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Szenenfoto aus "Das Licht der Welt" im Burgtheater-Vestibül (Wien)
Szenenfoto aus "Das Licht der Welt" im Burgtheater-Vestibül (Wien)
15.04.2024

Wie für Klimaschutz kämpfen und miteinander umgehen

„Das Licht der Welt“ kocht die 68er-Frage, wie politisch ist das Private, neu auf – in einem Protest-Camp – derzeit im Vestibül des Wiener Burgtheaters.

Vordergründig dreht sich „Das Licht der Welt“ von Raphaela Bardutzky, seit Kurzem im Vestibül des Wiener Burgtheaters (Regie: Maximilian Pellert), um Jugendliche, die sich aktionistisch, intensiv und mit vollem Körpereinsatz für Klimaschutz engagieren. Die Autorin griff für das Stück auf Recherchen rund um die mehrjährigen Besetzungen im deutschen vormaligen Braunkohle-Revier Lützerath bzw. Hambacher Forst zurück.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Licht der Welt“ im Burgtheater-Vestibül (Wien)

Die polizeiliche Räumung „Lützis“ im Vorjahr (ein Jahr nach der Uraufführung des Stücks beim Remmidemmi-Festival in Heidelberg) wird im Foyer des Vestibüls sozusagen vor Stückbeginn vorweggenommen. Ein „Polizist“ (Finn Seeger) herrscht die Wartenden an, die „Versammlung aufzulösen, zitiert Paragraphen – die nicht den echten entsprechen. Erst nach dem sehr offensichtlichen Auftakt, der sozusagen der theatralisch die Wartezeit aufs Stück überbrückt, geht’s auf in den kleinen Theatersaal.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Licht der Welt“ im Burgtheater-Vestibül (Wien)

Klimaschutz und Solidarität

Da steht zuerst einsam vor einem Vorhang und einem auf dem Boden liegenden gefällten Baumstamm (Bühne: Katharina Grof) „Rabe“ – alle Aktivist:innen tragen teils tierische Tarnnamen. Sie ist neu, hat vor, sich der Aktion anzuschließen, scheint sich (noch) nicht ganz sicher zu sein. Bei der Premiere wurde sie von Pauline Poldmaa gespielt. (Diese und zwei weitere Rollen sind alternierend besetzt.)

Von „Keks“ (Antonia Brandl bei der Premiere), Fuchur (Flora Menslin), Fox (Alice Bergoend, die durchgängig englisch spricht, die anderen switchen oft zwischen Deutsch und Englisch) und Gandalf (Marcos Fernandez am Premierenabend) erfährt und lernt sie technisches Rüstzeug fürs Baumhaus-Bauen, aber noch viel mehr die Regeln des Protest-Camps. Diese reichen von antirassistisch über alles Teilen bis zum etwas überraschenden drogenfrei. Sie sind vor allem gekennzeichnet von solidarischem Miteinander, aber auch von einer gewissen Kontroll-Tendenz sowie leicht esoterisch angehauchten Sinnsprüchen wie „Die Wahrheit liegt im Blumenkohl“.

Um kollektiven Regeln des Zusammenlebens geht’s in dem Stück hintergründig mindestens genauso wie um Umwelt- und Klimaschutz. Letzterer wird noch durch den Auftritt eines Schauspielers im Kostüm eines Eisbären (Kostüme: Emma Ursula Ludwig), dem Symbol fürs Wegschmelzen des Polar-Eises und bei vielen Klima-Aktionen im Einsatz, unterstrichen. Diskussionen wie politisch das Private ist gab’s übrigens schon vor einem halben Jahrhundert in der 68er-Bewegung, wo allerdings vieles – etwa Gleichberechtigung – mehr auf der verbalen Ebene hängen geblieben ist.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Licht der Welt“ im Burgtheater-Vestibül (Wien)

Spannungs-Element

„Natürlich“ braucht’s einen spannenden Knack- oder Kipp-Punkt. Und der ergibt sich weder aus der zu großen Erderwärmung noch aus dem Polizei-Einsatz, sondern daraus, dass „Rabe“ und der einzige Aktivist mit (s)einem Vornamen, Louis (Thaddeus Tirone) miteinander schlafen, bevor er weiterzieht. Sie wird schwanger.
Und so ergibt sich ein spannungsgeladenes Thema: In diese Welt einen neuen Menschen setzen, die/der Tonnen von CO2 verbraucht? Also, sicher nicht. Aber ist diese Erklärung wirklich die einzige. Was (nicht nur) Rabe – und ihre Mit-Besetzer:innen – echt nervt, ist das Wieder-Auftauchen von Louis und seine Ansprüche an das mögliche künftige Kind. Dieser Konflikt nimmt breiten Raum ein – personalisiert jedoch die beiden gegensätzlichen Standpunkte in die doch unter jungen Leuten breit diskutierte Frage, Kinder in diese Welt setzen oder nicht, die sich auch in etlichen Theaterstücken schon niedergeschlagen hat.

Eingebaut ins Stück sind Musiknummern – von Klassikern der Protestkultur bis zu Neuem vom jungen österreichischen Shooting-Star Oskar Haag).

Konfetti statt Klebe-Aktion

Übrigens: Am Tag nach der Premiere ließen Klima-Aktivist:innen der „Letzten Generation“ mit einer neuartigen Aktion aufhorchen: Bei einem Open-Air-Konzert von Andreas Gabalier im Tiroler Ischgl eroberten einige kurzzeitig die Bühne und streuten bunte Konfetti ins Publikum, wo andere kurz Plakate hochhalten konnten.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Das Licht der Welt

von Raphaela Bardutzky
1 ¾ Stunden (keine Pause)

Regie: Maximilian Pellert

Rabe: Pauline Poldmaa (alternierend: Naima Bouakline)
Louis: Thaddeus Tirone
Keks: Antonia Brandl (alternierend: Caroline Szivak)
Gandalf: Marcos Fernandez (alternierend: Victor Petro)
Fox: Alice Bergoend
Fuchur: Flora Menslin
Polizist: Finn Seeger

Bühne: Katharina Grof
Kostüme: Emma Ursula Ludwig
Musik: Oskar Haag
Licht: Roland Müllauer
Dramaturgie: Markus Edelmann

Ton: Christian Strnad
Requisite: Christian Kraus
Bühnentechnik: Manfred Widmann
Regie-Assistenz: Mira Traxler
Regie-Hospitanz: Henriette Bayer
Kostüm-Hospitanz: Tara Hockemeyer
Sprechtraining: Steffi Hofer
Inspizienz: Bianca Eibensteiner
Soufflage: Yasmine Steyrleithner

Aufführungsrechte: Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs Ges.m.b.H, Berlin

Wann & wo?

Bis 23. Mai 2024
Burgtheater, Vestibül: 1010, 1010, Universitätsring 2
Telefon: 01 51 444 4545
burgtheater -> das-licht-der-welt