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Szenenfoto aus "Durch die Welt"
Szenenfoto aus "Durch die Welt"
11.07.2024

Gemeinsam sind wir stark – und pfeifen auf den König

„Durch die Welt“ baut auf einem weniger bekannten (nicht nur Grimm’schen) Märchen auf – und wird derzeit (bis Ende Juli) im lauschigen Innenhof des Volkskundemuseums gespielt.

Der Akkordeonist Muamer Budimlić kommt aus dem zeltartigen Revier hinter der großen Platane im kleineren Innenhof des Volkskundemuseums hervor, nimmt seinen angestammten Platz auf einem Sessel neben der Bühne ein und beginnt zu spielen. Zunächst begleitet er den kunstvoll tollpatschigen Auftritt Kari Rakkola mit zwei großen Plastikkübeln und einem Besen. Bis der sich auf die Bühne hinauf-slapstickt – samt Kübel über dem Kopf – wirken auch die Töne fast unbeholfen, übend – aber durchblitzen lassend, dass dahinter großes Können steckt – so wie beim gekonnten ungeschickt-Agieren des Schauspielers.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Durch die Welt“

Viele unterschiedliche Talente

Im Laufe der nächsten rund 1¼ Stunden sammelt der Spieler fünf Mitstreiter:innen im Widerstand gegen den König, der alle Freigeister einsperren oder verbannen lässt. Er selbst outet sich als Mix aus Loser und Opfer – und bringt damit wie jedes Jahr auch so manche Anspielungen aus der realen Welt Österreichs ins Spiel: Lehrling bei Konsum, gearbeitet bei AUA, Lauda-Air, im Dianabad, bei der Commerzialbank Mattersburg, Gastronom Martin Ho und nicht zuletzt bei Signa. Als Kritiker an den Verhältnissen wird er zur Gefahr erklärt, landet im Gefängnis – wie auch einige andere. Unter anderem die künstlerischen Poetry-Zwillinge Esther (Hanna Victoria Bauer) und Williams (Maria Balder). Die können aber nicht nur dichten, sondern auch heftig eiskalte Winder herbeiblasen. Der stärkste Mann der Welt (Carlos Delgado Betancourt) verhilft den Gefangenen zur Freiheit. Auf dem weiteren Weg begegnen sie einer Frau (Deborah Gzesh), die verstehen kann, was Bäume und alle anderen Pflanzen sprechen – und das sei viel inhaltsreicher als Klatsch und Tratsch, den sich Tiere zuraunen. Zu guter Letzt treffen sie auf einen gar scheuen, ängstlichen, jungen Mann (Stephan Pointner). Der kann rennen!

Mit so viel Talent, werden sie doch gemeinsam durch die Welt kommen, wenngleich er selbst nur eines könne: Böse, grimmig Dreinschauen – aber auch das überzeugt das Publikum 😉

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Durch die Welt“

Wettkämpfe

Der König (Deborah Gzesh) will seine Tochter (Carlos Delgado Betancourt) verheiraten. Mögliche Prinzessinnen-Gemahle müssten mit ihr selbst in Wettbewerben gewinnen. Wer verliert: „Rübe ab!“

Das Team meldet sich gemeinsam. Den ersten Wettkampf im Laufen, sogar im erschwerten Sackhüpfen – klar, da war die Prinzessin gegen den Raser Zweite. Also noch ein Bewerb. Kunst-Schwimmen. Mit vollstem Körpereinsatz warfen sich die Teammitglieder in Badeanzügen im Uralt-Style, gestreift und Body-Suits, in ein schmales Rinnsal in einer riesigen durchsichtigen Folie! Und zum Drüberstreuen noch ein Gedicht-Bewerb.

Das Team gewinnt klarerweise, aber…

… dem König passt das nicht. Listig … – nein alles sei nicht gespoilert. Aber klar, Die Gemeinschaft schafft auch diese Herausforderung, verzichtet aber letztlich darauf, Schwiegersohn des Königs zu werden, verlangt viel „Gold“ – das aufgeteilt wird… Und will weiterziehen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Durch die Welt“

Sehnsuchtsland

Liebe kommt dennoch ins Spiel. Und das Chanson „Youkali“, das Kurt Weill für seine Oper „Marie Galante“ im französischen Exil (er musste vor den Nazis flüchten) komponiert hat, den Text von Roger Fernay singen die Schauspieler:innen in mehreren Sprachen (Jiddisch, Spanisch, Englisch, Französisch, Finnisch, Deutsch), die das multikulturelle Ensemble teils als Erstsprache hat. Es drückt die Sehnsucht nach einem Land, „in dem wir alle Sorgen hinter uns lassen, es ist in sunerer Nacht wie eine Lichtung, der Stern, dem wir folgen…“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Durch die Welt“

Weltweit

„Durch die Welt“ ist das zehnte Stück von Zenith productions im lauschigen Hof des Volkskundemuseums, das kürzlich für einige Wochen das „Haus der Republik“ im Rahmen der Wiener Festwochen war. Mal schmiedete das Ensemble (Konzept & Regie: Kari Rakkola, die Bühnenfassung er selbst meist gemeinsam mit Roland Bonimair) aus mehreren Märchen ein Theaterstück, dann wieder orientierten sie sich an Klassikern wie dem „kleinen Prinzen“, oder nehmen – wie heuer – als Grundlage ein weniger bekanntes Märchen her. Stets fällt die Wahl auf einen Stoff, mit dem sich Botschaften transportieren lassen, die nicht uralt, sondern ganz schön aktuell oder eben auch zeitlos sind.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Durch die Welt“

Das heurige hat als weit in den Hintergrund tretende Vorlage „Sechse kommen durch die ganze Welt“ (Nummer 71 aus der Grimm’schen Sammlung), wobei viel eher sogar die eine oder anderer der Verfilmungen dieses Märchens (zuletzt vor rund zehn Jahren, aber auch schon Anfang der 70er Jahre in der DDR). Und der Stoff kommt auch in einem estnischen Märchen vor sowie sogar in orientalischen Märchen wie Rakkola zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nach der umjubelten Premiere am 10. Juli 2024 sagte.

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Szenenfoto aus „Durch die Welt“

Charmant

Wie immer lebt auch das Stück in diesem Jahr nicht nur vom märchenhaften Stoff selbst, sondern vom unaufgeregten, berührenden Schauspiel (viele sind Stammspieler:innen, heuer allerdings auch zwei Neulinge, die gut ins Team passen) – und das im Wechsel- und Zusammenspiel mit dem schon eingangs genannten Live-Musiker. Wobei ergänzend auch heuer wieder – diesmal kleiner und im Hintergrund – eine skurrile Musikmaschine (von Paul Skrepek gebaut) spielt. Kostüme und Requisiten versprühen wie immer den Charme des low-budget-Selbstgeschneiderten, die auch „nur“ das Schauspiel unterstützen – professionell und doch so uneitel.

Der große alte Baum macht den Abend des heißen Tages einigermaßen erträglich. In dieser lauschigen Atmosphäre spielen die Zenith-Künstler:innen heuer – bis 28. Juli 2024 (Details siehe Info-Block am Ende) wie es scheint zum letzten Mal vor der länger dauernden Renovierung des Museums – was auch schon im Vorjahr angekündigt war 😉

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Der blaue Vogel, 2019 <- damals noch im Kinder-KURIER

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Szenenfoto aus „Durch die Welt“
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Durch die Welt

Sehr frei nach „Sechse kommen durch die ganze Welt“ (Sammlung der Gebrüder Grimm)
Ab 7 Jahren; 1¼ Stunden
Zenith Productions für Theater und Musik in Kooperation mit dem Volkskundemuseum Wien

Konzept & Regie: Kari Rakkola
Bühnenfassung: Roland Bonimair, Kari Rakkola

Es spielen
Wiliams, Teil des Zwillings-Poetry-Duos, das Eiseskälte verbreiten kann: Maria Balder
Esther, Teil des Zwillings-Poetry-Duos, das Eiseskälte verbreiten kann: Hanna Victoria Bauer
Prinzessin / stärkster Mann der Welt: Carlos Delgado Betancourt
König / Baum- und Pflanzen-Versteherin: Deborah Gzesh
Schnellster Läufer der Welt: Stephan Pointner
Sammler des Aufstands-Teams: Kari Rakkola

Live-Musik: Muamer Budimlić
Musikmaschinen-Bauer: Paul Skrepek

Wann & wo?

Bis 28. Juli 2024
Innenhof des Volkskundemuseums
1080, Laudongasse 15 – 19

Infos und Reservierungen: 0677 / 614 05 081
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