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Szenenfoto aus Aida Loos' aktuellem Programm "ZeitLoos"

„ZeitLoos“: Aïda, Eida, Oida

Nach einem Start aus dem Off, einem Telefonat zwischen der Künstlerin und ihrer Mutter samt sprachlich kreativen Missverständnissen („Schildkröten-Unterfunktion“) betritt Aida Loss, so ihr Künstlerinnen-Nachname, die Bühne im Theater Forum Schwechat. Einerseits Heimspiel, sie wohnt wenige Gehminuten vom Theater entfernt. Andererseits verkündet sie augenzwinkernd eine Entschuldigung. Hat sie doch schon mehrfach, auch in einer TV-Sendung den Reim-Kalauer vom Stapel gelassen: „Wer ein Pech hat, wohnt in Schwechat“.

Szenenfoto aus Aida Loos' aktuellem Programm
Szenenfoto aus Aida Loos‘ aktuellem Programm „ZeitLoos“, bei einem Auftritt in der „Kulisse“ (Wien)

Viele(s) und sich selbst auf die Schaufel genommen

Aber was fast alle Kabarttist:innen verbindet: Für eine Pointe „verkaufen“ sie auch sprichwörtlich die eigene Oma. In dem Fall den Wohnort. Aber bei weitem nicht nur, wie schon das angesprochenen Eingangs-„Telefonat“ beweist. Und auch nicht nur die eigene Mutter, sondern auch Ehemann, Kinder, frühere Freunde und nicht selten sich selbst nimmt die vielsprachige Rampensau auf die Schaufel. Switchend zwischen Dialekt, Hochdeutsch und Akzenten verschiedener Sprachen – in diesem Best-of-Programm namens „Zeitloos“ praktisch nur Persisch.

Das Spiel um die Reaktionen auf ihren Vornamen darf als eine der ersten Szenen nicht fehlen – Anspielungen auf Punschkrapferln einer, die Oper anderseits und zum Drüberstreuen das „Clubschiff“. Ebenso wie die unterschiedlichen Aussprachen – von Aïda über Eida bis zu großen Ähnlichkeiten mit Oida.

Szenenfoto aus Aida Loos' aktuellem Programm
Szenenfoto aus Aida Loos‘ aktuellem Programm „ZeitLoos“, bei einem Auftritt in der „Kulisse“ (Wien)

Oper + Diktator nur mit O

Dazu packt sie noch den bei etlichen Zuschauer:innen nach der Vorstellung hängen gebliebenen Witz mit dem Spiel ihrer beiden echten Namen – Aida Hossein -, den sie einst (angeblich) in ein kleines Rätsel verpackte: „Vorname wie eine bekannte Oper, Nachname wie ein verrückter Diktator nur mit O.“ (Vielleicht heute nicht mehr allen bekannt: Bis 2003 herrschte Saddam Hussein über den Irak). Ergebnis: „Ach, Carmen Hotler!“

Wie alles im Best of natürlich aus den vorherigen Programmen „Arbeits-Loos“, „Filter-Loos“, „Hartes Loos“, „Achtung! Fertig! Loos!“ Den eben zitierten Witz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… noch Jahre später von früheren Besucher:innen mit heftigem Lachen erzählt bekommen.

Flughafen-Nähe

Mit einem Lokalkolorit – ebenfalls in unterschiedlichsten Sprachfärbungen – entschädigt sie örtliches Publikum, von dem mehr oder minder alle vom nahen Flughafen und den über die Stadt donnernden Maschinen betroffen sind: Einflug-Schneise. Der dazugehörige weit verbreitete Spruch scheint offenbar – wie die entsprechenden spontanen Lacher beweisen – zu sein: „Nau, heite kennan’s es wieda!“

Und der zuvor genannte Begriff wird von Aida Loos wird je nach Betonung, Aussprache, Mimik und Gestik zum AMS-Kurs, zur bedrohten Tierart, zum Demo-Spruch, zu einem juckenden Pilz im Unterleib oder gar zu einer beleidigenden Beschimpfung.

Szenenfoto aus Aida Loos' aktuellem Programm
Szenenfoto aus Aida Loos‘ aktuellem Programm „ZeitLoos“, bei einem Auftritt in der „Kulisse“ (Wien)

Gesellschaftspolitischer Humor

Neben wortspielerischen Witzen, menschliche Schwächen durch den Kakao ziehen, schwingen immer wieder ernste gesellschaftspolitische Themen, humorvoll aufs Korn genommen, größere Rollen in einzelnen Nummern. Zu nennen ist etwa ihr echter lebensbedrohlicher Blinddarm-Durchbruch am Tag vor Weihnachten (vor drei Jahren). Einlieferung ins Krankenhaus. Ach, zum Glück ist der Arzt ein Ausländer. Denn ein Österreicher am Tag vor Weihnachten müsse wohl weit unten in der Spitals-Hierarchie stehen.

Oder das Geschlechter-Missverhältnis. Könnten Männer schwanger werden, wäre die Menschheit vielleicht schon ausgestorben. Und es gäbe in Krankenhäusern Mannstruations-Stationen 😉

Chansons

Neben witzigen Szenen baut die Schauspielerin und Kabarettistin noch einige Gesangsnummern im Chanson-Stile der Wiener Legende Cissy Kraner in den rund zweistündigen Abend (eine Pause) ein. Und – bei entsprechendem Applaus  – gibt’s eine Zugabe: Da darf das Publikum aus Vorschlägen wählen, die ins nächste Programm im kommenden Jahr einfließen werden.

kijuku_heinz

schickt-doch-auch-rassisten-vor-die-tuer <- damals noch im KiKu

hartes-gluecks-nun-filterloos <- auch noch im KiKu

aida-loos-die-vielseitige <- ebenso im Kinder-KURIER

leichtigkeit-von-hartes-loos <- eins noch im Kinder-KURIER

Szenenfoto aus "Offene Zweierbeziehung"

Humorvolles Spiel um (un-)gleiche Rechte

Zwei bequeme Sessel, zwei Paravents und eine bespielbare Tür. Das reicht auf der Bühne in diesem kleinen, herb-charmanten Keller-Theater. Der Mann entert die Bühne, klopft an diese Tür, nein pumpert, schaut durchs Schlüsselloch. Fleht Antonia an, es nicht zu tun. Und wenn sie schon Pillen schluckt, dann bitte nicht seine Asthma-Tabletten. Versucht durch Schuldeingeständnisse, dass er ein A… ist, die Ehefrau vom Suizid abzubringen. Oder doch nicht wirklich? Meint er’s nicht ernst. Sie vielleicht auch nicht?

So ernst der Beginn, so ist schon sein Schauspiel von einer gewissen humoristischen Note durchzogen. Die verstärkt sich mit dem Auftritt der Ehefrau – aus unerwarteter Position – nein, gespoilert wird hier nicht, woher sie die Bühne betritt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Offene Zweierbeziehung“

Viel zu lachen

Andrea Nitsche und Thomas Bauer (Regie: Peter W. Hochegger) spielen flott, humorvoll, mit einem Schuss Selbstironie „Offene Zweierbeziehung“ von Franca Rame und Dario Fo im Theater Experiment am Liechtenwerd (Wien-Alsergrund; 9. Bezirk). Antonia hält das Leben mit dem Ehemann nicht mehr aus, weil er dauernd Affären mit „blöden Weibern“ hat. „Ach, wären dir intelligente lieber?“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Offene Zweierbeziehung“

Ja, er sei schon ein A…loch, aber könnten sie nicht beide lieber ein „offene Zweierbeziehung“ (so nicht nur Stücktitel, sondern seit der 68er-Bewegung ein oft diskutiertes, propagiertes Konzept) führen. Könnte sie sich nicht auch zum Ausgleich einen Liebhaber suchen?

Nach etlichem Hin und Her tut sie das. Und siehe da, als sie sich schick macht, um diesen Alfred, einen intelligenten Wissenschafter und obendrein Musiker zu empfangen, da beginnt er auszuzucken. Offen also nur für ihn, den Mann. Wenn auch für die Frau, so wäre dieses „offen“ auf Durchzug und ja, nun droht er, sich umzubringen – unter anderem in der Wiederholung der ersten Szene nur nun mit umgekehrten Vorzeichen, also vertauschten Rollen: Er hinter der Badezimmertür, sie davor, ihn abbringen zu wollen… oder ist alles nur vorgespielt – von beiden Seiten?

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Offene Zweierbeziehung“

Sie wird selbstbewusster

Vordergründig geht’s um die „offene Zweierbeziehung“ (vor 41 Jahren uraufgeführt), im Kern aber spiegelt das Stück generell das nach wie vor ungleiche Geschlechterverhältnis zwischen Frau und Mann – mit der optimistischen schrittweisen Entwicklung der weiblichen Rolle von der unterbutterten Ehefrau zur selbstbewussteren Gleichberechtigten. Diese Wiederaufnahme des Utopia-Theaters als Gastspiel im „Experiment“ ist sozusagen auch ein „Teaser“ für die diesjährige Sommmer-Tour. Anfang Juni bis in den September hinein spielt „Utopia-Theater – mit größerem Ensemble – kreuz und quer durch Wien auf Plätzen und in (Gemeindebau-)Höfen im Freien ein anderes Stück des Duos Fo und Rame: „Bezahlt wird nicht“. Das italienische Komödienduo verstand es meister:innen-haft, ernste Themen in Satire, Farce zu verpacken – mit Lachen, das mitunter dann doch im Halse stecken bleibt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Offene Zweierbeziehung“

Einst Kohlekeller – seit Jahrzehnten Kellertheater

Zwei Jahre vor dem 70. Geburtstag des zum Theater umgebauten einstigen Kohlekellers in der Wiener Liechtensteinstraße unweit der U4/U6-Station Spittelau, füllen vor allem (sehr) alte Theaterbegeisterte, nicht wenige sogar älter als das Theater selbst, die mit 49 Sitzplätzen kleinste und älteste Kleinbühne der Bundeshauptstadt. Besucher:innen von denen einige meinen, ein Abend ohne Theater sei kein richtiger!

Seit der Eröffnung zu den Wiener Festwochen 1956 gab es hier mehr als 250 verschiedene Stücke, davon 43 Uraufführungen vornehmlich österreichischer Autor:innen und 79 österreichische Erstaufführungen. Pro Theatersaison sind jeweils 4 Produktionen vorgesehen – mit zusammen mindestens 100 Aufführungen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Offene Zweierbeziehung“

Wanderbühne

Das tourende „Utopia Theater“ ist hingegen noch sehr jung. Erst seit fünf Jahren spielt es vor allem Klassiker von Nestroy, Jura Soyfer – und heuer eben von Franca Rame und Dario Fo.

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