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Bild aus dem Film "Der Waldmacher"
Bild aus dem Film "Der Waldmacher"
17.09.2022

Das Geheimnis unterirdischer Wälder: Auf die Natur hören

Interview mit Tony Rinaudo, dem Entdecker der FMNR, einer Methode, die Bäume wieder sprießen und wachsen lässt.

„Der Waldmacher“ wird er genannt. Nicht zuletzt in dem Dokumentarfilm von Volker Schlöndorff, der derzeit (Mitte September 2022) in Kinos läuft. Er, das ist Tony Rinaudo, heute 65 Jahre jung, geboren in Australien, wo er seit geraumer Zeit wieder lebt. Vor vier Jahren wurde er mit dem „Right Livelihood Award“, dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Bild aus dem Film
Tony Rinaudo pflanzt nicht einen Baum, sondern schützt den aus dem untergrund emporgewachsenen Sprössling

Als er in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts lange Zeit – gemeinsam mit Ehefrau Liz, die er, die kurz im Zoom-Interview mit kijuku.at auftaucht, als „die wahre Meisterin“ bezeichnet – im afrikanischen Niger auf Missions-Einsatz war, entdeckte er eine neue Art der Wiederaufforstung trockener Gebiete: Farmer Managed Natural Regeneration (FMNR) wird sie seither genannt. Und kommt nicht zuletzt in etlichen Projekten mit „World Vision“ zum Einsatz.

FMNR

Die von Landwirt:innen selbst verwaltete natürliche Regeneration (Farmer Managed Natural Regeneration) begrünt entwaldete Böden und kommt ohne Baumpflanzungen aus. Noch vorhandene, unterirdische Wurzeln gerodeter Bäume werden genutzt, um wieder auszutreiben. Die jungen Schösslinge werden dann geschützt, gezielt beschnitten und so zu kräftigen neuen Bäumen, die in lockeren Abständen auf den Feldern stehen.

Die Wurzeln halten die Feuchtigkeit in der Erde, das Laub der Bäume beschattet die Böden und sorgt zusammen mit den Früchten für das Entstehen neuer Humusschichten. Nach diesem Prinzip werden ganze Wälder wieder aufgeforstet. Zwei gewünschte Ergebnisse stehen hierbei im Vordergrund: Das Wurzelwerk schützt vor Erosion und überschüssige Äste können als Brenn- oder Bauholz genutzt werden.

https://www.worldvision.de/aktuell/2018/09/fmnr

Zufällig entdeckt

Das „Geheimnis“ entdeckte er zufällig bei einer Autopanne: Sozusagen unterirdische „Wälder“ in Form von noch immer vorhandenen Wurzelsystemen längst vertrockneter oder abgeholzter oberirdischer Bäume. So konnte er im Team mit vielen Mitarbeiter:innen bzw. durch Überzeugung von Dorf-Bewohner:innen – er hatte die weit verbreitete Sprache Hausa erlernt – im Laufe der Jahre mehr als 200 Millionen neue Bäume in der trockenen Sahelzone aufforsten.

Buch und Film

Das und wie es dazu kam samt viiiiielen Schwierigkeiten, großer Skepsis und ausführlich auch über sein tiefe Gläubigkeit, die ihm über die Tiefpunkte hinweghalf, ist im Film sehr gut zu sehen und im Buch „Unser Bäume der Hoffnung – wie ein Mann die Wunder der Schöpfung nutzbar macht, um den Hunger zu besiegen“ (siehe Infobox) zu lesen.

Schon als Kind war er sozusagen am Boden zerstört über die Naturzerstörung, die er erleben, ja erleiden musste, war aber in seiner Kleinstadt – Myrtleford im Südosten Australiens – „eher isoliert“.

Tony Rinaudo
Tony Rinaudo im Online-Video-Interview

Online-Video-Interview

Trotz aller Skepsis – von Filmverleih und Verlag – kam es zu einem knackigen Zoom-Interview von Kinder I Jugend I kultur I Und mehr … mit dem „Waldmacher“. Da das meiste ja schon in Buch und Film zu lesen/sehen ist, beschränkten sich die Fragen vor allem darauf, was er aus seinen jahrzehntelangen Erfahrungen heutigen Kindern und Jugendlichen an Botschaft(en) vermitteln möchte.

Wie hast du die immer wieder erlebten Niederschläge und Tiefpunkte überwunden?
Tony Rinaudo: Ich habe immer und immer wieder zu Gott gebetet, „vergib uns die vielen Zerstörungen, die wir als Menschen der Natur angetan haben!“ Es war/ist eine heavy Glaubens-Reise und ich bin überzeugt, gute Dinge passieren nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden. Aber wir müssen sie möglich machen.

KiJuKU-heinz
KiJuKU-heinz im Video-Online-Interview

Message an Kinder und Jugendliche – und von diesen

Im Buch und Film ist vieles zu sehen und lesen, daher hier vor allem eine zentrale Frage: Was ist deine Botschaft an Kinder und Jugendliche?
Tony Rinaudo: Es ist ganz wichtig, aufmerksam zu sein und immer Fragen zu stellen. Auch wenn unsere Schulen und Bildungssystem eher eine Art tunnelblick vermitteln – mit Scheuklappen, so dass wir oft sehr eingeschränkte Blickwinkel haben. Aber wenn du auf Menschen triffst, die bereit sind, zuzuhören, zu lernen, dann gibt es immer viele Möglichkeiten, neue Lösungen zu finden.

Und wenn ich sagen, zuhören zu können, dann meine ich, nicht nur Menschen, nicht nur gesprochenen Sprachen. Wenn du offen im Kopf bist, dann merkst du, die Natur, die Bäume können sprechen – auch zu uns Menschen. Es ist eine besondere Sprache. Aber wenn du glaubst, du hast die Lösung, dann kannst du diese Sprache nie verstehen.

Hoffnung

Warst du glücklich, als du gesehen, erlebt hast, dass mit Greta Thunberg eine neue, junge Umweltbewegung entstanden ist?
Tony Rinaudo: Sicher, es macht mich sehr glücklich. Vor Covid war ich in vielen Ländern, hab über meine Arbeit erzählt und viele junge Leute getroffen, die auch nicht aufgeben, hoffen und kämpfen. Daher hab ich das Buch geschrieben, weil ich empfunden habe, das wichtigste ist derzeit, Hoffnung zu geben, dass Veränderung möglich ist.

Hoffnung hat, wie John Maxwell schreibt, zwei wichtige Elemente: Ärger über einen Zustand wie er ist. Und ich war ein sehr verärgerter Bub – über die Zerstörung der Bäume, der Landschaft, der Natur. Hoffnung beinhaltet aber auch die Ermutigung, Dinge zu ändern.

Wenn ich sehe, wie sich junge Leute für die Umwelt engagieren, nicht nur demonstrieren, sondern auch Konkretes tun – mithelfen, dass weniger Plastik in die Ozeane kommt oder dieses aus den Meeren zu fischen, Bäume zu pflanzen wie „Plant for the Planet“ seit mehr als zehn Jahren, gegen den Klimawandel in unterschiedlichsten Arten zu kämpfen, das macht mich sehr, sehr glücklich. Weil sie Hoffnung schaffen – für sich selbst und für andere – allein durch ihre Aktivitäten.

„Jetzt wo Lockdowns zu Ende sind und gehen, werde ich wieder reisen“, kündigt Tony Rinaudo im Online-Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … abschließend an, „nach Jordanien, Kenya, Ägypten und sechs Länder in Europa, ich werde Projekte besuchen, und mit Entscheidugnsträger:innen reden …“

Na gode, thank you very much, danke für das Interview.

Follow@kiJuKUheinz

FILM- und BUCH-INFOS

Der Film

Der Waldmacher
Buch und Regie: Volker Schlöndorff
Plus „Postkarten aus Afrika“ – eingebaute Kurzfilme:
Die Tränen der Migration von Alassane Diago
Die Köhlerinnen und Loblied auf die Hirse von Idriss Diabaté
Der unterirdische Wald (Animationsfilm) von Nadia Beddiaf Tamisier
Cecilia, Landwirtin von Laurene Manja Abdallah

Ca. 1 ½ Stunden
Volksfilm, Zero One Film in Koproduktion mit BR und ARTE
Der Waldmacher

Das Buch

Text: Tony Rinaudo
Übersetzung aus dem australischen Englisch: Corinna von Ludwiger
Unsere Bäume der Hoffnung – Wie ein Mann die Wunder der Schöpfung nutzbar macht, um den Hunger zu besiegen
ca. 270 Seiten
Verlag SCM Hänssler
Taschenbuch: 21,50 €
eBook: 13,99 €

Zu einer Leseprobe geht es hier