Reportage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… in einer der vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, ausgezeichneten kinderfreundlichen Gemeinden: Dieses Mal in Kronstorf (Oberösterreich). Mehr als 150 Fotos und ein Video.
Gleich in der Früh: Der Turnsaal ist zum Großteil mit den bekannten blauen Matten ausgelegt. Fast alle Kinder der Volksschule (192) Kronstorf (OÖ) sitzen, hockerln oder knotzen drauf. Einige ihrer Kolleg:innen stehen auf dem mattenlosen Teil des Turnsaals. Diese leiten an diesem Tag das einmal monatliche Schüler:innen-Parlament.
Auf der Tagesordnung stehen einerseits die Präsentationen einiger wichtiger Kinderrechte in Form von großen handgeschriebenen Plakaten sowie in gesprochenen Sätzen. Die demokratische Vollversammlung aller Kinder dieser Schule findet dieses Mal rund um den internationalen Tag der Kinderrechte – am 20. November 1989 haben (fast) alle Staaten in der Generalversammlung der UNO für die Kinderrechtskonvention gestimmt.
Gleichheit, Gesundheit, Freizeit und Spiel, Gesundheit, kein Ausschluss von Kindern mit Behinderungen… – eine lange Reihe fast quer über die gesamte Breite des Turnsaals zieren die hochgehaltenen Plakate.
Zum anderen greifen jene Kinder, die die Versammlung leiten, Themen auf, die in einem vorherigen Schüler:innen-Parlament aufgeworfen worden sind. Die fallen unter ein gegensätzliches Begriffspaar: Gerecht oder ungerecht. Und werden unter anderem in kleinen Rollenspielen dargestellt. Eine Lehrerin verteilt Zuckerln – aber wie? Eines der Kinder in dieser Reihe kriegt eines, ein anderes zwei, wieder andere vielleicht sogar drei. Und was und wie damit tun? Teilen, weitergeben – aber dennoch haben dann nicht alle mindestens eines.
Die davon ausgelösten Diskussionen werden durch ein weiteres – ausgedachtes, vorgetragenes – Beispiel noch intensiver: Ein Mädchen, das an einem Ausflug gar nicht teilnimmt, weil die Familie eine Tante aus dem Ausland zu Besuch hat, gewinnt aber bei diesem Ausflug ein Skateboard. Irgendwer hat einen Zettel auch mit ihrem Namen in den Los-Topf geworfen. Darf sie’s annehmen oder nicht? Viele melden sich zu Wort. Argumente werden ausgetauscht…
Schließlich kommt ein – ebenfalls vom vorigen Schüler:innenparlament aufgeworfenes Ärgernis zur Sprache: Schlapfen verstecken. Mach offenbar der einen oder dem anderen Spaß – und verärgert natürlich die betroffenen Kinder, die ihre Hausschuhe dann vergeblich suchen. „Das hat wirklich viele aufgeregt“, erklären später Schüler:innen der 3a dem Journalisten von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Gemeinsam mit den Kindern der 4a haben sie den Kinderrechte-Schwerpunkt für das Schüler:innen-Parlament vorbereitet.
Aber schon davor, so Elina, Lisa, Reinwald, Noah, Olivia, Jana, Magdalena, Theo, Johanna, haben sie – und das nicht nur einmal – von Kinderrechten gehört, darüber gelesen und so manches erfahren – in der Schule sowieso. Viele erzählen, dass sie darüber auch zu Hause mit den Eltern, meist nennen sie die Mütter, öfter geredet haben. Das führt mitunter doch zu heftigen Diskussionen, verrät Theo, ob er den Müll raustragen solle und wolle oder nicht.
Für das Parlament habe die Lehrerin „vorgeschlagen, große Zettel zu schreiben“ (Lisa). „Aber alle Kinderrechte konnten wir nicht aufschreiben“, so Noah „und so haben wir darüber geredet, welche uns am wichtigsten sind“, schildert Olivia das weitere Vorgehen – siehe das schon oben Geschriebene.
Die Gesprächspartner:innen für diese Reportage nach dem Schüler:innenparlament in der Klasse berichten auf Nachfragen von KiJuKU.at aber auch noch über einige Wünsche, die sie an die Schule haben und für deren Umsetzung sie sich einsetzen. Jana: „Wir wollten mehr Pflanzen in der Schule, weil’s schön und auch für die Luft gut ist und es gibt jetzt auch mehr.“
Reinwalds Wunsch nach mehr Fußballspielen im Turnunterricht scheint noch nicht ganz so erfüllt, wie es in seinen Worten durchklingt. Ob aus der Wasserballschlacht, die sich Olivia am Ende des Schuljahres wünscht, etwas wird?
Die Kinder hätten aber auch so manche Wünsche an die Grund 3500 Einwohner:innen zählende Gemeinde am südöstlichen Zipfel des Bezirks Linz-Land – nicht weit weg, fast sogar schon zusammengewachsen mit Steyr, aber auch nicht weit weg von Amstetten. Ein Schwimmbad wird öfter genannt. „Aber das wäre schon teuer, der Bürgermeister hat uns das einmal mit dem Beispiel von Eiskugeln erklärt. Wenn nicht genug Geld da ist, können alle vielleicht nur eine Eiskugel und nicht drei haben“, schildern einige Kinder fast im Chor das Bild von begrenzten finanziellen Mitteln.
An die Schule schließt sich derzeit übrigens eine Baustelle an. „Wir kriegen zwei neue Klassen“, erklärt Direktorin Daniela dem Journalisten und die drei Vertreter:innen des Kronstorfer Gemeinderates, die den Besuch aus Wien begleiten, berichten stolz: „Wir sind eine wachsende Gemeinde!“
Die Schule zieren übrigens in der obersten Etage Musiknoten. Die stammen aus der vierten Symphonie von Anton Bruckner, genannt „Die Romantische“. Der Komponist, dessen 200. Wiederkehr seines Geburtstages 2024 landauf landab gefeiert wird, war „Schulgehilfe“ in der Kronstorfer Volksschule, eine Art „Hilfslehrer“ (1843 – 1845). Und sein erleichterter Jubel über die Versetzung von Windhaag (wo er unter schlechten Bedingungen lebte und arbeitete) nach Kronstorf steht groß an der Schulmauer: „… wie im Himmel“. So habe er sich hier gefühlt, wird kolportiert.
Die von der kinderfreundlichen Gemeinde zusammengestellte Tour für den Journalisten führt ein paar Meter weiter zur Zusammenkunft von Kindergartenkindern mit älteren Menschen. In einem der Gebäude von AWIK (Alt werden in Kronstorf), wo ältere Menschen wohnen, backen junge und jüngste Kinder mit den Älteren Weihnachtskekse, walzen den Teig aus, stechen mit metallenen Formen Kekse aus, schon riecht es weihnachtlich – und das noch im November.
Ergänzt wird AWIK übrigens hier auch noch durch BEWIK (Betreut werden in Kronstorf), einer Tagesheimstätte, wo ältere Bewohner:innen nur von 9 bis 16 Uhr ihre Zeit hier verbringen – aber auch sie suchen immer wieder den Kontakt zu Kindern und besuchen im Kindergarten unter anderem Anfang Dezember das alljährliche Krippenspiel.
In fast jedem österreichischem Ort spielt die Freiwillige Feuerwehr eine große Rolle. Nur in wenigen Städten wie Wien werden diese wichtigen Aufgaben von angestellten Feuerwehrleuten ausgeübt. Und so gibt es fast überall auch Kinder und Jugendliche, die zu den Freiwilligen Feuerwehren kommen. Zum einen sind es Treffpunkte für gemeinsame Freizeitaktivitäten und sehr oft auch schon einer spielerischen Vorbereitung auf die spätere gemeinsame Hilfe in der jeweiligen Gemeinde. Das reicht von praktischen Übungen wie Schläuchen auf- und einrollen bis zu vielem Wissenswerten über mögliche Gefahren. Aber auch gemeinsamen Müll-Sammelaktionen oder Zielspritzen. Clemens, der die „Löschzwerge“-Gruppe leitet, der rund zwei Dutzend Kinder bzw. Jugendliche angehören, war selbst schon mit nicht einmal zehn Jahren als Kind bei der FF Kronstorf.
Viele der Kinder und Jugendlichen entscheiden sich dann, ab 16 zur (Grund-)Ausbildung als Feuerwehrfrauen und -Männer für den Echt-Einsatz.
Wenige Meter vom relativ neuen Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr mit seinen Einsatzfahrzeugen und an den Innenwänden großformatigen Fotos von Einsätzen der Mitarbeiter:innen entfernt steht ein umgestalteter Bau-Container mit einer Art Vorgarten. Das ist eine Einrichtung der Offenen Jugendarbeit der Stadt. Stefan, der sich vor ein paar Jahren selbst als Jugendlicher für solch einen Treffpunkt engagiert hat, öffnet für den Reporter die Tür zum – von Jugendlichen selbst gemeinsam innen ausgebauten Container. Jede und jeder der jungen Kronstorfer:innen kann per Whats-App-Meldung den Bedarf für sich und Freund:innen anmelden, kriegt den Zugangs-Code für die Schlüsselbox, um den Container nutzen zu können. Natürlich müssen die Jugendlichen nach ihrer Feier oder anderen Aktivitäten den Raum auch wieder aufräumen, schließlich wollen’s die nächsten ja auch gemütlich haben.
Neben allen möglichen (Beratungs-)Angeboten – Rund um die Uhr, 24 Stunden per Whats App – stellt die von einem Privatunternehmen gestellte Offene Jugendarbeit von Kronstorf und Nachbarsgemeinden aber ein ziemlich einzigartiges Highlight zur Verfügung: Einen großen alten gelben „School Bus“ wie sie vor allem aus Filmen bekannt sind. Der Bus, den uns Sascha, der Leiter der offenen Jugendarbeit in diesem Bezirk, zeigt, ist glich als Party-Bus eingerichtet mit Soundanlage und farbenfrohen Blink-Blink-Lichtern. „Wir bringen damit aber auch Jugendliche am Ende von Festen in anderen Locations nach Hause, so dass sie ja nicht mit Moped oder Auto fahren, nachdem sie was getrunken haben.“
Womit sie noch länger auf der Erde weilen, wennngleich sie und viele der Kinder der Gemeinde sich möglicherweise – wie einst Anton Bruckner – hier vielleicht im Himmel fühlen, weil so manche ihrer Wünsche gehört, berücksichtigt und umgesetzt werden 😉
Compliance-Hinweis: Unicef-Österreich hat die Aufwandskosten für diese Reportage-Reise übernommen
Homepage der Volksschule Kronstorf
Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr Kronstorf
AWIK – Alt werden in Kronstorf
BEWIK -> Betreut werden in Kronstorf
Homepage der Gemeinde Kronstorf
Die Kronstorf-Reportage – kürzer und mit weniger Fotos – auf der Unicef-österreich-site
… sind Teil der UNICEF Initiative „Child Friendly Cities“ – in mehr als 40 Ländern der Welt.
*UNICEF Österreich setzt die Initiative seit 2014 gemeinsam mit der „Familie & Beruf Management GmbH“ – siehe Link unten – um.
*Beim Programm „Kinderfreundliche Gemeinde“ muss in der jeweiligen Gemeinde gemeinsam mit Kindern und/oder Jugendlichen die Lage für die jungen Menschen in diesem Ort untersucht werden. Auf dieser Basis müssen mindestens drei Maßnahmen namhaft gemacht werden, die es – in den folgenden drei Jahren – umzusetzen gilt.
Diese Maßnahmen müssen unter die sieben UNICEF-Themenbereiche fallen – Auflistung im Folgenden:
+ Kinderfreundliche Verwaltung/Politik
+ Partizipation
+ Gesundheit
+ Freizeit
+ Familien- und schulergänzende Betreuung
+ Sicherheit (Kinder- und Jugendschutz, Verkehr, Spielanalagen etc.)
+ Bildung
*Um ein Zusatzzertifikat zu bekommen, muss ein Workshop mit Kindern- und Jugendlichen durchgeführt werden.
Aktuell sind rund 350 Gemeinden in ganz Österreich mit dem UNICEF-Zusatzzertifikat ausgezeichnet.
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