„Mother loves you“ – Schauspiel mit parallelen ähnlichen Video-Szenen von TWOF2+Das Collectiv im Dschungel Wien stößt Nachdenken darüber an, was „Mutter“-Liebe ist/sein kann.
Ein Tisch, zwei Sessel, ein Kühlschrank, ein E-Herd, als „e“ noch nur für elektrisch und noch nicht elektronisch stand. Dafür viel Elektronik über die neun im gesamten Raum (Bühne 2 im Dschungel Wien) verteilten Monitore. „Mother loves you“ (Mutter liebt dich) vom Performance-Collectiv TWOF2 (zwei von zwei) spielt sich als Schauspiel und als Video – dieses aus verschiedenen Perspektiven – ab.
Fast wortlos agiert die einzige live und analog spielende Anna Katharina Bittermann. Spult routinemäßige Abläufe für Frühstück, Mittag- und Abendessen ab. Butter aus dem Kühlschrank, Eier in der Pfanne auf der heißen Herdplatte zu Rühreiern kochen, davor schon Kaffee… Phasenweise mit Buch oder Mitschrift-Heft in der einen Hand, essen mit der anderen oder die nutzen, um auf einem Tablett digital Notizen schreiben.
Zwischen den Mahlzeiten verschwindet „Ada“ – so ihr Spielname – im Backstage-Bereich.
Während sie Mahlzeiten zubereitet, sich setzt und selber isst – oder auch nicht – sind im Video eine andere Schauspielerin (Maria Spanring) als Ada zu sehen als Mutter des jugendlichen Raphael (Joshua Zischg), der hier mitspielt. Dort wird gesprochen. Nicht viel aber doch. Das dafür aber nicht selten eher aneinander vorbei – gegebene Antworten ignorierend. Der „Sohn“ sorgt sich, die Mutter müsse was essen, das wäre gut für sie. Sie „weiß selber, was für mich gut ist“. Und dennoch wiederholt er seine fürsorgliche Geste. Kommt vielleicht – mit umgekehrten Vorzeichen – bekannt vor, oder?!
Jeder der neun Monitore zeigt andere Ausschnitte aus den – mit elf Kameras – gefilmten Szenen. Totale, Details, so dass Stimmungen in dem einen bzw. anderen Gesicht ablesbar sind, Draufsicht von oben auf die Lebensmittel und das Geschirr auf dem gedeckten Tisch… Spannend, wenngleich du als Zuschauer:in ständig den Kopf wenden musst – weg vom Live-Schauspiel hin zu dem einen oder anderen Monitor – und mindestens zwei kannst du ohnehin nie sehen. Denn im Gegensatz zu der ausführlichen Beschreibung im pädagogischen Begleitmaterial zum Stück, kann sich das Publikum nicht frei im Raum bewegen, sondern sitzt auf U-förmig angeordneten Sitzbänken. Wanderndes Publikum wäre wahrscheinlich zu unruhig geworden?
Außerdem geht’s zentral ja mehr um das Mit- oder eben Nicht-Miteinander von Sohn und Mutter – bzw. in den doch stattfindenden Gesprächen auch um die Beziehungen der beiden zu (möglichen) Partner:innen sowie zu einem zweiten, anfangs noch sehr, sehr jungen zweiten Kind Adas. Adam ist übrigens noch immer Baby als Raphael schon deutlich erwachsen ist – und da von Dominik Gysin gespielt wird. Zeitsprünge spielen sich nur in den Videos ab, sorgen mitunter für Verwirrung. Aber auch solche kann sich legen, wenn der Blick und das Gehör auf die Beziehungsfrage gerichtet wird.
Und dabei, ohne das groß direkt anzusprechen, „Mutter“ eher für Fürsorge steht – egal, ob diese nun von einer Frau, einem Mann, einer älteren gegenüber einer jüngeren Person ausgeübt wird oder umgekehrt. Durch letztere tun sich allerdings neue Fragen auf – von Überforderung, wenn Kinder bzw. Jugendliche (sehr) früh Verantwortung für Eltern übernehmen (müssen). Solche Gedanken werden ebenso angestoßen wie Klischeebilder so „nebenbei“ hinterfragt, und dann doch wieder mit ihnen gespielt. Wenn die alte Mutter zu studieren beginnt, aber ihre Seminararbeit auf einer alten Reiseschreibmaschine tippt und vom erwachsenen Sohn, der am Tablet mit externer Tastatur schreibt, hören muss – ein Laptop wäre für sie doch eine Nummer zu groß.
Vielleicht aber stehen die intensiven Video-Szenen auch „nur“ für die Träume – egal ob Wunsch oder Alb – der einzigen Live-Schauspielerin? Scheint zwar nicht so gedacht (Buch: Ursula Knoll, Regie: Giovanni Jussi; Kamera: Francesco Diaz), liegt aber nicht so fern aufgrund der beiden Ebenen Live-Spiel und Video und der verschiedenen „Ada“s.
Muss übrigens eine logistische Herausforderung gewesen sein, in einer echten Küche elf (nach Rückfrage beim Team) Kameras zu platzieren und die jeweils beiden Schauspieler:innen zu filmen ohne sie in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Und das synchrone Material so zu schneiden/montieren, dass es nun diese runde multi-perspektivische Performance – obendrein mit Musik (Bernhard Breuer) – ergibt.
Performance mit Video-Installation
TWOF2+Das Collectiv in Zusammenarbeit mit Anna Katharina Bittermann
Ab 15 Jahren; ca. eine Stunde
Idee und Konzept: TWOF2 + DasCollectiv
Regie: Giovanni Jussi
Buch: Ursula Knoll
Performance
Live-analog Ada: Anna Katharina Bittermann
Ada im Video: Maria Spanring
Raphael, ihr Son als Jugendlicher: Joshua Zischg
Der erwachsene Raphael: Dominik Gysin
Komposition und Live-Musik: Bernhard Breuer
Bühne: Giovanni Jussi, Francesco Diaz
Kamera: Francesco Diaz
Kamera-Operateur:innen: Chiara Tenconi, Francesco Luciano, Luca Pallaro
Tonmeister: Mario Stadler
Make-Up-Artist. Rachel Amacker
Kostüme: Barbara Gutmann
Film-Set: David Grütter, Giovanni Jussi, Francesco Diaz
Regie- und Produktions-Assistenz: Vera Buchgraber
Bis 23. Mai 2024
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
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