„Spielfreudige Version von Erich Kästners „Pünktchen und Anton“ im Theater der Jugend (Wien).
Reich trifft Arm. Zwei Kinder, jeweils Angehörige zweier voneinander getrennter Welten treffen aufeinander. Beginnen ihre anfänglichen Vorurteile zu überwinden, werden am Ende sogar dickste Freund:innen oder mehr? Nach abenteuerlichen Missverständnissen Happy End. Das ist wohl kürzest zusammengefasst „Pünktchen und Anton“ von Erich Kästner.
Zum Glück eher von der jüngsten (auch schon mehr als 20 Jahre alten, der dritten) filmischen Adaption (1999, Regie: Caroline Linke) als vom Buch selbst – mit doch sehr überkommenen Frauen- und Männerrollen – ausgehend (Fassung von Nicole Claudia Weber und Sarah Caliciotti), erzählt ein äußerst spielfreudiges Ensemble derzeit im Wiener Renaissancetheater (dem größeren der beiden Häuser des Theaters der Jugend) in knapp zwei Stunden (eine Pause) diese Story. Da ist zum einen die fantasievolle Luise Pogge, genannt Pünktchen (mit Pippi-Langstrumpf-Anwandlungen: Katharina Stadtmann), und zum anderen der sozial kompetente, aufopfernde Anton Gast (überzeugend: Jonas Graber).
Er jobbt als Rieseneis verkleidet, um Rechnungen seiner schwerkranken Mutter (Claudia Waldherr), die deswegen nicht arbeiten kann, zu bezahlen, organisiert weggeworfene Lebensmittel aus dem Mistkübel, kümmert sich liebevoll um seine Mutter. Sie, aus urreichem Haushalt, leidet darunter, dass ihre fast ständig abwesenden Eltern – Mutter Anwältin und Charity-Organisatorin – „wenn Kameras dabei sind“ – (Ursula Anna Baumgartner), Vater renommierter, weltweit tourender Dirigent (Frank Engelhardt) – ihr nicht einmal dann zuhören, wenn sie selten zu Hause sind. Und jedes Versprechen, hin und wieder Zeit miteinander zu verbringen, prompt brechen.
Antons Initiative, selber eigenes Geld zu verdienen, animiert Pünktchen, die immer wieder neue Wörter erfindet, maskiert auf der Straße altes Spielzeug von ihr Flohmarkt-artig zu verkaufen. Sie bewundert Anton um sein Engagement und beneidet ihn um sein liebevolles Verhältnis zu seiner Mutter (was bei Kästner ja von deren Seite nicht so unbedingt der Fall ist).
Natürlich kann nicht alles glatt gehen. Da hat sich schon der Dichter ein paar abenteuerliche Wendungen einfallen lassen: Das Kindermädchen – dort noch Andacht, hier namens Ines (Shirina Granmayeh), fast so abwesend wie Pünktchens Eltern selber – verliebt sich in Robert (Haris Ademović), den Eiswagen-Betreiber bei dem Anton arbeitet. Robert pumpt Ines ständig um Geld an; er ist einem zwielichtigen, irgendwie mafiösem Geldgeber die Kohle für sein Gewerbe schuldig. Und kommt auf die Idee, sich im ur-reichen Haushalt zu bedienen…
Bevor noch die Polizei eintrifft, haben Anton und vor allem die boxende Köchin Bertha (Petra Strasser) den Einbrecher erledigt. Letztere mit der – aus vielen Filmen bekannten uralten Bratpfanne, die – ein Stilbruch -, so gar nicht in diesen noblen, hypermodernen Haushalt passt 😉 Die dreh- und wandelbare Bühne (Daniel Sommergruber; Kostüme: Nina Holzapfel) ist ansonsten sehr stilsicher: Riesengroßes Speisezimmer der Pogges, klein, gedrängt, aber doch irgendwie herzlicher die Küche = Aufenthaltsraum der Gasts.
Den bei Kästner noch eindeutig nur bösen Gottfried Klepperbein gibt der oft im Theater der Jugend auch Hauptrollen ausfüllende Stefan Rosenthal differenzierter. Böse sein wollen und doch auch irgendwie arm dran – und immer wieder für Situationskomik gut. Keinesfalls vergessen werden darf auf den wandelbaren Uwe Achilles, der sowohl den strengen Lehrer Bremser als auch den mafiösen Drago und den eher patscherten Polizisten spielt.
Ein wenig zu kurz fallen die Flohmarkt-Szenen Pünktchens aus – mit sehr skurrilen Passant:innen, in die – mit Ausnahme der beiden Darsteller:innen von Pünktchen und Anton – alle anderen Schauspieler:innen schlüpfen. Klar, ist nur eine kleine Episode, aber von diesen fast karikaturhaften Figuren würd’s ein paar Minuten mehr vertragen. Dafür vielleicht ein wenig weniger vom Kampf mit dem Einbrecher, der so heftig ausfüllt, dass bei der Premiere einige jüngere Kinder lauthals weinen mussten.
Auch wenn „Pünktchen und Anton“ eine noch dazu doch schwarz-weiß-gezeichnete Arm-Reich-Geschichte ist – emotional vernachlässigte Reiche, herzlich warme arme Familie – wird in vielen Szenen konkrete Auswirkung von Armut immer wieder angespielt. Nicht zuletzt die -Beschämung. Und das krasse Missverhältnis zwischen arm und reich. Im Programmheft ergänzt das Theater der Jugend auch die Fakten: Jedes fünfte Kind ist im reichen Österreich von Armut betroffen bzw. stark bedroht. Und Österreich gehört zu einem der ganz wenigen Länder, die noch immer nicht den eigenen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Kinderarmut im Rahmen der Europäischen Kindergarantie erstellt haben.
Von Erich Kästner
in einer Fassung von Nicole Claudia Weber und Sarah Caliciotti
2 Stunden (eine Pause)
Pünktchen Pogge: Katharina Stadtmann
Anton Gast: Jonas Graber
Frau Pogge: Ursula Anna Baumgartner
Herr Pogge: Frank Engelhardt
Frau Gast: Claudia Waldherr
Berta: Petra Strasser
Ines: Shirina Granmayeh
Robert: Haris Ademović
Gottfried Klepperbein: Stefan Rosenthal
Herr Bremser / Polizist / Drago: Uwe Achilles
Passant*innen / Kund*innen: Ensemble
Regie: Nicole Claudia Weber
Bühnenbild: Daniel Sommergruber
Kostümbild: Nina Holzapfel
Licht: Barbara Zukal
Dramaturgie: Sarah Caliciotti
Assistenz und Inspizienz: Natalie Ogris
Hospitanz: Fabian Tastel
Aufführungsrechte: Verlag für Kindertheater Weitendorf, Hamburg
Bis 10. März 2024
Renaissancetheater: 1070, Neubaugasse 36
Telefon: 01 521 10-0
tdj -> puenktchen-und-anton
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