Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Szenefoto aus "Ciao, Ciao"

Clownesker Aufstand gegen den „Zampano“

Atemberaubend – der Begriff wird vielleicht zu oft und leichtfertig eingesetzt. Bei dieser Show, die beim aktuellen Festival „jungspund“ im Schweizer St. Gallen ablief, trifft sie jedenfalls zu. In einem Mix aus Highest-Level-Akrobatik und akrobatischem (Ballett-)Tanz stark gewürzt mit clownesken Elementen stockt immer wieder der Atem des Publikums. Vor allem bei Kunststücken von Eline Guélat. Wenn sie den auf ihrem bevorzugten Turngerät, einem Lichtmast mühelos und fast ohne Anhalten raufspaziert und dann vermeintlich runterfällt – kollektives Luftanhalten im Publikum. Sie scheint sogar die Schwerkraft zu überwinden. Vorgegebene Regeln sind ihre Sache nicht.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Fellinis „La Strada“ als Inspirationsquelle

Inszeniert hat Martin Zimmermann, Choreograf, Theater-Regisseur, Bühnenbildner und selber Performer, der aus dem Zirkus kommt, die Show „Ciao, Caio“ (für das Ballett Theater Zürich entwickelt). Er ließ sich dabei, wie er nach der fulminanten, begeistert aufgenommenen – schier never ending Applaus – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraute von Federico Fellinis vielleicht berühmtestem Film „La Strada – Das Lied der Straße“ (1954) inspirieren lassen.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Frühe Befreiung

Die schon genannte umwerfende Zirkuskünstlerin nimmt Anleihe bei der Figur der Gelsomina, der Assistentin des brachialen Jahrmarkt-Schaustellers Zampanò – der Name hat sich seit Fellinis Film als Begriff verselbstständigt. Obwohl sie so viel kann, wird sie von ihm auf Hilfsdienste reduziert. In „Ciao, Caio“ befreit sie sich schon früh und er (Aimé Morales), der die einstündige Performance eröffnet, wird nur zum hin und wieder Side-Kick. Passt doch gut zum Internationalen Frauentag am 8. März!
Sie dominiert, aber doch eher bescheiden in clownesker Manier mit Erinnerungen an Charlie Chaplin das Geschehen.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Wesen aus verschiedenen Welten

Es bleibt nicht bei dem Duo. Nach und nach kommen teils wie aus dem Nichts aus dem Bühnenpodest von unten, aus irgendeinem Kasten oder sonst woher noch Tänzerinnen – vielfältige Figuren manche mit Freak-Anwandlungen. Sie alle vereinen perfekte Körperbeherrschung, verbinden Clownerie mit Ballett. Und so wechselt die Szenerie ständig, wir erleben die weiß gekleidete Baum-Fee-artige Léna Bagutti, einen alten immer wieder buckligen Mann (Jesse Callaert), eine zwergenhafte Übermama (Neil Höhener) sowie Valeria Marangelli (Harlekin) und Sandra Salietti (fast klassisches Ballett).

Mit all ihrer fantastisch körperlichen Kunst erzählen die sieben in vielen immer wieder auch Staunen erzeugenden Szenen, etwa einem Riesen-Hütchen-Spiel mit auftauchenden und verschwindenden Chaplin-behüteten Menschen, kleine und doch so große Geschichten unterschiedlichster Gefühle. Von freundschaftlichen und verliebten bis zu aggressiven, befreienden…

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Nicht nur wie Tschau…

Ach, übrigens: Im deutschsprachigen Teil der Schweiz wird „Ciao“ ebenso wie in Italien – im Gegensatz zu Österreich und Deutschland (wo es sich oft zum tschau gewandelt hat) – sowohl für Abschied als auch Begrüßung verwendet. Laut Wikipedia stammt es übrigens aus der venezianischen Sprache, wo sčiao [ˈst͡ʃao] (Diener) dem italienischen schiavo [sˈkjaːvo] entspricht. Und dieses steht für „ich bin Ihr Diener“ – wie die dem Lateinischen entlehnte Grußformel „Servus“.

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.

White Angels aus der Ukraine im Circus Louis Knie

Der Zirkus rettet sie vor dem Krieg

Stanilsav Tkachenko (19), Alina Drygar (21), Artem Kolotukhin ()17), Tymofii Maliuk (17) und Yarik Deynega (17) treten – verstärkt durch jemanden von der Gruppe der Flying Henriquez als „White Angels“ im zweiten Teil des Programms mit dem der Circus Louis Knie derzeit in Wien gastiert, mit akrobatischen Kunststücken auf. Eine durch die ganze Manege reichende luftgepolsterte Matte dient als Anlauf, um mit teils Mehrfach-Salti auf der dicken Matte vor den mittleren Logen des Zirkus zu landen. Die lange Strecke nutzen die Artist:innen immer wieder aber auch schon da als Sprung„brett“ für Salti, Handstand-Überschläge und atemberaubende Sprünge – einer führt sogar durch einen brennenden Reifen.

KiJuKU: Sie sind alle sehr jung – zwischen 17 und 21 Jahre – seit wann sind Sie eine Zirkus-, eine Artist:innen-Gruppe?
White Angels (manchmal antwortet eine/r, dann wieder mehrere in einander ergänzenden Sätzen):  Vor dem Krieg in unserer Heimat Ukraine hatten wir ein anderes Leben. Wir kommen nicht aus dem Zirkus, sondern aus dem Sport, wo wir in Wettbewerben angetreten sind, die meisten von uns in Akrobatik, manche auch in Gymnastik.

Als der Krieg im Februar 2022 begonnen hat, wussten wir, wir müssen weg. Einer aus unserer Gruppe hatte einen Coach, der einen Vertrag für ihn hatte – in Österreich. Und er fragte uns alle, ob wir mitkommen wollen. Er sagte sogar: „Wowh, wir fliegen sogar auf einen anderen Kontinent, sehen Kängurus… – weil er Austria mit Australia verwechselt hatte – worauf bei dieser Erzählung auch jetzt noch alle herzhaft lachen oder wenigstens schmunzeln.

White Angels aus der Ukraine im Circus Louis Knie
White Angels aus der Ukraine im Circus Louis Knie

Wir konnten „nur“ springen

KiJuKU: Waren Sie dann enttäuscht, dass Sie nur in Österreich gelandet sind?
White Angels:  Zuerst schon, aber als ich den Vertrag hatte, hab ich sofort zu trainieren begonnen, nach und nach sind dann alle von unserer jetzigen Gruppe zusammengekommen.

KiJuKU:  Und dann haben Sie diese Zirkusnummer erarbeitet? Sportliche Akrobatik für Wettbewerbe ist ja sicher etwas doch anderes als eine Show zu erarbeiten?
White Angels: Als wir zum Zirkus gekommen sind, konnten wir „nur“ springen – Lachen aller fünf folgt. Aber mit Hilfe eines Choreografen der Flying Henriquez haben wir aus unseren sportlichen Fähigkeiten eine Zirkusnummer erarbeiten können.

KiJuKU: War das schwierig, vom „nur“ Springen zu einem Show-Act zu kommen?
White Angels: Nicht schwer, aber es ist eine Erfahrung. Beim ersten Mal war’s schon sehr ungewohnt. Aber jetzt passt’s für alle Beteiligten.

KiJuKU: War die Zusammenarbeit von Ihnen fünf mit einem sechsten einer anderen Gruppe, von den Henriquez aus Chile schwierig?
White Angels: Nein, wir lieben es, im Team zu arbeiten, auch wenn wir vorher in sportlichen Wettbewerben eher auf Konkurrenz gepolt waren.

Umstieg

KiJuKU: War der Umstieg von Wettbewerb mit sicher weniger Publikum in die große Manege mit Hunderten Zuschauer:innen einfacher, weil Sie für so viele Menschen ihre Kunst zeigen oder sorgt es für mehr Aufregung?
White Angels:  Zuerst war’s schwieriger, aber da wir jeden Tag Praxiserfahrung erleben wird’s immer leichter.

Aber einerseits bringt’s ein „Wowh, so viele schauen uns zu“: Andererseits ist’s auch ein bisschen beängstigend. Aber wenn du anläufst und springst, denkst du nur an die Nummer, nicht an das Publikum.

KiJuKU: Sind Sie alle aus derselben ukrainischen Stadt?
White Angels: Nein, Kriwoj Rog  (südlich), Dnipropetrowsk (östlich), Cherson (südöstlich) und Kyjiw.

Ständig Angst um die Lieben

KiJuKU: Sie haben vermutlich alle Verwandte und Freund:innen in Ihren Heimatstädten. Sind Sie ständig mit diesen in Kontakt, um zu schauen und hören, wie es diesen geht? Und wie ist es, selber sicher zu sein und die sind in Gefahr.
White Angels: Wir telefonieren und schreiben sehr oft. Insbesondere, wenn wir in den Nachrichten sehen, dass diese oder jene Stadt gerade angegriffen wird.

KiJuKU: Überlagern diese ständigen Sorgen auch jedes Training, den ganzen Alltag?
White Angels: Es ist sehr schwer, aber bei unseren akrobatischen Übungen müssen wir das auch ausblenden. Aber wenn du aus der Manege gehst, auch wenn’s nur Backstage ist, du denkst ständig an Eltern, Geschwister und Freund:innen, die im Krieg leben müssen.
Krieg ist immer heftig! Aber deswegen können wir auch gar nicht in unsere Heimat, insbesondere die Jungs. Die 17-Jährigen werden bald 18, dann müssten sie zur Armee.

Follow@kiJuKUheinz

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Petr von den BMX-Riders in Aktion

BMX-Rider und traditionelle Zirkusnummern

In Neu Marx, einige Gehminuten vom Media-Quarter, auf dem noch das große Logo der zu Tode gebrachten Wiener Zeitung prangt, stehen das große und einige kleinere Zelte von Circus Louis Knie, dahinter Wohnwägen, es riecht nach Pferden. Künstler:innen in Glitzerkostümen unterstreichen traditionelle Zirkus-Atmosphäre; bzw. unterstreichen sie.  Clown Jimmy Folco sorgt für Späße, Moderation und sammelt einige der Artist:innen für die Fotos und Videos der Journalist:innen, die am Vortag der Premiere des Programms „It’s Showtime“ (1. September bis – vorläufig – 5. November 2023, Details siehe Info-Box am Ende des Beitrages) eingeladen worden sind.

Nicole Berousek dreht mit Armen und Beinen gleichzeitig - hier fünf - große Reifen
Nicole Berousek dreht mit Armen und Beinen gleichzeitig – hier fünf – große Reifen

Im Programm, das am 1. September 2023 Premiere hat, wird Jimmy aus italien – so die Ankündigung – neben Clownerie auch Jonglage, Zauberei und Akrobatik zeigen. Bis zu sieben glänzende große Hula-Hoop-Reifen lässt die aus Prag kommende Nicole Berousek an Armen, Beinen und Hals kreisen lassen. Außerdem wird sie mit Hunden auftreten.

Posing in der Manege: Ludmilla Valla-Bertini, Vioris Zoppis (im Hintergrund), moderierender Clown Jimmy Folco und Nicole Berousek
Posing in der Manege: Ludmilla Valla-Bertini, Vioris Zoppis (im Hintergrund), moderierender Clown Jimmy Folco und Nicole Berousek

Generationen von Zirkuskünstler:innen

Noch immer kommen viele Zirkusartist:innen aus Familien für die seit Generationen Manegen ihre Arbeitsplätze sind. Der Zirkusdirektor himself blickt auf 200 Jahre Circus Knie zurück. Ludmilla Valla-Bertini ist die Akrobatin in achter Generation. Sie liegt auf dem Rücken und lässt Tücher auf Füßen und Händen kreisend schweben.

Spagat in luftiger Höhe: Vioris Zoppis
Spagat in luftiger Höhe: Vioris Zoppis

Vioris Zoppis (22 Jahre) vollführt Spagat und noch krassere Kunststücke in luftiger Höhe. Er hat schon einen „Golden Clown“ beim internationalen Zirkusfestival von Monte Carlo gewonnen. Es wird nicht seine letzte Auszeichnung sein.

Akrobatik auf zwei Rädern

Neben traditionellen Nummern, zu denen auch Louis Knies klassischer Auftritt mit Pferden gehört, sorgen auch jungen BMX-Fahrer aus der Ukraine für atemberaubende Auftritte. Petro und Dima zeigten nicht nur rasante Schanzenfahrten, Sprünge auf dem Hinterrad auf selbst eine kleinste Plattform. Hin, her, kreuz und quer springt einer der Rad-Artisten über den auf dem Boden liegenden Kollegen. Und das unzählige Male.

Follow@kiJuKUheinz

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Bildmontage aus zwei Szenenfotos der beiden Zirkusgruppen DaDa Zirkus und Akrosphäre

DaDaSphäre: Akrobatik, Jonglage, Musik und Witz

Musik fliegt durch die Luft, erfüllt den Raum. Sogar den großen, hohen im Odeon-Theater an der Taborstraße, unweit vom Übergang über den Donaukanal in die Wiener Innenstadt. Im ersten Teil des Doppel-Abends (DaDaSphäre) sorgt Roxanne Szankovich mit ihrer elektronischen Geige sowie Effektpedalen und Loopstation für klassische melodiöse Nummern ebenso wie völlig schräge Töne und Geräusche, die sie hervor„zaubert“. Dabei ist sie nur kurz selber mit ihrem Klanginstrumentarium im Fokus.

Denn der Großteil ihres Auftritts dient „nur“ als Untermalung für „Das Sein verwirrt das Bewusstsein“, eine der ältesten Nummern von DaDa-Zirkus. Ein schwabbeliges (Arno Uhl) sowie ein ballettöses (André Reitter) Wesen treffen aufeinander – mal eher zugetan, dann konkurrierend oder auch einander bekämpfend. Und sie brachten ein kleines wie seine „Eltern“ schwarz-weiß-quergestreiftes (Kostüm: Petra Sacher) Stoff-Püppchen hervor, das sie in einen Blumentopf setzten und gossen. Dazwischen tanzen, hüpfen, jonglieren sie und zeigen akrobatische Kunststückerln.

Spiel am, unterm, überm und mit Klavier

Nach einer kürzesten Umbaupause erobern Yasmine Heyer & Uwe Sattelkow (Akrosphäre) die große Bühne – mit ihrer Klaviatur in „Xpect“. In unglaublichen Körperstellungen spielt – die meiste Zeit – Uwe Sattelkow, während Yasmine Heyer auf und mit ihm akrobatische Turnübungen absolviert. Um gegen Ende unter Beweis zu stellen, dass auch sie das musikalische Spiel auf den schwarzen und weißen Tasten beherrscht. In manchen Phasen wirkt das Klavier fast der Dritte im Bunde des Duos.

Übrigens stellt sich im letzten Viertel ihres Auftritts auch heraus, dass das Klavier-Stockerl selbst auch ein Instrument ist – Percussions und auf der Unterseite der Sitzfläche gar mit einem elektronisch-musikalischen Innenleben.

Beide modernen Zirkusgruppen zeigen nicht nur artistische und musikalische Top-Leistungen, die Shows sind auch von durchgängigem Humor durchzogen – für ein fast ständiges Lächeln, hin und wieder werden zusätzlich heftige Lacher hervorgerufen.

Follow@kiJuKUheinz