Interview mit Tamara Drucks, Kinderuni-Lehrende, die als Kind in der allerersten Vorlesung der Kinderuni Wien vor 20 Jahren saß.
Vor 20 Jahren öffneten sich in Wien erstmals die Türen von Hörsälen der Universität(en), (Kunst–)Hochschulen und Akademien für Kinder. Rasend schnell hatte sich die Idee von Kinderunis – in Mitteleuropa ausgehend von deutschen Universitäten – verbreitet (in anderen Ländern, etwa in Moskau gab es solche schon Jahrzehnte). Sie stellten vor allem Lehrende vor neue Aufgaben: Das eigene Wissensgebiet sehr verständlich aufzubereiten. Und sie woll(t)en, akademische Bildung auch jenen näher bringen, die sie nicht ohnehin aus der eigenen Familie kennen.
Mit zu jenen ersten 1000 Student:innen im Sommer 2003 zählte auch Tamara Drucks. Sie war sogar unter jenen deutlich mehr als 100 Kindern, die die allererste Vorlesung „Warum ist der Himmel blau?“ besuchten (damals im Hauptgebäude der Uni Wien im Hörsaal 33 – und nicht wie ich damals irrtümlich im KURIER geschrieben habe 28 – siehe Faksimile der Zeitungsseite von damals). „Das war voll gut!“, erinnert sich die heute 27-Jährige. Sie habe von der Mama oder der Oma Seiten aus dem gedruckten Vorlesungsverzeichnis bekommen und „mir selber ausgesucht, was ich mache. An die mit dem Himmel kann ich mich noch erinnern – zwar nicht mehr auf die genaue Antwort, aber dass er nicht wirklich blau ist, sondern nur für uns so ausschaut. Und dann war ich noch in einer Lehrveranstaltung, wo es flüssigen Stickstoff gab und eine Blume fest und steif gefroren, zerbrochen ist. Auf der Kunstuni hab ich ein Linolschnitt-Bild gemacht. Medizin hat mich auch interessiert und in einer Lehrveranstaltung durften wir fleischfressende Pflanzen füttern.“
Bei dieser Aufzählung wisse sie aber nicht mehr, ob diese aus dem ersten oder zweiten Jahr waren – in den Sommern 2003 und 2004 war sie Kinderuni-Studentin – „und auch bei der Sponsion“, somit Magistra universitatis iuvenum – zum Quadrat“. Diesen Titel bekommen die Zweifach-Absolvent:innen der Kinderuni.
„Es waren aber nicht nur die Lehrveranstaltungen, es gab dazwischen auch viele Spiele (von wienXtra betreut), es waren einfach nette Tage, auch das Reden mit den anderen Kindern. Das Besondere war/ist vor allem, dass du dir selber aussuchen kannst, was du lernen willst – im Gegensatz zur Schule, wo alles vorgesetzt wird“, erinnert sich die heutige Doktorratsstudentin und Universitäts-Assistentin und damit auch Lehrende für erwachsene Studierende an der Fakultät für Informatik aus der Abteilung „Machine Learning“ 20 bzw. 19 Jahre zurück.
Der Weg von den naturwissenschaftlichen Fragen zur Informatik war alles andere als eine glatte Einbahnstraße, gesteht Tamara Drucks die gemeinsam mit Ernesto Abila, Sophie Pohl, Julian Lemmel und Max Thiessen mit Kindern in den Lehrveranstaltungen „Ein Hund, eine Katze und ein Computer“ (7 bis 9 Jahre) und „Sind Computer tatsächlich intelligent?“ lernten.
Zu einer Reportage über diese Kinderuni-Workshops geht es hier unten.
Sie hat den Sprachenzweig eines Gymnasiums – mit Französisch und Latein absolviert, war nach der Matura ein Jahr auf Au Pair in den USA „und dann hab ich Politikwissenschaft und Informatik zu studieren begonnen. Ich dachte, von Computern weiß ich so wenig, da will ich mehr erfahren und im Grunde ist Programmieren ja auch eine andere Sprache.“
Informatik wäre dann „viel fordernder gewesen, was mich mehr interessierte, zu ergründen, was hinter Algorithmen steckt“. Zufällig sei sie dann über ihre Bachelor-Arbeit in das Themengebiet Lern-Algorithmen gestolpert. Während des anschließenden Masterstudiums sei sie gefragt worden, ob sie Teil einer Forschungsgruppe werden wolle, die sich auf diesem Gebiet spezialisiert. Wie Programmen beigebracht werden kann, immer besser und besser zu lernen, aber auch auf Sicherheitskriterien zu achten. „Im Grunde bin ich bisher immer von einem Thema ins nächste gestolpert. Und es macht großen Spaß“, erzählt sie in einem kleinen Seminarraum im TU-Gebäude gegenüber dem Tausig-Platz. Etwas, das für den Journalisten ungefähr so ähnlich lesbar ist wie chinesische Schriftzeichen malt Tamara Drucks dann aus ihrem Forschungsgebiet auf das Smart-Board: „Das ist ein erster Schritt zum Beweis einer Formel über den Zusammenhang von Datenmengen und Wahrscheinlichkeit des lernenden Programms, Fehler zu erkennen und damit weiter lernen zu können.“
Richtig gefreut habe sie sich – und dabei sprüht ihr die Freude bei der Erzählung aus den Augen – „als es von der TU (Technische Universität) eine Rund-eMail gegeben hat mit de Frage, wer bei der Kinderuni Lehrveranstaltungen anbieten will. Da war ich sofort dabei.“ Gemeinsam mit ihren Studien-Kollegen David Penz, Patrick Indri, Thomas Gärtner und Maximilian Thiessen konzipierte sie die beiden Lehrveranstaltungen (die für die Jüngeren bot sie gleich drei Mal an). Der zuletzt Genannte war dann auch mit im Boot bei der konkreten Durchführung der Kinderuni-Workshops. Obwohl sie in den Minuten vor den Workshops an der Kinderuni jeweils sehr gestresst wirkt – und ist -, strahlt sie in der Erinnerung an die Stunden noch immer. Obwohl sie sich ins „maschinelle Lernen“ forschungsmäßig vertieft, „mag ich es einfach, mit Menschen zu arbeiten. Ich hab so mit ungefähr 13 Jahren auch einmal überlegt, eine Ausbildung im Tourismus zu machen“.