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Die nahen Begegnungen mit jugendlichen Stimmen im Ohr
Die nahen Begegnungen mit jugendlichen Stimmen im Ohr
03.06.2024

Original-Aussagen Jugendlicher zu ihren Gedanken und Gefühlen

„Close Encounter“ (nahe Begegnungen), ein Projekt der Wiener Festwochen 2022 zu Gast beim Dramatiker:innen-Festival in Graz.

Eine 1:1 Begegnung und doch ist es eigentlich das Zusammentreffen von vier Menschen, (mindestens) drei davon Jugendliche. Klingt kompliziert, war aber einfach. „Close Encounters“ (nahe Begegnungen) wurde vor zwei Jahren im Rahmen der Wiener Festwochen entwickelt und als eine Art spin-off kürzlich Teil des Dramatiker:innen-Festivals in Graz.

Konzipiert von Anna Rispoli und künstlerischer Mitarbeit und Workshop-Leitung von Dilan Sengül waren Jugendliche zu Gesprächen und aufgenommenen Interviews eingeladen. Sie sollten – und taten dies – über ihre Ansichten zu Leben, Liebe, Ängste, die Welt im Allgemeinen, gesellschaftliche Themen ebenso wie zu Freund:innen, Konsum – auch dem von Drogen oder nicht zu sprechen.

Montage aus vielen Aussagen

Aus vielen dieser Aussagen montierten die professionellen Künstlerinnen ein einziges Gespräch zwischen einem Mädchen und einem Burschen – jeweils mit Pausen dazwischen.

Besucher:innen saßen nun jeweils einzeln mit einer oder einem Jugendlichen in einer Ecke des Theaters am Grazer Ortweinplatz. Jede/r einen Kopfhörer im Ohr – und immer nur einen Part des Gesprächs hörend. Da beide aber immer das eben Gehörte wiederholen sollten, bekamen auch die Besucher:innen das ganze – zusammengeschnittene – Gespräch zu hören. Die beteiligten Jugendlichen kannten die meisten schon davor alles.

Gast-Jugendliche

In Graz waren Jugendliche Teil des Geschehens, die nicht zwei Jahre zuvor ihre eigenen Ansichten aufnehmen lassen konnten. Der 15-jährige Xaver, der gemeinsam mit dem KiJuKU-Journalisten die Session absolvierte, meinte aber im Gespräch danach: „Ich konnte mich schon mit vielem, was da gesagt wurde, identifizieren, aber nicht mit allem.“

Er selbst besucht eine Schule mit Kreativ-Schwerpunkt, weil er selber einmal etwas mit Film oder Theater machen will.

Dauerhaft bei den Festwochen

Leily, 18-jährige Gymnasiastin, die aus Wien zum Festival nach Graz anreise, war schon 2022 beim Projekt dabei, ist auch heuer bei den Festwochen Teil der Geschworenen in den Wiener Prozessen und im „Rat der freien Republik Wien“. Sie ist sehr kunstaffin, werde aber eher Medizin oder Jus studieren, was ihre Eltern bevorzugen.

Willensstarker Lehrling

Der gleichaltrige Darko ist Lehrling (Einzelhandelskaufmann) bei einer großen Supermarktkette mit eigener Ausbildungs-Akademie. Die Ausbildung gefällt ihm. Vor zwei Jahre wurden er und einige Kolleg:innen Teil des Kunstprojekts „Close encounter“, was ihm sehr gefiel. Dort konnte er auch gut seine Ansicht übers Rauchen einbringen, das er persönlich stark ablehnt – auch aus der persönlichen Erfahrung seiner Eltern, die beide viel rauchen. „Im Freundeskreis ist es nicht immer leicht, das durchzuhalten. Wenn alle rundum rauchen und du bist der einzige, der nicht mitmacht. Aber ich bin sehr ehrgeizig und willensstark – ich denk mir dann immer, es ist nicht nur nicht gesund, sondern es wäre schade um das viele Geld.“

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Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zur Berichterstattung eingeladen.

Zwei der hier beschriebenen Kurz-Versionen sind beim Festival am Freitagvormittag

Die ganze Bühne eine schräge Bettfläche weiß mit dünnen roten Strichen, die ein groß-kariertes Muster ergeben. Mittendrin ein üppiger König mit kleiner roter Krone. Der zählt Pölster – „61, 62, 63, 61, 64, 65“. Zeigt sich verwundert. Zählt noch einmal und noch einmal. Ist verärgert. Er hatte doch 66 Kissen, irgendwer hat wohl eines geklaut. Der König trägt einen außergewöhnlichen Namen, der schon den Kern der Geschichte aussagt: „Die Schachtel, die alles hat, alles darf und nichts muss“.
Und alles heißt, wenn er 66 Pölster hatte, dann will er genau die haben und nicht einen weniger.

Folgerichtig schreit er herrschsüchtig nach dem Diener. Auch der heißt nicht alltäglich: Törtchen, stets zu Diensten. Natürlich kommt der für des Königs Geschmack zu langsam – und darf nicht wirklich die Wahrheit sagen, dass sich sein und aller Herren verzählt hat. Muss also los, um ein 66. Kissen aufzutreiben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Schachteldrama

Soweit der Beginn des Stücks „Der König, der alles hatte“ im Grazer Jugendtheater Next Liberty. Verena Richter, Kabarettistin, Musikerin und Autorin hat es geschrieben unter dem Titel „Schachteldrama“ – vor drei Jahren im Rahmen des Retzhofer Dramapreises, in einer Kombination aus Workshops und Wettbewerb. Und ihr Text ist mit Wortwitz(en) gespickt, nicht wenige eher für erwachsenes (Begleit-)Publikum.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Dir fehlt was

Zurück zur nunmehrigen Inszenierung (Regie: Anja Michaela Wohlfahrt). Während also der König (Martin Niederbrunner), der alles für sich haben will, dabei aber nicht nur beim Zählen ein bisschen dümmlich wirkt und sein Diener (Helmut Pucher), der nie an den Aufträgen verzweifelt und heiter bleibt, um den 66. Polster eilen will, läutet es an der Tür (EU-Hymne). Eine Gästin von weit her – jenseits der Schuldenberge, hinter den Gierschluchten aus einem Land, wo die Menschen (fast) nichts haben. Darauf weist Cassandra Schütt die „Schachtel, …“ hin. Dieses Ungleichgewicht von Reichtum und Armut führt aber auch dazu, so die Gästin, dass dem König doch etwas fehle: Gerechtigkeit.

Hoppla, das kann doch nicht sein, dass der Herrscher nicht alles hat. Hat er doch nicht nur 66 Pölster, 12 luxuriöse Badewannen, einen vorderasiatischen Rückenkratzer, sondern sogar königsblaue Eierschalen-Sollbruchstellen-Verursacher… Aber tatsächlich, auf der Liste seines Hab und Gutes gebe es kein Gereuchtigbumms. Also müsse er auch das haben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Verkäufer für alles …

Da trifft es sich gut, dass wieder die Europa-Hymne erklingt; ein Paket wird geliefert. Überzeugender Überzeuger (Simone Leski) mit Jacqueline, der Krawatte der Überzeugung um den Hals, üppig kostümiert (Ausstattung: Helene Payrhuber), trifft ein.
Endlich Gerechtighummsdipummsdi?
Naja, doch irgendwie nicht.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Einen Bewunderer braucht er mindestens

Die Figur tritt in der Folge noch zwei Mal auf – immer anders, ziemlich schräg kostümiert, um angeblich so ein Gerecht-, Gereucht, also so was zu bringen, das die Schachtel noch nicht hat. Und verlangt dafür immer mehr. Beim zweiten Mal den Diener – den will der König nicht hergeben. Dann bliebe ja gar keiner mehr, der ihn bewundern und bedienen könne – wobei da schon ein bisschen mitschwingt, dass er auch nicht ganz allein bleiben will.

Zuletzt ist der König bereit zu zahlen „koste es, was es wolle“. Bühne wird leer geräumt. Doch nicht ganz, einen Polster hält er noch in Händen – und den teilt er sich nun als Sitzgelegenheit mit Törtchen, stets zu Diensten.
Happy End, Vorhang zu. Applaus.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Ansatzlose Veränderung

Ob zuvor die einkassierten Kissen als Symbol für alles, überhaupt an die Armen im Land der Gästin jenseits der Gierschluchten gehen oder erst recht nur an einen anderen Gier-Raffer, den überzeugenderen Überzeuger? Und wie der König sich überhaupt veränderte? In der Stunde, oder vielleicht auch nur den 55 bis 58 Minuten vor dem geteilten Polster, ist keine wirkliche Entwicklung erlebbar. Mehr oder minder bleibt die Schachtel in ihrer alles haben wollen-Mentalität. Da braucht’s eben auch das Gerechtigkeitsdings. Womit die drei Aufritte der fantasievoll ausgestatteten Überzeugenderen Überzeuger dennoch more of the same (mehr vom Gleichen) bleiben – und in etwa ab der Hälfte des Stücks ein Gutteil des Kinderpublikums unruhig zu werden beginnt.

Außerdem schwebt über dem Polster-Teilen nicht nur ein neues Königs-Gefühl, sondern vielleicht eher noch das alte: Ich will wenigstens einen Bewunderer und Diener.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Live-Musiker

Neben dem Wortwitz aus dem Text und dem Spielwitz der Schauspieler:innen ist unbedingt noch der Live-Musiker Reinhard Ziegerhofer zu erwähnen. Mit Gitarre, Kontrabass, den er an passenden Stellen zum Percussion-Instrument umfunktioniert und Melodica ist er ständig auf der Bühne präsent. Als „Teil des Ganzen“ kriegt er manches Mal vom König Anweisungen, dass er schneller oder anders zu spielen habe. Und dennoch vermittelt er eine gewisse Unabhängigkeit.

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Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zur Berichterstattung eingeladen.

Zwei der hier beschriebenen Kurz-Versionen sind beim Festival am Freitagvormittag im taO! zu sehen