Üblicherweise kannst du beim Lesen eines Romans in eine der Figuren hineinschlüpfen, mit ihr mitfühlen. Manche Bücher (auch Filme oder Theaterstücke, Hörspiele…) ermöglichen dir den einen oder anderen Perspektivenwechsel. Der (Jugend-)Roman „Climate Action“ dreht sich wie zu vermuten um junge Klima-Aktivist:innen. Gerade angesichts der aktuellen Aktionen auf einigen Flughäfen nicht uninteressant;)
Geschrieben hat ihn Christian Linker, der immer wieder gesellschaftspolitischer Themen in Geschichten mit Jugendlichen in den Hauptrollen verpackt. Dieses Mal zieht er dich mitten ins Geschehen – nicht nur weil die nicht ganz 140 ersten Seiten spannend geschrieben sind, sondern weil er dich danach einlädt, ja fast zwingt, selber zu entscheiden, wo du weiterliest und damit zu welchem von insgesamt acht möglichen Enden du kommst.
Und der Roman zieht dich sozusagen in zwei der Figuren hinein. Zunächst einmal in die eines namenlosen jugendlichen Menschen in der Straßenbahn. Zwei Kontrollore fragen nach den Fahrkarten, dein Blick fällt auf ein Mädchen, bleibt aus welchem Grund auch immer, an ihr haften. Sie steigt aus, rempelt dich an. Und erst später merkst du, dass sie dir etwas in deine Tasche gesteckt hat – ein Buch.
Zu Hause merkst du, es handelt sich um ein Tagebuch. Irgendwann verrät sie darin ihren Namen – Pauline. Die schreibt darin, dass sie gemeinsam mit ihrem Klassenkollegen Sadiq ein Referat zu Kima-Wandel und Aktionismus vorbereitet. Dass die Frage auftaucht, reicht darüber reden? Die beiden – und bald noch mit Vic eine dritte im Bunde planen Aktionen, führen sie durch. Erst Luft aus Autoreifen auslassen, dann vor allem gegen Billigstklamotten, die großteils von Kindern in Südostasien genäht werden…
Die geschilderten Aktionen werden zunehmend heftiger. Und nun hast du sozusagen Beweise für die bisher anonyme Gruppe unter dem Namen „Too hot“ (zu heiß) in der Hand. Was machst du damit? Gehst du zur Polizei und gibst das Beweismittel ab. Oder rufst du die Handynummer, die da steht an? Redest Pauline ins Gewissen? Oder machst du gar bei künftigen Aktionen mit?
Der Autor drängt dich durch die spannend geschriebene Geschichte dir schon auf den ersten 138 Seiten hin und wieder zu überlegen, wie würdest du an Stelle – vor allem von Pauline – handeln. Ab dann aber wirst du förmlich getrieben zu entscheiden, wo du weiterliest. Mit Ausnahme der Variante, Polizei und Tagebuch abgeben, bei der du nach drei Seiten am Ende angelangt bist, führen dich alle anderen Möglichkeiten immer wieder zu neuen Weggabelungen. Je nachdem was du tun würdest landest du bei einem und noch einem weiteren und vielleicht noch mehreren anderen Abschnitten. Immer wieder den einen oder anderen Cliffhanger eingebaut, um dich neugierig zu machen.
Ziemlich verwirrend wäre es, wenn du die fast 150 Seiten der 47 Abschnitte nach der Grundgeschichte in einem Zug durchlesen würdest. Aber natürlich ist’s auch nicht unspannend, immer wieder zurückzublättern und einen neuen möglichen Weg zu gehen, pardon zu lesen. Und so vielleicht auch – abseits der von Linke ausgedachten „Too hot“-Initiative zu reflektieren, wie du zu ganz echten Klimaaktivistischen Aktionen stehst.
Ein wanderndes Zelt – mit Anspielung auf „Aktivismus-Camps“ – neben einem handgeschriebenen Plakat: System/atisches/Prob/lem“ eröffnet die Show, die die „Next Generation“ als Abschluss ihres Jahres im Dschungel Wien organisierte. Celine Christl und Marie-Louise Fürnsinn hatten ein Jahre lang in diesem Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier – angestellt – gearbeitet, sind alle Abteilungen durchlaufen und haben für ihr letztes Wochenende eine Performance junger künstlerischer Aktivist:innen oder aktivistischer Künstler:innen vorbereitet, die sich mit verschiedenen Aspekten und Themen von Aktivismus bzw. Aktivist:innen beschäftigen.
Ein bisschen mit dem augenzwinkernden Motto, „was wäre, wenn“ – übersetzten sie den gängigen Spruch „hätte, hätte Fahrradkette“ wortwörtlich ins Englische. „Would have would have bicycle chain“ wirkt natürlich ein wenig krampfhaft, als würdest du sagen „Take you yes in eight“ (Nimm dich ja in acht). Aber Humor – offen und/oder subtil durchzieht dann den Abend – hin und wieder auch mit Anklängen an Pop-Historisches und dieses (leicht) verdreht. Wobei Das T-Shirt „Stop being rich“ (Hör auf, reich zu sein) eine Kritik an jenem T-Shirt darstellt, auf dem Das Gegenteil stand, hört auf, arm zu sein. Und dieses wurde viral als eines am Körper von Paris Hilton im Internet gepostet – und war aber ein Fake! Aber von da aus ließ sich auch der Bogen zur Kommerzialisierung von Aktivismus herstellen. Letztere zuletzt massenhaft zu erleben im Pride-Month mit heftigem „Pink-Washing“ aller möglichen Konzerne.
Plädoyers für Aktivismus mit der unbedingten Notwendigkeit desselben angesichts der globalen und lokalen Probleme – vom natürlich bis zum gesellschaftlichen – Klima sprachen und spielten die Mitwirkenden des Abends ebenso an, wie die Reflexion gängiger aktivistischer Formen und nicht zuletzt Teilnehmer:innen. Sarkastisches Anspielen medialer Schlagzeilen über Drag-Performances bis hin zu einem (selbst-)ironischen Poetry-Slam-Text „Das Leben eines Bobo-Kindes“ füllten die Stunde. Reflektiert wurde auch – noch immer – mangelnde Diversität in so manch aktivistischer Szene.
Anabel Bautz, Hannah Birnbaumer, Juliane Büch, Juicy Buttler, Celine Christl, Chilli Juice, Paula Dorten, Stella Engel, Marie-Louise Fürnsinn, Claudia Hagenauer, Miriam Sautner, Simone Schöll und Tizzia bildeten das Team des Abends. „In den Bereichen Class, Gender und Sexualität ist unser Team total divers“, meinten die Organisatorinnen auf die anschließende Kritik von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, dass zum Anspruch, diverses Programm zu gestalten, einiges fehlte. Und es vielleicht möglich sein hätte können, durch Zusammenarbeit mit dem Team der ebenfalls im Dschungel Wien angesiedelten Initiative „wem gehört die Bühne?“ auch Breite und Vielfalt der Diversität ins Programm zu bringen.
„Das ist ein Muster, das uns bereits in der Konzeptionsphase bewusst wurde, und uns trotz aktivem, breitem Outreach begleitet hat. Das ist an dem Einblick in Aktivismus, den unser Projekt gibt, zu kritisieren – und zurecht ebenso an seinem Gesamtkontext, was wir auch an mehreren Stellen in der Performance bewusst tun. Denn es handelt sich hierbei um ein systematisches Problem. Das Auftreten von Aktivismus ist nach wie vor sehr weiß und wird überwiegend von denen praktiziert, die die zeitlichen, finanziellen und, vor allem, emotionalen sowie mentalen Kapazitäten dafür haben“, wurde geantwortet.
Wobei auch da offenbar einige sehr wohl diverse Bereiche von Aktivismus offenbar ausgeblendet wurden – von „Black Lives Matter“ bis zu „standing.together.vienna“, einer Initiative von Jüd:innen und Palästinenser:innen, die übrigens regelmäßig Kundgebungen auf dem Platz der Menschenrechte abhalten, an den der Dschungel Wien angrenzt; oder diverse (!) Rollstuhl-Tanzgruppen, immerhin haben in mehreren Stücken in der Vergangenheit etwa Yuria Knoll oder Adil Embaby mitgespielt bzw. mitgetanzt.
Vielleicht ja dann beim nächsten Mal, lautet doch der abschließende Satz der „Next Generation“ in der Antwort auf die live nach der Performance vorgebrachte Kritik: „Für einen intersektional inklusiveren Zugang zu Aktivismus!“
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte eine Vorstellung des zeitzeugen-Stücks „Ein Zniachtl“ vom Klassenzimmertheater – Stückbesprechung am Ende dieses Beitrages verlinkt – in der 3HHD der HLT (Höheren Lehranstalt für Tourismus) Bergheidengassen (Wien) miterleben: Danach erklärten sich zwei Schülerinnen für Interviews bereit. Hier sind sie.
KiJuKU: Sie haben kurz angedeutet, dass Sie sich schon vor dem Stück und außerhalb des Unterrichts über Themen wie den Holocaust informieren, wie?
Ava: Ich hab schon sehr jung, in der Unterstufe darüber gelernt. Diese Fürchterlichkeit, das Grauen dahinter hat mich so gepackt, dass ich mich mehr damit auseinandergesetzt habe und alles darüber wissen wollte. Vor allem, wie es zum Holocaust kam und kommen konnte.
KiJuKU: Suchen Sie dann gezählt nach Büchern, Filmen, Dokus?
Ava: Ich nehm alles, was mir in die Hände fällt, aber ich gehe auch gezielt vor – ich liebe Besuche in Museen, zum Beispiel im Jüdischen Museum Wien. In Mauthausen (Gedenkstätte am Gelände des ehemaligen Nazi-Konzentrationslagers) waren wir auch mit der Klasse. Mir ist diese Gefühlsebene wichtig – nicht nur das Wissen, darum interessiere ich mich auch sehr für Zeitzeugen-Berichte.
KiJuKU: Wie war das dann jetzt gerade, dieses Stück so relativ hautnah zu erleben?
Ava: Ich fand’s genau richtig für diesen Zeitzeugen-Effekt; auch der Anfang mit dem Hineinstürmen und Schreien. Ich hoff, das packt auch Leute, die das normalerweise nicht so fühlen. Das Spüren – die Wut, die Trauer – das fand ich toll.
Die Schauspielleistung find ich besonders toll – so viel Energie, so viel Emotion und so viel körperlicher Einsatz!
KiJuKU: Beim gemeinsamen Nachgespräch haben Sie sich – auch überraschend für ihre Mitschüler:innen sozusagen geöffnet und gemeint, Sie haben fürchterliche Panik, dass sich so etwas wiederholen könnte?
Ava: Ich hab echt fürchterliche Angst, dass so etwas wieder passieren könnte und ich tu alles, damit das nicht der Fall sein wird. Man kann etwas tun. Das find ich wichtig zu sagen, weil man sich oft so hilflos fühlt. Man muss sich damit konfrontieren, je mehr Leute das tun, umso besser.
KiJuKU: Wenn Sie sagen, man kann was tun – wie?
Ava: Ich hab begonnen, mich politisch aktivistisch zu engagieren. Das ist sicher nicht für jede und jeden was. Aber viel darüber lesen, Museen besuchen, sich mit dem Thema auseinandersetzen und nicht nur oberflächlich oder das, was man in der Schule macht. Als Einsteigerbuch find ich gut von Viktor Frankl: „… trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager.“
KiJuKU: Nun zu Lilli, wie war das eben gesehene Stück für Sie und beschäftigen Sie sich auch über den Unterricht hinaus mit dem Thema Holocaust, Ausgrenzung, Hass?
Lilli: Ich fand’s sehr packend wie er am Anfang reingestürmt ist, so laut geschrien hat und alle Emotionen da waren. Ich war sofort drin, wobei ich mit am Anfang sehr erschreckt habe deswegen. Aber ich wurde dann mitgerissen von den Gefühlen, die er gezeigt hat.
In letzter Zeit beschäftige ich mich relativ viel mit dem Thema, weil wir erst vor ein paar Wochen mit unserer Religionslehrerin in Mauthausen waren. Das ganze Ausmaß des Schreckens war mir davor nie so bewusst. Zum Beispiel in diesem Raum mit all den Namen der dort Ermordeten und dieses systematische Umbringen war mir vorher nie so stark bewusst.
Die Theatervorstellung jetzt war echt sehr mitreißend, der Schauspieler hat das echt rübergebrachtKiJuKU: Wie ist für Sie die Frage Ohnmacht oder was tun können?
Lilli: Ich finde, man sollte immer Hoffnung haben und man sollte sich aber auch der Vergangenheit bewusst sein und sie nicht vergessen. Allerdings sollte man sich doch nicht zu sehr runterziehen lassen, sonst wird nach vorne blicken zu schwer.
vielleicht-muessen-wir-gedenken-weil-zu-wenig-gedacht-wurde <- noch im Kinder-KURIER
hier-hat-der-tod-gewohnt-geliebt-gelacht-gespeist <- noch im Kinder-KURIER
Vordergründig dreht sich „Das Licht der Welt“ von Raphaela Bardutzky, seit Kurzem im Vestibül des Wiener Burgtheaters (Regie: Maximilian Pellert), um Jugendliche, die sich aktionistisch, intensiv und mit vollem Körpereinsatz für Klimaschutz engagieren. Die Autorin griff für das Stück auf Recherchen rund um die mehrjährigen Besetzungen im deutschen vormaligen Braunkohle-Revier Lützerath bzw. Hambacher Forst zurück.
Die polizeiliche Räumung „Lützis“ im Vorjahr (ein Jahr nach der Uraufführung des Stücks beim Remmidemmi-Festival in Heidelberg) wird im Foyer des Vestibüls sozusagen vor Stückbeginn vorweggenommen. Ein „Polizist“ (Finn Seeger) herrscht die Wartenden an, die „Versammlung aufzulösen, zitiert Paragraphen – die nicht den echten entsprechen. Erst nach dem sehr offensichtlichen Auftakt, der sozusagen der theatralisch die Wartezeit aufs Stück überbrückt, geht’s auf in den kleinen Theatersaal.
Da steht zuerst einsam vor einem Vorhang und einem auf dem Boden liegenden gefällten Baumstamm (Bühne: Katharina Grof) „Rabe“ – alle Aktivist:innen tragen teils tierische Tarnnamen. Sie ist neu, hat vor, sich der Aktion anzuschließen, scheint sich (noch) nicht ganz sicher zu sein. Bei der Premiere wurde sie von Pauline Poldmaa gespielt. (Diese und zwei weitere Rollen sind alternierend besetzt.)
Von „Keks“ (Antonia Brandl bei der Premiere), Fuchur (Flora Menslin), Fox (Alice Bergoend, die durchgängig englisch spricht, die anderen switchen oft zwischen Deutsch und Englisch) und Gandalf (Marcos Fernandez am Premierenabend) erfährt und lernt sie technisches Rüstzeug fürs Baumhaus-Bauen, aber noch viel mehr die Regeln des Protest-Camps. Diese reichen von antirassistisch über alles Teilen bis zum etwas überraschenden drogenfrei. Sie sind vor allem gekennzeichnet von solidarischem Miteinander, aber auch von einer gewissen Kontroll-Tendenz sowie leicht esoterisch angehauchten Sinnsprüchen wie „Die Wahrheit liegt im Blumenkohl“.
Um kollektiven Regeln des Zusammenlebens geht’s in dem Stück hintergründig mindestens genauso wie um Umwelt- und Klimaschutz. Letzterer wird noch durch den Auftritt eines Schauspielers im Kostüm eines Eisbären (Kostüme: Emma Ursula Ludwig), dem Symbol fürs Wegschmelzen des Polar-Eises und bei vielen Klima-Aktionen im Einsatz, unterstrichen. Diskussionen wie politisch das Private ist gab’s übrigens schon vor einem halben Jahrhundert in der 68er-Bewegung, wo allerdings vieles – etwa Gleichberechtigung – mehr auf der verbalen Ebene hängen geblieben ist.
„Natürlich“ braucht’s einen spannenden Knack- oder Kipp-Punkt. Und der ergibt sich weder aus der zu großen Erderwärmung noch aus dem Polizei-Einsatz, sondern daraus, dass „Rabe“ und der einzige Aktivist mit (s)einem Vornamen, Louis (Thaddeus Tirone) miteinander schlafen, bevor er weiterzieht. Sie wird schwanger.
Und so ergibt sich ein spannungsgeladenes Thema: In diese Welt einen neuen Menschen setzen, die/der Tonnen von CO2 verbraucht? Also, sicher nicht. Aber ist diese Erklärung wirklich die einzige. Was (nicht nur) Rabe – und ihre Mit-Besetzer:innen – echt nervt, ist das Wieder-Auftauchen von Louis und seine Ansprüche an das mögliche künftige Kind. Dieser Konflikt nimmt breiten Raum ein – personalisiert jedoch die beiden gegensätzlichen Standpunkte in die doch unter jungen Leuten breit diskutierte Frage, Kinder in diese Welt setzen oder nicht, die sich auch in etlichen Theaterstücken schon niedergeschlagen hat.
Eingebaut ins Stück sind Musiknummern – von Klassikern der Protestkultur bis zu Neuem vom jungen österreichischen Shooting-Star Oskar Haag).
Übrigens: Am Tag nach der Premiere ließen Klima-Aktivist:innen der „Letzten Generation“ mit einer neuartigen Aktion aufhorchen: Bei einem Open-Air-Konzert von Andreas Gabalier im Tiroler Ischgl eroberten einige kurzzeitig die Bühne und streuten bunte Konfetti ins Publikum, wo andere kurz Plakate hochhalten konnten.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen