„Ich heiße Name“ – ein Stück für schon junge Kinder (ab 5 Jahren) lässt Mädchen-/Buben-Klischees erst gar nicht aufkommen.
„Punkti, Punkti, Strichi, Strichi, rundherum – fertig ist ein Mondgesichti. Und zwei Ohren dran – schon ist ein Mensch gebor’n…“ In dieser oder ähnlichen Versionen dient ein uralter Kinderreim als Zeichen-Anleitung. Und nach langer, intensiver Recherche für eine Stückentwicklung kamen Antonia Brix, Julius Griesenberg, Sibylle Heiniger, Brigitta Weber von den beiden Schweizer Theatern Blau (Zürich) sowie Jungfrau & Co (Bern) mit einer anderen Ausgangsfrage darauf, das ist die Lösung für ihr Thema. „Ich heiße Name“ ist der Titel des Stücks, das hier in St. Gallen bei der dritten Ausgabe des Kindertheaterfestivals „Jungspund“ gezeigt wird.
Ausgangspunkt der vier Genannten aus den beiden Theatern war, ein Stück zum Thema Gendern schon für ein sehr junges Publikum (ab 5 Jahren) zu machen. Im Inszenierungseinblick vor dem Stück am Sonntag verrieten Brix und Heininger, dass sie zunächst nach Stücktexten, dann nach Kinderbüchern gesucht hätten. Dabei seien sie nicht fündig geworden, und übertragen in Tiergeschichten wollten sie’s auch nicht. Da gäb’s ja u.a. ein wunderbares aus Polen: „Wer ist die Schnecke Sam?“ – Link zu einer Besprechung hier unten:
Zurück zu dem vielleicht aufs erste verwirrenden Titel des Theaterstücks in der Lok-Remise von St. Gallen. Die beiden Schauspieler:innen Julius Griesenberg und Brigitta Weber werden in der Stunde vor allem auch zu Zeichner:innen. Auf durchsichtige Folien zeichnen sie live Kreise – für Kopf, Augen, Rumpf sowie Linien für Arme und Hände sowie Beine und Füße. Über zwei Overhead-Projektoren wie sie vor Jahrzehnten in Schulen häufig eingesetzt worden sind, „werfen“ sie die Bilder an Mauern und Präsentationswände.
Vorteil dieser Strich-Kreis-Figur: Ob Mädchen, Bub oder auch divers, noch gar nicht festgelegt … – niemand kann’s sagen so wie sie hier aufscheinen. Und die beiden geben als „Eltern“ nennen das neu in die Welt kommende Kind auch ganz neutral einfach „Name“. Im Verlauf der Stunde wächst das Kind heran. Auch wenn so manche neu gezeichneten Erwachsenen-Gesichter fragen, ob Bub oder Mädchen, bleibt es sich treu. Was zählt denn das, jede und jeder darf und kann alles tun dürfen. Und weshalb sollte beispielsweise eine Schulklasse ein einem Spiel nach dem biologischen Geschlecht eingeteilt werden und nicht etwa, wer im Sommer oder im Winter geboren ist, wer Gemüse oder Fleisch bevorzugt, rote oder blaue Socken trägt…
Und so einfach „nebenbei“ kommen im Sinne von Inklusion auch diverse Menschen und Familienkonzepte im Stück vor. Bei der Vorstellung am Sonntag wurde übrigens live und simultan in Gebärdensprache übersetzt.
Immer wieder arbeitet das Duo mit dem „Trick“, verschiedene Ebenen zu erzeugen, indem sie vor die Projektionswände Gegenstände halten, außerdem spielen sie mit den beiden einander ergänzenden Projektoren. Locker, leicht nachvollziehbar und immer wieder mit spielerischem und zeichnerischem Witz zaubern die beiden Spieler:innen/Zeichner:innen (Inszenierung: Antonia Brix) eine Atmosphäre, bei dem es einfach ums Mensch-Sein-Dürfen geht, ohne in Schubladen gesteckt zu werden und ohne Biologie zu verneinen.
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für vier Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
Theater Blau Zürich und Theater Jungfrau & Co. Bern
Ab 5 Jahren; ca. 1 Stunde
Idee, Konzept: Antonia Brix, Julius Griesenberg, Sibylle Heiniger, Brigitta Weber
Inszenierung: Antonia Brix
Spiel: Julius Griesenberg, Brigitta Weber
Dramaturgie: Sibylle Heiniger
Ausstattung: Renate Wünsch
Illustration: Jeannette Besmer
Musikkomposition: Resli Burri
Lichtdesign, Technik: Tashi-Yves Dobler Lopez
Grafik: Jeanette Besmer
Produktionsleitung: Gabi Bernetta
Eine Produktion von Theater Jungfrau & Co. Bern, Theater Blau Zürich und Bernetta Theaterproduktionen; in Koproduktion mit Schlachthaus Theater Bern
Montag, 21. Februar 2022
Lok-Remise, St. Gallen (Schweiz)