, nicht um gut dazustehen.
Tuna Özmen (VBS Schönborngasse, Türkisch) nahm sich ein in der Öffentlichkeit noch immer unterbelichtetes Thema vor. „Ich kann nicht mehr!“, höre er von vielen Jugendlichen. Auch etliche Studien ergeben, wie Kinder und Jugendliche nicht zuletzt durch lange Trennung von ihrem Freundes-Umfeld in der Pandemie verstärkt, immer mehr verzweifeln. Und es viel zu wenige Hilfsangebote gebe.
Marija Panić, aus der selben Schule, aber mit Serbisch, spannte einen Bogen von der Herkunft – sie selbst nicht, aber ihre Eltern sind Flüchtlinge – und der damit noch immer einhergehenden Diskriminierung zum Mut, so zu sein wie du bist.
Und noch eine Jugendliche aus dieser privaten Handelsakademie in Wien-Josefstadt: Julia Helmer – mit einer dritten Sprache, Französisch als erlernte Fremdsprache: Unter großem Beifall freute sie sich über die positive Stimmung gegenüber und Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. Befremdlich findet sie aber, dass 2015 und 2016, als Menschen aus Syrien und Afghanistan vor (Bürger-)Krieg davonrennen mussten, nicht annähernd so breit Empathie zu spüren war. Immerhin sit doch jeder Mensch gleichwertig.
Dragos Tiberiu Dragosin aus dem Joseph-Haydn-Gymnasium (Wien 5) sprach Rumänisch und natürlich auch Deutsch – in letzterem vor allem rund um ein Wortspiel „gleichgültig“, das ja im allgemeinen Sprachgebrauch für eher teilnahmslos steht aber vielleicht ja auch so viel wie gleich gültig, gleich wertig stehen könnte. Und darüber, dass Jugendliche unter vielen Problemen leiden, die sie ja gar nicht selber geschaffen haben.
Aus der selben Schule kam Veljko Vučković – mit Serbisch – erzählte davon, als er neu in Österreich war, habe er versucht sich so zu verhalten, wie er dachte, dass es anderen gefiel. Erst der Sport habe ihm geholfen, eine Brücke zu dem zu bauen, wie er selbst ist.
Natalie Nikolavska aus der privaten HaK in der Josefstädter Schönborngasse (VBS, aus der schon drei andere Jugendliche mit ihren Reden kürzest genannt worden sind) sprach auf Mazedonisch sehr offen über ihre körperlichen und seelischen Leiden „ich bin eineinhalb Jahre durch die Hölle gegangen“, extrem dünn und ausgelaugt, wobei ihr größter Fehler gewesen sei, den falschen Leuten vertraut zu haben. Doch mittlerweile habe sie eine wichtige Veränderung durchgemacht.
Sofya Sukhova, ebenfalls aus einer Schule mit vielen Finalist:innen (Sir-Karl-Popper, Wiedner Gymnasium), nutzte ihre Erstsprache Russisch mit der sie die ersten sieben Lebensjahre in Russland aufgewachsen ist. In Österreich sei sie anfangs sehr verschlossen, aber so auch weniger auf andere angewiesen gewesen. Davon sei ihr geblieben, dass es „mir relativ egal ist, was andere über mich behaupten“.
Die nächsten drei Jugendlichen verwendeten Englisch als erlernte Fremdsprache. Zunächst Anna Katharina Hofer aus dem gerade eben erwähnten Wiedner Gymnasium, die verschiedene Formen der Diskriminierung thematisierte, aber weiterging und dazu aufrief dagegen aktiv zu werden. Die Frage sei doch nicht, ob, sondern wie man helfen könne.
Die nächsten beiden kamen aus der Tourismusschule Bergheidengasse (Wien-Hietzing. Marie Wori sprach engagiert über mental health, die psychische Gesundheit Jugendlicher, die stark beeinträchtig worden ist und forderte, dass es für alle leistbare Therapien auf (Gesundheits-)Kasse geben müsse.
Valentina Lenk forderte ebenso engagiert, Repräsentanz und Sichtbarkeit von Angehörigen verschiedener an den Rand gedrängte Gruppen, also Diversität in Medien – von BIPOC (Black, Indigenous and People of Color) bis zu queren oder asexuellen Personen.
Den Abschluss des langen, inhaltsreichen von starken Reden der 38 Jugendlichen gekennzeichneten Beiträge lieferte Maria Magdalena Radojičić aus der AHS Bernoullistraße (Wien-Donaustadt) auf Serbisch – und natürlich Deutsch – davon, dass sie als Feedback auf ihre Vorrundenrede ein Video bekam, das mit dem Satz endete: „Wir hören dir zu“. Ein Satz den sie so gern schon als Kind einmal gehört hätte. Aber ob er echt gemeint war – daran zweifelte sie. Heftig kritisierte sie, dass noch immer Familien vom Balkan heftig zerstritten seien „nur wegen eines Stückes Land“.
Die bisherigen Finaltage zum Nach-Sehen und -hören in der ORF-TVthek