„Nestbeschmutzung“ im Theater Kosmos (Wien) verarbeitet Recherchen zu Machtmissbrauch zu einem Stück – ohne Täter zu nennen, es geht um die Strukturen.
In für dieses Theater – und viele dieser Art – ungewöhnlicher Kulisse präsentiert sich die Bühne bei „Nestbeschmutzung“: Mehrere Ebenen von (rosafarbenen) Vorhängen (Gassen) erinnern an große Häuser. Und nicht zuletzt auch um solche geht es, wenngleich nicht nur.
Der Begriff Nestbeschmutzung wird in der Regel dazu verwendet, Kritiker:innen zu denunzieren und hat somit auch den Touch von „Verrat“. Oder wie es groß am Programmheft prangt: „Das Haus darf nicht beschädigt werden“.
Die Kritik an Machtmissbrauch, (sexuellen) Übergriffen im Kulturbetrieb im Allgemeinen, im Theater im Besonderen wird in diesem kurzweiligen, knallbunten (Bühne & Kostüm: Camilla Hägebarth) Spiel immer wieder auch mit Humor thematisiert. Tamara Semzov, Birgit Stöger und Mervan Ürkmez spielen die zu Szenen verarbeiteten jahrelangen Recherchen von Felix Hafner, Jennifer Weiss und Anna Wielander („Institut für Medien, Politik und Theater“).
In der erwähnten Kulisse mehrere Ebenen von Vorhängen spielt sich eine Preisverleihung ab, eine Party danach, Small-Talk zwischen Gäst:innen ebenso wie Blablabla-Moderationen. Aber auch die Dankesrede einer Preisträgerin (Tamara Semzov). Die bedankt sich zunächst vor allem bei wichtigen, unerlässlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sonst praktisch nie auch nur erwähnt werden – unterschiedlichste Assistenz-Leistenden. Und zu guter Letzt auch für ihre miese Bezahlung, zu viele Überstunden, ständiges Runtermachen, Fallengelassen werden und vieles mehr.
Mervan Ürkmez spielt den „Fall“ einer Person XY durch. Regieführende Intendanz „spürt“ in der Probe nicht, was XY da rüberbringen will, greift ihr zwischen die Beine – „von da muss das kommen!“ Und dann der Spießrutenlauf der betroffenen Person. Beratung mit Kolleg:innen, Gespräch mit der Vertrauensperson des Theaters – die sitzt in der Leitung des Hauses! Der Ruf des Theaters solle doch nicht zerstört werden…
Von der Belegschaftsvertretung kommt auch keine wirkliche Hilfe. Bei der Beratungsstelle der Hinweis, möglichst Beweise sammeln. Anwaltschaftliche Beratung: Nicht zu neutral und sachlich, die Betroffenheit müsse zu spüren sein. Umgekehrt zu viel auch nicht. Wenn zu viele Zeug:innen, dann könnt’s nach Kampagne wirken…
Birgit Stöger kennt in einer ihrer Rollen das alles und noch viel mehr schon aus jahrzehntelanger Arbeit, gibt die Resignierte und lässt fast eher unausgesprochen Pensionswünsche anklingen.
Vieles ist aus Debatten der vergangenen Jahre bekannt, nicht zuletzt rund um die erst kürzlich ausgestrahlte Dokumentation „Gegen das Schweigen“ des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Wurden dort allerdings konkrete Namen genannt, so spart „Nestbeschmutzung“ im Wiener Theater Kosmos diese bewusst aus – es soll das Versagen hierarchischer, patriarchalischer Systeme aufs Korn genommen werden. Abgesehen davon, dass bei den meisten im Publikum manche Namen ohnehin im Kopf ankommen, wenn von Enfant Terrible, Theater-Berserker usw. die Rede ist.
Mindestens genauso wie die Kritik an herr-schenden Verhältnissen vermittelt das Schauspiel-Trio – auch in einer plakativen Szene eher am Beginn mit Wunderkiste und weißen Ganzgesichts-Masken – die Lust und Leidenschaft von Theaterleuten; das wofür sie brennen. Was nicht selten von Toxikern – noch immer – ausgenutzt wird.
Das meiste schon vielfach erzählt – aber in anderen Medien übers und dieses Mal im Theater.
Institut für Medien, Politik und Theater
Ca. 1¼ Stunden
Konzept, Text, Recherche: Institut für Medien, Politik und Theater (Felix Hafner, Jennifer Weiss, Anna Wielander)
Schauspiel: Tamara Semzov, Birgit Stöger, Mervan Ürkmez
Bühne & Kostüm: Camilla Hägebarth
Regieassistenz: Emilia Reiter
Hospitanz: Emilia Thenner
Bis 20. April 2024
Kosmos Theater Wien
1070, Siebensterngasse 42
Telefon: 01 523 12 26
kosmostheater -> nestbeschmutzung
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