BundesJugendvertretung mahnt rund um die Zeugnisverteilung zur Halbzeit der aktuellen Bundesregierung: Ihr habt erst rund 1/5 eurer Versprechen verwirklicht bzw. angegangen./ Ergänzung um Ideen zu Wohnkostenbegrenzungen für junge Menschen.
Zwischen Schulschluss in Ost- und jenem in Westösterreich lud die BundesJugendVertretung nicht zu einer Zeugnisverteilung, sondern zu einer Zwischenbilanz. Ziemlich genau zweieinhalb Jahre ist die aktuelle Bundesregierung im Amt (fünf Jahre dauert die Legislaturperiode), wenngleich mit wechselnden Minister:innen und Bundeskanzlern.
Was hat sie nun für Kinder und Jugendliche getan? Zu rund einem Fünftel, also 20 Prozent, seien deren eigene Vorhaben aus dem Regierungsprogramm erfüllt. Dazu zählt die endlich nach viiiielen Jahren erhobene neue Kinderkostenstudie, die Erhöhung von Studien- und Familienbeihilfen, die Errichtung eines eigenen Jugendstaatssekretariats, ein nationaler Aktionsplan Kinder-Chancen, das Projekt „Gesund aus der Krise“.
Aber nicht nur, dass zur Halbzeit nicht annähernd die Hälfte der Vorhaben verwirklicht wurde, sondern auch manche der in Angriff genommenen, eben genannten Projekte völlig unzureichend sind, kritisierten Sabrina Prochaska und Fiona Herzog vom vierköpfigen Vorsitzteam der gesetzlichen Interessensvertretung für alle Menschen in Österreich unter 30 Jahren. Beispielsweise decke „Gesund aus der Krise“ für rasche psychische Hilfe durch/in der Pandemie nur lediglich ein Zehntel des echten Bedarfs an Psychotherapieplätzen. In manchen Bundesländern gebe es gar keine einzige kassenfinanzierte Stelle. Immerhin leide – nach einer wissenschaftlichen Studie der Donau-Uni Krems jede/r zweite jugendliche an psychischen Problemen.
Im Bildungsbereich sei es unerträglich, dass ein Viertel der Schüler:innen, ja sogar 16 Prozent in der Volksschule Nachhilfe benötige. Und beispielsweise im nunmehr dritten Corona-Schuljahr es etwa nicht dieselben Erleichterungen für Maturant:innen gegeben habe wie in den beiden vorangegangenen Schuljahren. Oder, dass der Bildungsminister erst für eine Woche vor Beginn des nächsten Schuljahres detaillierte Pandemie-Regelungen für den Schulbetreib ankündigt. „Die BJV erwartet einen sicheren Präsenzunterricht im Herbst, damit die im Distance Learning entstandenen Defizite bei Schüler:innen ausgeglichen werden können!“, wird verlangt.
Begrüßt wird die Digitalisierungs-Offensive mit dem Fach „digitale Grundbildung“, allerdings wird bezweifelt ob angesichts des Lehrer:innenmangels genügend Lehrkräfte zur Verfügung stehen, die diese unterrichten (können).
Die mittlerweile allgegenwärtig gewordene Inflation geht natürlich an Jugendlichen auch nicht spurlos vorüber. Sehr viele junge Menschen – jene, die kein reiches Elternhaus haben -, können es sich kaum leisten, in eigene vier Wände zu ziehen. Selbst ein WG-Zimmer kostet weit jenseits des Finanzierbaren. Hier fordert die BundesJugendvertretung konkrete, schnelle Maßnahmen wie „Förderungsscheine“, die Mieten für junge Leute für einen gewissen Zeitraum deutlich verringern.
Zwar nicht als konkreten Vorschlag aber zur Orientierung nannten BVJ-Vertreterinnen eine „Aktion 5 x 4“, die es beispielsweise in Oberösterreich und ähnlich im Burgenland einmal gegeben hat: 5 Euro pro Quadratmeter Miete inklusive Betriebs- und Heizkosten für höchstens vier Jahre (danach Anpassung an Marktpreis) und provisionsfrei – für 18- bis 30-Jährige, wenn es sich um ihre erste Wohnung handelt, sie in Ausbildung oder auf Arbeitssuche sind und sie höchstens 1300 Euro netto (pro Bewohner:in) zur Verfügung haben. Diese Zahlen könnten/sollten natürlich noch an heutige Preise angepasst werden.
„Neben der Bekämpfung von Kinderarmut sieht die BJV auch beim Kindeswohl – gerade in Asylverfahren – dringenden Handlungsbedarf. Die Berücksichtigung des Kindeswohls in Asylverfahren ist im Regierungsprogramm verankert. Nach mehreren Fällen von Abschiebungen von Minderjährigen wurde auch eine Kindeswohlkommission eingerichtet. Die Empfehlungen der Kommission sind aber vor einem Jahr in einer Schublade verschwunden. In der Praxis gibt es bis heute keine Verbesserungen“, kritisiert Herzog. Insgesamt müssen Kinderrechte stärker forciert werden, auch hinsichtlich der Lücken beim Kinderschutz.
Zu langsam agiert die Bundesregierung, nach Ansicht der BJV auch in der Klimapolitik. Zum Beispiel ist Österreich nach wie vor ohne Klimaschutzgesetz, obwohl eine Neuauflage im Regierungsprogramm festgehalten ist und diese mehrfach angekündigt wurde. „Das wollen wir nicht länger akzeptieren. Für uns junge Menschen ist klar: Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren. Wir haben schon im März in einem offenen Brief an die Regierung unsere Kritik geäußert, dass nach wie vor ein Klimaschutzgesetz fehlt. Wir wollen, dass sich die Regierung dazu bekennt, unsere und auch die Lebensgrundlage weiterer Generationen zu schützen“, betont Prochaska. Kritisch sieht die BJV-Vorsitzende auch die Verschiebung der ökosozialen Steuerreform. „Dass die Einführung verschoben wurde, sendet ein falsches Signal aus, besonders weil die Teuerung nicht in ein paar Monaten vorbei sein wird“, so Prochaska.
Außerdem weisen Fiona Herzog und Sabrina Prochaska, die gemeinsam mit Sabir Ansari und Julian Christian das aktuelle Vorsitzteam der BundesJugendVertretung bilden, darauf hin, dass Studien und Umfragen zufolge, sich nur sechs Prozent der Jugendlichen von der Politik vertreten fühlen und vier von fünf jungen Menschen das Gefühl haben, von Politiker:innen nicht einmal gehört zu werden.
Auf eine der Fragen von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … meinten die BJV-Vertreterinnen: „Wer fünf Jahre in Österreich lebt, sollte auch wählen dürfen, außerdem müssten die Hürden für die Erlangung der Staatsbürgerschaft verringert werden.“