Wer gerne in Bergen von Stoff wühlen würde, fände hier eine Art Paradies. Hier ist in einer Ecke des großen Raumes im J.A.M., einem der Standorte der Wiener Jugendzentren liegen sie ballenweise. Die „Jugendräume am Muhrhoferweg“ in Wien-Simmering fast schon am Rande der Stadt verwandeln sich einige Wochen der Sommerferien Jahr für Jahr in eine kreative Schneider:innen-Werkstatt. Meister:innen ihres Faches sowie Mode-Schüler:innen, die hier Praktikumswochen absolvieren, bilden die zweite Phase von „Kids in Fashion“ (KiF) dem wohl kreativsten Modedesign-Nachwuchsbewerb (nicht nur) in Österreich.
Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… durfte die Werkstatt besuchen – und dabei zwei der jungen Designer:innen treffen, deren Entwürfe verwirklicht und bei der Gala im Oktober von jugendlichen Models am Cat-Walk vorgeführt werden: Nadine Zarrougui und Monia Fattoum. Die beiden 12-Jährigen hatten im 5er-Haus, dem Jugendzentrum in der Grünwaldgasse (Wien-Margareten), ihre Modedesigns gestaltet – nicht zum ersten Mal. Beide haben im Vorjahr und auch heuer jeweils gut ein halbes Dutzend Entwürfe für den Bewerb eingeschickt, erzählen sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Und fanden andere Entwürfe fast noch besser als jene, die verwirklicht wurden/werden.
Sowohl Zarrougui als auch Fattoum zeichneten weniger, sondern arbeiteten mit Material und erstellten somit dreidimensionale Entwürfe. Erstere klebte auf eines der Blätter bunte Federn. Und siehe da, der bereits Kleid gewordene Entwurf ist beim Lokalaugenschein fast schon fertig, die Schneidermeisterin Elisabeth „Lisi“ Kappel tauchte mit dem Kleid aus vielen Lagen eines feinen, durchscheinenden, gitterartigen Stoffes (Organza) auf. Da entfuhr der Designerin ein „wowh, das ist ja sogar mehr als ich erwartet habe“, zollte sie den Schneiderinnen (in diesem Jahr werken ausschließlich Frauen in der Werkstatt) großes Lob, wie sie aus dem Entwurf ein wirkliches Kleid angefertigt haben.
Das war auch viel Arbeit, mehrere Tage werkten einige daran aus Stoff diese vielen Federn herzustellen. Wie solche Federn gestaltet werden, zeigte Lisi später selber an einer der Nähmaschinen und anschließend mit Schere und Messer. Dafür durften sich die beiden Jung-Designerinnen eine Farbe aussuchen, beide wählten schwarz.
Zwei solcher Organza-Lagen legte Lisi übereinander nähte sie an zwei Stellen in der Mitte knapp nebeneinander zusammen, sodass eine Art Schlauch entstand. Durch diesen fädelte sie einen umwickelten Draht, der oben und unten raussteht, um Schlingen bilden zu können. Nun schnitt sie aus dem viereckigen ganzen Stücke eine ovale Form aus, die an ein Baumblatt oder eben eine Feder erinnert, legte das Ding auf eine starke Kartonunterlage und schnitt mit einem scharfen Messer heftig und rasant jede Menge Streifen von der Mitte weg hinein. Hochgenommen und schon ergibt sich – noch dazu bei ein bisschen Bewegung – das Bild wehender Federn.
Monia Fattoum schildert: „Ich hab vor allem Entwürfe mit viel Glitzer gemacht und viel wo ich einfach Zeugs draufgeklebt hab auf die Zeichnungen“. Darunter hat ihr der eine oder andere besser gefallen als jener, den die Jury ausgewählt hat. „Der ist schon ein bisschen frech“, schmunzelt sie ein wenig verschämt vor dem großen Tisch, auf dem Entwürfe auf Stoff übertragen werden, Modeschülerinnen aus unterschiedlichsten Stoffen Teile für die verschiedensten Gewandstücke schneiden.
Das „Freche“: „Ich hab mit Heißkleber nur viele Kurven und Linien auf die Zeichnung der Figur aufgetragen, darunter gar kein Kleid gezeichnet, also auf die nackte Haut“ sozusagen, beschreibt die Modeschöpferin ihren Entwurf. Die schon genannte Werkstätten-Co-Leiterin – neben Alice Schanovsky, die demnächst eine weitere Meisterinnen-Ausbildung (Herrenschneiderei) angeht, gesteht, „dass wir dem Model aber schon ein – weißes – Kleid anziehen“, das kann sie auch schon herzeigen. Darauf wird dann Monia Fattoums Design in einer schillernden Silikonmasse aufgetragen – nach dem Muster des Entwurfs.
An Schule gefällt den beiden „vor allem Freundinnen und Freunde treffen“, Nadine findet darüberhinaus „Biologie ist schon geil“, ihre Schulkollegin Monia mag „vor allem Sport und wieder Sport“. Erstere spielt auch liebend gern mit Freundinnen und Freunden Volleyball, Monia daneben auch Fußball. Und beide tanzen gerne.
Bella Neller (16) schneidet einen Kreis nach dem anderen aus einem nicht leicht zu schneidenden Stoff aus Dacronwatte (wie sie in Pölstern oder auch Kuscheltieren zu finden ist). „Die werden dann mit Farbe besprüht“, erklärt die Herbststraßen-Modeschülerin und zeigt dem Journalisten den Entwurf von Fabienne Linke. Diese vielen bunten Wattekreise werden dann zwischen zwei durchsichtige Schichten eingeschlichtet und dieses dann zum Kleid, das der Einsendung der 12-jährigen Designerin entspricht.
Weiters werken am Tisch die 16-jährige Wilhelmine Kohlmayr und Verena Draxler, erste jugendliche Schülerin, Zweitgenannte macht ihre Ausbildung im Kolleg, nachdem sie zuvor Kultur- und Sozialanthropologie studiert hatte, „aber das war mir alles zu theoretisch und ich wollte nun was Praktisch-Handwerklich-Kreatives lernen“, verrät sie dem Reporter. Sie schneidet Zacken in einen Karton – und der wird die Basis für Elemente im von der Jury ebenfalls ausgewählten Entwurf des zehnjährigen Theodor Adevuysi. Diese Streifen werden mit hellbraunem Stoff beklebt oder überzogen, erläutert der künstlerische Leiter von Kids in Fashion, Leo Oswald, die folgenden Schritte. Der Jungdesigner hatte zwar handschriftlich angemerkt, dass die hellbraune Farbe aus Sägespänen sein sollte, aber das wäre doch kaum realisierbar, meint der Erfinder des Mode-Bewerbs der Wiener Jugendzentren; ein Interview mit ihm, geführt von Stefanie Kadlec, die derzeit bei Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… in den Journalismus schnuppert, ist hier unten verlinkt.
Zum 29. Mal haben Hunderte Kinder und Jugendliche Zeichnungen mit Mode-Entwürfen an die Zentrale der Jugendzentren geschickt. In diesem Jahr langten mehr als 3000 Designs ein, deutlich mehr als in den vergangenen Jahren wo es immer so rund um die 2.200 Entwürfe aus Kinder- und Jugendhänden (4 bis 21 Jahre – in drei Alterskategorien) waren. Eine Jury wählt dann immer rund fünf Dutzend Designs aus, heuer genau 63. Damit gewinnen weit mehr junge Modeschöpfer:innen als nur die jeweils drei Erstplatzierten der Kategorien 4 bis 10 Jahre, 11 bis 15, sowie 16 bis 21 plus zwei Sonderpreise, die nach München gehen, wo es seit vielen Jahren eine Kooperation mit gleichsam einer Schwesterorganisation der Wiener Jugendzentren gibt. Apropos Ausland, Leo Oswald, der KiF-Erfinder und selbst seit Jahrzehnten Modekünstler, verriet Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, dass „heuer eine Klasse aus Hamburg (im Norden Deutschlands) Entwürfe eingeschickt hat und die wollen sogar extra zur Gala nach Wien in die Mensa der WU (Wirtschaftsuniversität) kommen“.
KiJuKU: Wie würden Sie den Designwettbewerb „Kids in Fashion“ beschreiben, den Sie für Kinder und Jugendliche erfunden haben und nun für die Wiener Jugendzentren künstlerisch leiten?
Leo Oswald: Das Projekt hat eine lange Geschichte. Ich habe vor circa 40 Jahren bei den Wiener Jugendzentren begonnen als hauptberuflicher Modemacher im Zivildienst. Dort habe ich meinen eigenen Beruf natürlich sehr gut einbringen können. Ich habe schon viel mit Kindern und Jugendlichen für Modeshows gearbeitet und verschiedene Veranstaltungen gemacht. Dann kam mir die Idee, meine beruflichen Kontakte, Friseure und professionelle Leute aus dem Make-Up Bereich, zusammenzubringen und in dieses Projekt zu involvieren. Eigentlich waren alle ziemlich schnell begeistert.
Was mir als Grundidee so gut gefallen hat – man sieht es ja auch oft in der Kunst – , war, dass Kinderzeichnungen manchmal so toll wie die eines modernen Künstlers sind und dasselbe habe ich mir auch bei der Mode gedacht. Manchmal haben Kinder Ideen, die sind so kreativ und frei, dass es im Endeffekt, wenn es professionell umgesetzt wird, ausschauen könnte als wäre es irgendein verrückter großartiger Designer in Paris. Das ist die Idee dahinter, die mir da am meisten Spaß macht.
KiJuKU: Sie haben gesagt, dass Sie verschiedene Kontakte haben, um die Entwürfe der Kinder und Jugendlichen umzusetzen. Wie genau sieht Ihr Team aus?
Leo Oswald: In der Werkstätte in Simmering sind meistens zwei oder drei MeisterInnen. Das sind meistens AbsolventInnen der Bühnenklasse der Modeschule Herbststraße und dann kommen auch einige ModeschülerInnen dazu, die ein Pflichtpraktikum für ihre Ausbildung machen müssen. Wir sind jetzt im Moment mit zwei Meisterinnen und drei Praktikantinnen da. In nächster Zeit kommt noch eine Meisterin dazu und im August noch mal drei Praktikantinnen. Heuer nur weiblich besetzt. Der einzige angemeldete Männliche ist leider ausgefallen.
KiJuKU: Was ist die Kernbotschaft, die Sie mit ihrem Wettbewerb vermitteln möchten?
Leo Oswald: Die Kernbotschaft ist eigentlich genau das, dass Kinder wahnsinnig kreativ sein können und dass das mit professioneller Unterstützung extrem High Fashion sein kann. Das ist das Lustige daran.
KiJuKU: Ein Teil des Wettbewerbs ist die Fertigung der Entwürfe und der andere ist die Show. Was gibt es Wichtiges, zu der Show zu wissen?
Leo Oswald: Bei der Show geht es darum, dass junge Leute eine Chance bekommen. Das können halbprofessionelle Jungmodels sein, die noch nie auf einem Laufsteg waren, das können Mädchen und Burschen von der Straße sein, die sich einfach mal selbstbewusst zeigen wollen in lustiger und kreativer Mode. Wichtig dabei ist auch die professionelle Unterstützung bei der Frisur und dem Make-Up. Wir proben dann ein bisschen und machen einen Catwalk mit leichter Choreografie. Es ist dann ganz spannend, diese Show zu beobachten, und die Kinder sind wahnsinnig stolz, wenn sie die Jungmodels mit Make-Up und Haaren fertig gestylt auf dem Laufsteg bewundern können.
KiJuKU: Wann findet die Show statt?
Leo Oswald: Die Show findet am 7. Oktober statt in der WU-Mensa (Wirtuscahftsuniversität, sozusagen das Restaurant dort). Einlass ist um 18.30, da gibt es die Ausstellung der Zeichnungen und um 19.30 ist dann die Show.
Das Interview führte Stefanie Kadlec, 17, die derzeit bei KiJuKU in den Journalismus hineinschnuppert.