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Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel "Frankenstein" vom Volkstheater in den Bezirken

Monster-Story als Live-Hörspiel mit (lauter) Musik

Frankenstein, vielmehr das von ihm geschaffenen Monster, das viel zu oft unter dem Namen seines Schöpfers durch Erzählungen geistert, als Live-Hörspiel mit (sehr) lauter Musik tourt derzeit durch Wien. Bis 8. November 2023 lädt das Volkstheater in den Bezirken in Volkshochschulen, Häuser der Begegnung und andere Veranstaltungsorte quer über Wien verstreut. Und diese Version von „Frankenstein“ verdient sich definitiv viel mehr, vor allem jüngere, Zuschauer:innen als Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… in der Floridsdorfer Angerer Straße erlebt hat. Wo übrigens das Publikum – viele trotz anfänglicher Skepsis – am Ende begeistert applaudierten und „Bravo“ rief.

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Ein Koffer voller Geräusch-Instrumente

Sören Kneidl, der auch Regie führte, betritt die Bühne, testet die Mikros – was aus den Publikumsreihen mit „lauter“ beantwortet wird. Und ihm den Gag ermöglicht, das habe er noch nie bei dieser Produktion gehört. Aus einem Köfferchen packt er eine uralte Kaffeemühle, eine Glocke und so manch andere Utensilien aus, die er im Laufe der folgenden rund 1 ½ Stunden verwenden wird, um diverse atmosphärische Geräusche zu erzeugen, eine große Holzklappe wird etwa zur quietschenden Tür…

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Live-Musiker

Zwei Musiker in Kapuzen-Sweaters betreten wie Heavy-Metal-Musiker die Bühne; Lukas Böck fädelt sich hinter die Teile des mächtigen Schlagzeugs ein und Gadermaier platziert sich hinter der mit Strom versorgten Bass-Gitarre bzw. oberhalb einiger Fußtaster für Loopstation und Verzerrer.

Apropos Strom – der spielt in der Erzählung eine nicht unwichtige Rolle, um das aus menschlichen Leichenteilen zusammengeflickte Monster zum Leben zu erwecken. Die Autorin hatte Anleihe genommen bei Berichten darüber, dass der Physiker Luigi Galvani mittels Stromstoßes den Schenkel eines toten Frosches in Bewegung versetzen konnte.

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Weitgehend entlang des Originals

Im Wesentlichen hält sich die Erzählung an das (übersetzte) Original von Mary Shelleys zunächst als Briefroman veröffentlichtes Buch. Victor Frankenstein, „der moderne Prometheus“ (antiker griechischer Mythos, nachdem Prometheus aus Lehm die Menschen schuf) wie es als Untertitel bei Shelley heißt, bastelt also seinen neuen Menschen. Henry, ein Freund, ist skeptisch.

Wie auch immer Frankenstein wird von einem Schiff in der Arktis, das ein abenteuerlicher Kapitän, der durchs ewige Eis zum Nordpol will, halbtot geborgen. Und erzählt die Geschichte seiner Erfindung. In der Ferne wird das aus dem Labor entkommene Monster, das schon getötet hat, gesichtet…

Während Frankenstein davor warnt, will der Kapitän es fangen lassen, um damit noch viel berühmter als mit der Expedition zu werden. Tour durch die Welt mit Ausstellung des gefangenen Monsters – mit einer Art „Des Kaisers neue Kleider“-Moment am Ende der mitreißenden Erzählung mit ebensolcher Musik.

Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel
Szenenfoto aus dem Live-Hörspiel „Frankenstein“ vom Volkstheater in den Bezirken

Schauer

Die gesprochenen Erzählpassagen mit Hilfe der stets live erzeugten Geräusche lässt die Geschichte ­- wenngleich sie in Grundzügen bekannt ist – mitunter mit dem einen oder anderen Schauer erleben; verstärkt durch die Untermalung der Musiker, die in manchen Passagen sozusagen die gefühlsintensive Fortsetzung der angeteaserten Erzählung spielen.

Über Grusel hinaus

Und dennoch bietet der „Frankenstein“-Abend noch mehr als die Grusel-Geschichte. Zum einen ist es der mehrfach wiederholte Satz, dass nur jene, die den einen oder anderen Schritt zu weit gehen, di Menschheit weiterbringen als jene, die zurückgehen. Und zum anderen ist es die fast rührende Szene, in der das Monster, das Sprechen gelernt hat, seinen Schöpfer bittet, ihm eine Gefährtin zu erschaffen. „Ich war gütig und gut. Nur das Elend ließ mich böse werden. […] Ich bin bösartig, weil ich unglücklich bin.“…

Beides Fragen, die unabhängig von dem fiktiven Roman, der hier auf völlig neuartige Weise sozusagen lebendig wird, immer und überall aktuell sind.

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Szenenfoto aus "Dr. Dr. Doktor Frankenstein" von Theater Asou

Zwischen Corona und Frankenstein

Frankenstein – DIE Geschichte schlechthin über die Erschaffung eines künstlichen Menschen, der dann zum Monster wird. Neben dem Originalroman von Mary Shelley vor mehr als 200 Jahren, jeder Menge Bühnen- und Filmfassungen gibt es diese dramatisierte Kritik an Künstlichem, das Menschen in Anflügen von Größenwahn produzieren ohne die (möglichen) Folgen zu bedenken, seit einigen Monaten eine recht witzige, teils absurde, Clowntheater-Version ohne sie zu verblödeln. Derzeit gastiert das Grazer Theater Asou mit Dr. Dr. Doktor Frankenstein“ im „erstbesten Clowntheater in Wien“, dem Theater Olé.

Bevor Michael Hofkirchner rund eineinhalb Stunden die Bühne – und zeitweise auch den Publikumsraum – bespielt, startet die Performance schon bei der „Sprechstundenhilfe“ namens Marie Schelky (!). In diese Rolle schlüpft Ursula Litschauer, die auch Regie führte und zwei Kurzauftritte auf der Bühne hat.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Dr. Dr. Doktor Frankenstein“ von Theater Asou

Ach ja, eigentlich hätte ich vorgehabt nicht zu spoilern, dass der bucklige, humpelnde Clown gar nicht der Doktor himself ist, aber schon die Ankündigung des Theaters verrät, dass es sich bei dieser Figur um Frankensteins Assistenten Zwonimir handelt. Der will aber mehr als nur vorbereiten, er eifert dem Dr. Dr. Doktor nach, nein will ihn sogar übertreffen, fühlt sich göttlich. Oder zumindest auf Zeigefinger-Höhe mit dem höheren Wesen – in einer kurzen Szene im letzten Viertel des Stücks stellt Hofkirchner den berühmten Ausschnitt aus Michelangelo Buanarottis Fresko aus der Sixtinischen Kapelle in Rom „Die Erschaffung Adams“ nach.

Ansätze von kaltem Schauer in den Szenen in denen der Arzthelfer Frankensteins O-Werk – die Erschaffung eines lebendigen Geschöpfes aus toten Stoffen – fabriziert, bricht der schauspielende Clown/clowneske Schauspieler mit exakt getimten witzigen Brüchen. Von solchen setzt er Hofkirchner insgesamt übrigens viele. Auch einen in dem möglicherweise doch der Arzt himself auftaucht. Oder doch nicht? Oder Zwonimir seinen Kopf verliert, der in einer Vitrine landet, beobachtet von einem einzelnen, einsam auf und ab wippenden Auge. Das auch das Publikum in „Augenschein“ nimmt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Dr. Dr. Doktor Frankenstein“ von Theater Asou

Ausgangspunkt für das Stück, so Hofkirchner nach dem Auftritt im Olé zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… sei Vieles rund um und aus der Pandemie-Zeit gewesen. Und das vermittelt sich in so manchen Details der mit vor allem szenischen, teils auch sprachlich dicht mit Gags gespickten Show. Etwa, wenn der Möchtegern-Doktor mit überdimensionalen Spritzen Zuschauer:innen impfen will und diese angstvoll abwehren. Hingegen die meisten anstandslos die Zunge rausstrecken, wenn ihnen der hölzerne Spatel entgegengehalten wird.

Der Abend ist so voller liebe- und kunstvoller Details (bis hin zu fast absurd wirkenden Titeln von Roman-Zeitschriften im „Wartezimmer“), dass die eine oder andere Anspielung vielleicht sogar erst bei einem Zweit-Besuch in der „Ordination“ erblickt oder erkannt wird. Würde sich jedenfalls auszahlen.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Dr. Dr. Doktor Frankenstein“ von Theater Asou